Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Eigenverantwortung ist gefragt

Die Bergrettung rüstet sich für eine Sommersaison mit besonderen Herausforderungen

Ausgangssperren und Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten verlangten uns allen einiges ab. Jetzt ist, ob der gelockerten Maßnahmen, das Aufatmen groß. Der nahende Sommer lockt die Menschen nach draußen. Gerade bei der Freizeitgestaltung sind Eigenverantwortung und bedachte Planung mehr denn je gefragt.
5. Mai 2020 | von Sabine Schretter
Eigenverantwortung ist gefragt
Bergrettungs-Bezirksleiter Markus Wolf appeliert an die Vernunft der Bergbegeisteren. Foto: RS-Archiv
Von Sabine Schretter

Sie sind zur Stelle, wenn verunfallte Bergsportler gerettet und geborgen werden müssen – die Freiwilligen der Bergrettung. Die Herausforderungen, die die Corona-Krise an sie stellt, sind groß – gerade  im Hinblick auf die nahende Sommer-Bergsaison. Die RUNDSCHAU fragte bei Bergrettungs-Bezirksleiter Markus Wolf nach, wie sich die Bergretter des Bezirkes Reutte darauf vorbereiten. „Wir hatten während der Corona-Pandemie bis jetzt im Bezirk drei größere Einsätze, zwei leider mit tödlichem Ausgang, einmal mit einer schwer verletzten Person. Selbstverständlich tragen wir bei einem Einsatz die vorgeschriebene Schutzausrüstung – Handschuhe, Maske und Anzug. Wir sollen nur zu zweit zur verunglückten Person hingehen und wechseln uns bei der Versorgung ab“,  schildert Markus Wolf. Gerade wenn Begleiter beim Verunfallten sind, ist es psychologisch sehr schwierig, ihnen zu erklären, warum die Bergretter nur zu zweit sind. Aber im Bezirk habe das Medic-Management hervorragend funktioniert. Die Leute wurden entsprechend geschult. Bei jedem Einsatz ist ein Arzt über Funk dabei, denn gerade wenn eine Reanimation mit Sauerstoffgabe notwendig ist, muss der Bergretter wissen, wie er vorzugehen hat. „Es kann ja sein, dass der Patient infiziert ist und dann kommt es darauf an, dass wir genaue Anleitungen per Funk erhalten“, erklärt Markus Wolf weiter. Die Schutzausrüstung – Masken, Handschuhe und Anzüge – hat sich die Bergrettung des Bezirkes Reutte selbst organisiert. Hier profitierte man von der sehr guten Vernetzung und den engen Kontakten zu entsprechenden Institutionen. Mit Maske aufsteigen sei unmöglich, aber sobald sich ein Bergretter dem Verletzten nähert, setzt er die Maske auf. Beim Absteigen wechseln sich die Bergretter ab und jeweils der, der beim Kopf des Patienten trägt, setzt die Maske auf. Das Bergrettungsauto aus Ehrwald wurde zum Covid-Auto umfunktioniert. „Dieses Auto haben wir komplett ausgeräumt, damit es nach jedem Einsatz desinfiziert werden kann“, so der Bezirksleiter dazu und führt weiter aus: „Wir konnten viel von den Erfahrungen, die die Kollegen im Bezirk Landeck und in Italien machten, profitieren. Darauf bauen wir jetzt auf.“

APPELL. Dass derzeit viele kaum erwarten können, sich wieder im Freien zu bewegen und in die Berge zu gehen, kann Markus Wolf sehr gut nachvollziehen. „Auch mir fehlt die Bewegung im Freien und die Bergerlebnisse!“ Dennoch ist sein Appell unmissverständlich: „Bitte seid vernünftig und plant eure Touren gründlich. Wählt die Routen mit Bedacht und zeigt Eigenverantwortung. Gerade jetzt müssen wir noch mehr darauf achten, uns selbst und andere nicht zu gefährden.“ Durch die Corona-Krise wird sich die Arbeit im alpinen Gelände verändern. Markus Wolf ist sicher, dass das Tragen von Masken weiter bestehen bleibt. „Vielleicht wird nach überstandener Krise auch das Freiwilligenengagement mehr geschätzt. Wir alle sollten uns mehr auf Regionalität besinnen und wirklich wertschätzen, was wir haben!“

COVID-TEAM. Die Bergrettung Tirol richtete ein Covid-Team ein, das von Landesarzt Dr. Josef Burger geleitet und koordiniert wird. Maßgeblich am Aufbau und am Funktionieren dieses Teams sind Markus Isser (medizinischer Ausbildungsleiter, Aufbau der Hygienevorschriften), Gregor Franke (medizinische Organisation) und Jakob Figl (Organisation und Versorgung mit Schutzausrüstung) beteiligt. „Die größte Herausforderung war am Anfang die Beschaffung von Material. Zwei Arten von Gesichtsschildern haben wir selbst entwickelt. Wir haben insgesamt 126 Meter Stoff besorgt und verteilt. So konnte jede Ortsstelle 25 Schutzmasken selber herstellen“, erzählt Dr. Burger im Gespräch mit der RUNDSCHAU. Jede Ortsstelle wurde mit speziellen Sauerstoffmasken und -filtern ausgestattet, die bei einer Reanimation notwendig sind. Medizinische Richtlinien wurden ausgearbeitet, die jeder Bergretter zu befolgen hat. Hygienespezialist Rainer Werlberger hat dazu ein Schulungsvideo gedreht und den Ortsstellen zur Verfügung gestellt. So konnte sich jeder die Hygienevorschriften im Selbststudium aneignen. Fortbildungen und Übungen werden in Zukunft in Kleingruppen beziehungsweise mit maximal 50 Prozent der aktiven Bergretter einer Ortsstelle durchgeführt. „Wir müssen uns vor Infektionen in den eigenen Reihen schützen um die Versorgung weiter gewährleisten zu können“, so Dr. Burger. Das Covid-Team der Bergrettung Tirol ist für jeden Bergretter telefonisch beziehungsweise per E-Mail jederzeit erreichbar und, wie bereits beschrieben, ist bei jedem Einsatz ein Arzt per Funk dabei. „Die Ausnahmesituation fordert uns alle und gerade am Anfang herrschte auch Unsicherheit. Wir hatten keine Erfahrung mit so etwas. Daher ist es wichtig, so eng wie möglich zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen“, führt der Landesarzt weiter aus. „Abstand halten, Hände waschen und vernünftig bleiben“, das gibt er allen mit auf den Weg – besonders denen, die es bald wieder in die Berge zieht.

 
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Landearzt Dr. Josef Burger leitet das Covid-Team der Bergrettung Tirol.
Foto: Bergrettung Tirol

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