Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Einer, der „laufend“ unterwegs ist

Trailrunner Simon Scheiber aus Ehrwald lief zum 200. Geburtstag der Zugspitze 20 Mal auf die Zugspitze

Simon Scheiber ist Sportler durch und durch – körperlich und mental fit. Der sympathische Ehrwalder ruht in sich, kennt seine Grenzen, weiß, welche Ziele er erreichen möchte. Dass sich 2020 die Erstbesteigung der Zugspitze zum 200. Mal jährt, brachte Simon auf eine Idee.
21. September 2020 | von Sabine Schretter
Einer, der „laufend“ unterwegs ist
Auch im Hochsommer musste der Trairunner manchmal die Spikes anlegen.
Von Sabine Schretter.
„Heuer durchkreuzte Corona viele meiner Pläne. Es gab zum Beispiel 2020 den Zugspitz Ultratrail nicht. So kam ich auf die Idee, zum 200. Jahrestag der Erstbesteigung der Zugspitze (27. August 1820) 20 Mal auf den Gipfel zu laufen“, erzählt Simon Scheiber im Gespräch mit der RUNDSCHAU. Er wollte mit diesem Vorhaben nicht an die Öffentlichkeit gehen, lief rein für sich. Es war seine Freundin, die auch andere an der Umsetzung dieser Idee teilhaben ließ und Simons Laufstory postete. Vor zwei Jahren hatte sich Simon Scheiber schon einmal mit diesem Vorhaben versucht. Damals war nach dreizehn Läufen Schluss. „Da wurde der Widerstand einfach zu groß. Ich wollte mich nicht mehr weiter plagen“, erzählt Simon Scheiber. Heuer kam er bei seinem 18. Lauf beinah an seine Grenzen. Die Frage, wie man sich dann doch überwindet, beantwortet er: „Ausschalten und durch! Es kommt viel auf die mentale Stärke an, die sich mit einem mitentwickelt.“ Körperliches und mentales Training laufen buchstäblich Hand in Hand. Auf die Zugspitze zu laufen, ist Simon Scheibers Standardtraining. „Nach 1.000 Höhenmetern werde ich erst richtig warm!“, sagt er.

20 mal rauf über zwei Routen.
Als die Zugspitzbahn nach dem Lockdown Anfang Juni wieder in Betrieb ging, begann Simon Scheiber seinen Plan umzusetzen: Am 20. Juni startete er zu seinem ersten Lauf auf den Zugspitzgipfel (2.962 m). 19 weitere Läufe sollten folgen, zum letzten Mal nahm Simon die Strecke am 3. September auf sich. Er hatte sich zwei Routen vorgenommen: Die längere Strecke, die er meistens lief, führte über das „Gatterl“. Hier gilt es, 16 Kilometer und 2.200 Höhenmeter zu überwinden – Simon Scheiber braucht dafür knapp drei Stunden, lag manchmal auch unter dieser Marke. Fünfmal nahm er die steilere Variante über den „Stopselzieher“ in Angriff. Diese Strecke ist 4,5 Kilometer lang und überwindet 2.000 Höhenmeter. Simon Scheiber schafft das in ca. einer Stunde und 40 Minuten. Jeder Gipfelsieg wurde mit einem Selfie dokumentiert. „Meine Freundin weckte mich in der Früh und ich startete kurz vor sechs Uhr“, erzählt der Trailrunner. Die Tiroler Zugspitzbahn unterstützte Simon bei seinem Vorhaben. Den Weg ins Tal überwand er mit der Bahn.
„Das spart Zeit und schont die Knie. Ich habe meistens die erste Talfahrt genommen und war allein in der Gondel“, erzählt er. Getroffen hat er beim Laufen selten jemanden. Hin und wieder ein paar Bergsteiger, die auf den Hütten übernachtet haben und gerade beim Frühstück saßen. Nach den Läufen und einer kurzen Erholungsphase begann für Simon Scheiber sein täglicher Arbeitsalltag – im eigenen Blumenladen.
 
Einer, der „laufend“ unterwegs ist
Am Gipfel angekommen, genoss Simon Scheiber die herrliche Morgenstimmung.
Laufen ist Medizin.
Simon Scheiber trainiert seit er 16 Jahre alt ist. 2012 begann er, Wettkämpfe zu bestreiten. Als ausgebildeter Trailrun-Guide trainiert er nach seinem eigenen Stil, ohne persönlichen Coach, im eigenen Rhythmus. Als ausgebildeter Yogalehrer weiß er auch, wie er nach einem Lauf am besten regeneriert. Und er achtet auf seine Ernährung, lebt vegetarisch. „Ich kasteie mich aber nicht, esse auch einmal eine Pizza und etwas Süsses. Ich kenne mich und meinen Körper sehr genau und weiß, was mir guttut.“ Von schweren Verletzungen blieb Simon Scheiber bis jetzt verschont. „Das Laufen ist für mich eine Form von Medizin. Ich atme beim Laufen sehr bewusst, mein Stoffwechsel läuft auf Hochtouren – laufen tut mir einfach gut“, erklärt er. Alles, was er bei seinen Läufen auf die Zugspitze mitnahm, waren ein Getränk, ein Apfel und Energiegel. „Mehr brauche ich nicht. Den Apfel esse ich, wenn ich flachere Passagen – etwa vom Gatterl zur Knorrhütte – laufe. Das Energiegel habe ich für den Fall mit, dass ich Probleme mit dem Kreislauf bekomme oder mein Zuckerspiegel plötzlich abfällt. Wenn ich bei nassen Bedingungen laufe, habe ich eventuell ein zweites Paar Socken mit dabei.“ Den Kalorienverbrauch gleicht Simon Scheiber nach einem Lauf gerne mit einem Teller Nudeln mit Käse und Tomatensauce – gerne auch mit Kernöl drauf – aus. Bei einem Lauf, wie dem Zugspitz Ultratrail, verbraucht er ca. 14.000 Kalorien.

Hochgenuss oder Kampf.
Bei seinen 20 Läufen durchlebte Simon Scheiber starke Emotionen – von Hochgenuss bis K(r)ampf war alles mit dabei. Überwiegen tut die Freude am Laufen in der schönen Natur, überwiegen tun die unwiederbringlichen Eindrücke, die man gewinnt – unabhängig davon, wie die Bedingungen sind. „Ein Lauf war ein absolutes Hochgefühl vom Anfang bis zum Schluss. Ich war in einer super Verfassung und es herrschte Traumwetter. Es hätte nicht schöner sein können“, gerät Simon ins Schwärmen. Rekorde sind eine spannende Sache, für Simon Scheiber aber nicht vordergründig. „Mir geht es um meine persönliche Erfahrung. Ich möchte wissen, wie es mir geht, wenn ich etwas Bestimmtes mache“, sagt er. Dass der Laufsport im Gelände derzeit einen Boom erlebt, freut ihn. Der Sport ist wunderschön und nicht sehr naturinvasiv. „Man greift nicht in die Natur ein! Ich denke, dass es in Zukunft mehr Laufgruppen geben wird. Das würde mich schon auch reizen, mich hier einzubringen“, blickt er in die Zukunft.

Entspannen.
Dass es zum 200. Jahrestag der Erstbeteigung auch einen Weltrekord auf der Zugspitze gab (die RUNDSCHAU berichtete über das Event mit dem Bank-Hinauftragen), freut Simon Scheiber. „Ich habe es am Rande mitverfolgt und finde großartig, dass Riccardo Mizio und Sarah Wingendorf das geschafft haben und die Bank jetzt auf dem Zugpitzgipel steht.“ Für ihn ist jetzt erst einmal Entspannen angesagt und „dann schaue ich, was der Winter bringt!“
 

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