von Regina Hohengasser
Vor verschlossener Türe bleib ich stehen. Ein Plakat fordert mich auf, Mund- und Nasenschutz zu tragen und zu läuten. Eine freundliche Betreuerin öffnet mir die Tür, grüßt mich und weist auf die Desinfektion der Hände hin. So, wie es fast schon überall zur sogenannten „neuen Normalität“ geworden ist. Ich werde ins Büro geleitet, dort empfängt mich schon die Geschäftsführerin des EKiZ, Martina Siebrecht-Schmand, die schnell und unkompliziert ein Treffen mit mir vereinbart hat. Die Leitung teilt sich Martina Siebrecht-Schmand mit ihrer Kollegin Petra Grill. Um ein authentisches Bild der vergangenen elf Wochen zu erhalten, organisierte Frau Siebrecht-Schmand drei betroffene Mütter, die sich bereit erklärten, mir von ihrem Alltag mit Kleinkindern, Volksschulkindern und Teenagern zu berichten.
LOCKDOWN. Mit der abrupten Schließung am 16. März änderte sich das Familienleben drastisch. Der plötzliche Stillstand löste mannigfaltige Gefühle – sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern aus. Große Verunsicherung, Sorge um die Kinder, Zukunftsängste, Arbeitsplatzgefährdung, aber vor allem: Wie erklärt man so eine Ausnahmesituation einem kleinen Kind? Welche Antworten auf berechtigte Kinderfragen geben? Warum dürfen Oma und Opa nicht mehr besucht werden, nicht mehr umarmt werden? Warum darf man nicht mehr mit dem besten Freund und der besten Freundin spielen/sie nicht treffen? Warum können nicht mehr alle Kinder in die Kinderkrippe? (Anmerkung: Kinder im EKiZ sind zwischen 18 Monaten und drei Jahren jung.) In diesem Alter fühlt das Kind hauptsächlich, die Lage kognitiv einzuordnen ist nicht möglich. Es löst bei Kindern tiefe Verunsicherung, einen Vertrauensverlust, ein Selbstverständnis des Daseins aus. Dazu eine betroffene Mutter: „Mein Sohn wurde fallweise im April bei eingeschränktem Betrieb betreut. Meistens war er allein oder zu zweit in der Kindereinrichtung. Er kam ganz gut mit der neuen Situation zurecht und genoss sogar die ungeteilte Aufmerksamkeit der Pädagogin; meine schulpflichtige Tochter hingegen reagierte mit Essensverweigerung und Unlustgefühlen. Mir wurde auch von Kindern berichtet, die schon Züge einer Depression aufwiesen. Die spätere Maskenpflicht löste bei den Kindern Weinen aus. Die Beispiele lassen gut erkennen, dass Kinder, je nach Charakter und Veranlagung, individuell reagieren. Eine weitere berührende Begebenheit: Nach etwa achtwöchigem Lockdown trafen sich zwei befreundete Kinder des EKiZ zum ersten Mal. Die Freude war so groß, dass sich die zwei ( Bub und Mädchen) um den Hals fielen, an den Händen festhielten und nicht mehr ausließen, bis die Eltern wieder heimgingen. Auch daran sieht man sehr deutlich, was wirklich im Leben zählt. Bindungen, Dazugehören, Wertschätzung, stabile und krisenresistente Beziehungen. Einrichtungen wie das EKiZ leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.
Leider mussten mit dem Lockdown sämtliche Angebote und Kurse rund um die Themen Schwangerschaft, Geburtsvorbereitung, Nachsorge, Eltern-Kind-Gruppen und zahlreiche andere laufende Veranstaltungen gestrichen werden, was natürlich auch zu finanziellen Turbulenzen führte. Die rigiden Covid 19 Verordnungen und Maßnahmen ließen sehr viel an Deutungsspielraum offen, was die ohnehin angespannte Lage noch verschärfte. In sensiblen Kinderseelen hat sich diese Ausnahmesituation tief eingeprägt. Ich nahm bei den Kindern eine diffuse Verunsicherung wahr, sie sprachen mit ihren Augen: „Was ist los mit unserer Welt?“ Es liegt wohl an jedem Einzelnen, welchen Stellenwert Kinder in der Gesellschaft in Zukunft haben werden. Es wäre die Aufgabe jedes Einzelnen, ihnen den bestmöglichen Nährboden zu bereiten. Denn sie sind die zukünftigen „Baumeister“ dieser Erde, mit allen großen komplexen Problemen und Herausforderungen, die die Welt in Zukunft an sie stellen wird. Dazu braucht es vor allem eigenständige und solidarisch denkende/fühlende Kinder und Erwachsene. Es liegt an Politikern, an Pädagogen, an Eltern, an Großeltern, an Geschwistern – kurzum an uns allen, ob sie dieser riesigen Herausforderung einmal gewachsen sein werden. Noch ist es nicht zu spät, Corona hat allen deutlich vor Augen geführt, dass es so eine zukunftsweisende Weichenstellung braucht.
Gemeinsam ist es doch am schönsten! Im Bild die beiden Kinderbetreuerinnen Isabella Wagner und Nicole Skabraut (v.l.) mit den Kindern. RS-Foto: Hohengasser