Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ein heißes Eisen am Blindsee

Für und Wider zur kräftigen Erhöhung der Maut zum Parkplatz

Der Blindsee am Fuße des Fernpass ist ein Idyll par excellence. Und sehr beliebt. Bei jung und alt, bei Einheimischen wie Touristen. Und vermutlich liegt gerade darin das Problem. Denn nicht zuletzt im vergangenen (Corona-)Jahr erlebte er einen Ansturm, der nicht nur positive Seiten hatte. Mit einer drastischen Preiserhöhung für den Parkplatz möchte man nun gegensteuern und die Probleme zumindest einigermaßen in den Griff bekommen. Doch das stößt nicht nur auf Begeisterung.
31. Mai 2021 | von Jürgen Gerrmann
Ein heißes Eisen am Blindsee
Die Tage der alten Schranke an der Zufahrt zum Blindsee sind gezählt (hier ein Bild vom Freitag). In ein paar Tagen wird ihre "Nachfolgerin" installiert - und dann gilt auch die von 6 auf 15 Euro erhöhte Maut.  RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Der Blindsee ist schon seit Jahren nicht mehr nur ein Geheimtipp für Einheimische aus dem Außerfern oder dem Bezirk Imst. Der Ansturm rührt vermutlich auch daher, dass in den diversen Bewertungsportalen im Internet vom Freizeitspaß dort nur so geschwärmt wird. „Wunderschöner Bergsee! Glasklares Wasser, schöner und sauberer Kiesstrand, perfekt zum Verweilen!“, heißt es da zum Beispiel bei Google Maps, wo ein Schnitt von 4,6 von fünf möglichen Sternen ausgewiesen wird. Beklagt wird höchstens, dass ab der Mittagszeit viele Jugendliche mit ihren Mopeds und sonstigen Freizeitaktivitäten die Ruhe störten.

Neue Schranke kommt bald. 
Die Zufahrt von der Fernpassstraße zum Parkplatz wird gar als „charmanteste Mautstraße Tirols“ eingestuft. Ein „Local Guide“ hielt allerdings die sechs Euro fürs Parken drunten am See für „ein bisschen teuer“. Er wird sich umstellen müssen – denn schon bald sind gar 15 Euro berappen: Im Moment kann man die Straße zum See zwar noch zum alten Tarif benutzen, doch „diese oder nächste Woche“ wird (wie Georg Schönherr, der Substanzverwalter der Gebietsgutagrargemeinschaft Biberwier, der Eigentümerin von Zufahrt und Parkplatz mithin, ankündigt) eine neue Schrankenanlage installiert. Und dann gilt der neue Preis. Laut Schönherr wurde die gravierende Preiserhöhung nötig, weil im Vorjahr der See „komplett überlaufen“ gewesen, von den Einheimischen habe wegen der untragbaren Zustände schon kaum einer mehr hin wollen. Da habe man sich einfach Gedanken machen müssen, wie man dem entgegensteuern könne. Und für den höheren Preis gebe es ja auch eine Gegenleistung: Um die hygienischen Zustände zu verbessern, werde eine neue Toilettenanlage installiert, die man zudem mit einer Pflanzenkläranlage ergänze. Ein Kiosk, von dem auch schon die Rede war, komme indes heuer nicht dazu.

Die Maut gilt pro Auto.
Auch aus Sicht von Biberwiers Bürgermeister Paul Mascher führte an diesem großen Preissprung kein Weg vorbei. Man könne eben nicht alle Autos zum See hinunterfahren lassen, wo es eben nur gute 100 Stellplätze geben. Da bedürfe es schon wirkungsvoller Steuerungsmaßnahmen, beim derzeitigen Tarif sei kreuz und quer alles zugeparkt gewesen. Und wenn sich zu viele Menschen an diesem herrlichen Platz tummelten, dann drohe (auch durch das Sonnenöl, das ins Wasser gelange) der See gar zu kippen.
Auf zwei Dinge legt Paul Mascher bei alledem Wert. Erstens: Die Maut von 15 Euro sei pro Fahrzeug berechnet, nicht pro Person – wenn fünf Leute im Auto säßen, relativiere sich das dann doch. Zweitens: Per Fahrrad oder zu Fuß sei der See nach wie vor kostenlos zu erreichen. Befürchtet er da nicht, dass dann ganz Biberwier mit Autos zugeparkt wird, deren Insassen sich die Maut sparen wollen? „Keineswegs. Von Biberwier aus sind das noch eineinhalb Stunden Fußmarsch. Das machen sicher nur wenige.“

Die Bergwacht im Dauereinsatz.
Von den Zuständen, die letztlich die Preiserhöhung ausgelöst hatten, weiß auch Uwe Pechtl, der Biberwierer Einsatzstellenleiter der Bergwacht, ein Liedchen zu singen: Schon zum Saisonstart rund um Pfingsten habe man sechs oder sieben große Säcke an Müll einsammeln müssen, und auch bei den regelmäßigen Kontrollgängen komme allein am Parkplatz eine Menge dazu. Auch das Problem mit illegalen Nachtcampern, die die Natur dem Campingplatz vorzögen, werde immer größer: „Fast in jeder Nacht sind wir bis ein, zwei Uhr dort unterwegs. Und fast immer müssen wir Leute wegschicken. Im vergangenen Jahr sind wir fast 600 Stunden allein wegen dieser illegalen Camper im Einsatz gewesen.“ Auch die Rücksichtslosigkeit der Zeitgenossen, die ihren Abfall einfach in die Landschaft werfen, ärgert ihn: „Wir sind doch keine Müllabfuhr. Wir machen das zwar, aber Spaß bereitet uns das ganz sicher keinen.“ 
Einheimische können übrigens künftig ein Jahresticket für 35 Euro für den Parkplatz erwerben – als „einheimisch“ gelten allerdings nur Menschen, die ihren Wohnsitz von Heiterwang bis Nassereith haben (also im Gebiet des Tourismusverbandes Zugspitzarena plus der unmittelbaren Nachbargemeinde hinter dem Fernpass). Für alle anderen in den Bezirken Imst und Reutte gilt der Normaltarif. Den müssen allerdings viele Urlauber in der Zugspitzarena nicht aufwenden – für Besitzer der Gästecard dort sind Durchfahrt und Parken kostenfrei. Zahlen muss hingegen, wer in der Naturparkregion Reutte seine Ferien verbringt und einen Ausflug zum Blindsee plant: „Dafür gibt es keine Vereinbarung hinsichtlich unserer Gästekarte – und das ist auch nicht im Gespräch“, sagt TVB-Geschäftsführer Ronald Petrini. Mit Urisee, Plansee und Frauensee habe man ja auch selbst viele herrliche Seen zu bieten, da herrsche mithin eigentlich gar kein Bedarf, woanders hinzufahren. Dass Urlauber kostenlos zum Blindsee fahren dürfen, Einheimische aber zahlen müssen (sei es nun den vergünstigten oder den Volltarif) ärgert derweil viele im Außerfern (und wohl auch im Bezirk Imst). Zu ihnen gehört auch Christina Luttinger aus Bichlbach, die Stammgast dort ist und die 35 Euro zwar für sich als gerade noch tragbar erachtet, die aber nicht einsehen will, warum dieses Ticket den Menschen jenseits des Katzenbergs verwehrt bleibe: „Der Blindsee gehört dem ganzen Außerfern!“ Auch ihr ist die Vermüllung dort ein Dorn im Auge. Mit ihrer Cousine Rosmarie habe sie im vergangenen Jahr aus eigenem Antrieb stundenweise Dreck weggeräumt – einfach, weil sie diese „Sauerei“ nicht mit anschauen könne. Viele, die dies mit verursacht hätten, müssten derweil gar nichts zahlen: „Das wird noch viel böses Blut geben.“ 

Appell der SPÖ-Jugend.
Zu den Kritikern der neuen Regelung zählt auch die Junge Generation Oberland in der SPÖ. Deren Vorsitzender Johannes Reinstadler fordert, das Jahresticket auch auf den Bezirk Imst auszudehnen: „Der Blindsee ist auch für viele dort ein wichtiges Naherholungsgebiet. Gerade auf Grund des Klimawandels wird der Zugang zu Seen in den heißen Sommermonaten immer wichtiger. Es wäre daher wünschenswert, dass auch Imster und Imsterinnen die Möglichkeit erhalten, ein vergünstigtes Jahresticket für die Benützung der Zufahrtsstraße und des Parkplatzes erwerben zu können. Ich fordere die Agrargemeinschaft Biberwier auf, hier eine gemeinsame Lösung mit den Bürgermeistern im Bezirk Imst zu finden.“
Für die Berichterstattung wollten die beiden Tourismusverbände diesseits und jenseits des Fernpass – Zugspitzarena und Imst – keine Stellungnahme abgeben. Vielleicht zeigt ja auch dies: Im Moment liegt ein ziemlich heißes Eisen am Blindsee.
 

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