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Enges Netzwerk und hohe Disziplin

Der Bezirk Reutte tanzt aus der Reihe. Viele Orte zeigen eine Null in der Rubrik „positiv getestete Coronafälle“

Geografische Eigenheit kann auch ein Vorteil sein. Ärgert man sich oft über die Barriere Fernpass, schätzt man sie in Zeiten der Corona-Pandemie. Dies allein macht die Sonderstellung nicht aus. Die RUNDSCHAU wollte es genauer wissen und fragte bei Bezirkshauptfrau Katharina Rumpf nach.
21. April 2020 | von Sabine Schretter
Enges Netzwerk und hohe Disziplin
Die Bezirkseinsatzleitung Reutte arbeitet während der Corona-Krise zum Wohle aller Außerferner. Foto: BH Reutte
Von Sabine Schretter

RUNDSCHAU: Der Bezirk Reutte zeigt – im Blick auf die aktuellen Corona-Zahlen – ein differenziertes Bild. Worauf lässt sich das zurückführen?
Bezirkshauptfrau Mag. Katharina Rumpf: Konkrete Rückschlüsse darauf, warum es im Bezirk derzeit insgesamt weniger Infektionen gibt, können derzeit nicht gesichert getroffen werden – Infektionsherde, wie in anderen Bezirken in Tirol, sind für den Bezirk Reutte nicht bekannt.  

RS:  Zeigt die Corona-Krise im Bezirk Reutte Eigenheiten? Hilft uns unsere Abgeschlossenheit?
Rumpf: Die Situation ist auch im Bezirk Reutte enorm herausfordernd. Hinsichtlich des Screenings gibt es  bei uns folgendes System: Abstriche werden einerseits am Bezirkskrankenhaus Reutte in der Infektionsambulanz entnommen. Weiters fährt ein mobiles Team bestehend aus einem Epidemiearzt (insgesamt 13 Epidemieärzte) und dem Roten Kreuz direkt zu den Patienten nach Hause und nimmt  einen Abstrich vor Ort. Das hat sich von Anfang an bewährt, da die Patienten das Haus nicht verlassen müssen und der Arzt sich vor Ort ein Bild von der Erkrankung machen kann. Mittels Pulsoxymeter wird auch noch die Sauerstoffsättigung beim Patienten gemessen, um prüfen zu können, ob eine stationäre Aufnahme erforderlich ist. Zudem machen wir derzeit auch sogenannte Crosschecks von medizinischem Personal und Strukturpersonal. Auch die enge Verbindung zu Deutschland ist durchaus ein spezielles Kriterium, das berücksichtigt werden muss. Bei Vorliegen von Verdachtsfällen mit grenzüberschreitendem Bezug erfolgt ein direkter Informationsaustausch der deutschen und österreichischen Behörden. Eine besondere Situation kann in der Gemeinde Jungholz festgestellt werden: Da es in Jungholz kein Geschäft oder Ähnliches gibt, müssen die Bewohner nach Wertach in Bayern für Besorgungen sowie die medizinische Versorgung pendeln. Zur Sicherheit der Bewohner in Jungholz übernimmt bei dringenden Einsätzen die deutsche Polizei, da die Eintreffzeit der österreichischen Polizei momentan aufgrund erschwerter Anfahrtsmöglichkeiten länger dauert (die Zufahrt ist nur über den Grenztunnel Füssen möglich).

RS:  Wie steht es um die Disziplin der Außerferner Bevölkerung? 
Rumpf: Die Bevölkerung im Bezirk Reutte verhält sich sehr diszipliniert und hat sich bisher zum überwiegenden Teil an die Verkehrsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen gehalten. Dafür ergeht meinerseits ein herzliches Dankeschön an die Bevölkerung. Wir sind stets in Abstimmung mit sämtlichen Einsatzorganisationen, die ebenfalls die Disziplin der Bevölkerung hervorheben. Am Osterwochenende tirolweit gab es sehr wenige Notarzteinsätze. Vonseiten der Bergrettung ist kein einziger Einsatz zu verzeichnen, die Polizei verfügte nur vereinzelte Organstrafmandate und Anzeigen.  

RS: Seit dem 14. April gibt es schrittweise Lockerungen im Alltagsleben. Sind diese Maßnahmen richtig gesetzt?
Rumpf: Derzeit stabilisiert und  verbessert sich die Situation stetig. Die Bezirkseinsatzleitung analysiert und beobachtet die Lage täglich in Abstimmung mit den Einsatzorganisationen und der Landeseinsatzleitung, um schnellstmöglich reagieren zu können – daher appelliere ich an die Bevölkerung, sich weiterhin an die Verkehrsbeschränkungen zu halten und die soziale Distanz aufrechtzuerhalten. Nur wenn wir die sozialen Kontakte weiterhin auf ein Minimum beschränken, kann eine Weiterverbreitung des Virus verhindert werden.  

RS:  Welchen Appell richten Sie an die Bevölkerung des Bezirkes?
Rumpf: Es gilt der Appell an alle Tiroler, auf Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko zu verzichten. Es ist wichtig, nur allein oder mit den im Haushalt lebenden Personen den Hobbys im Freien nachzugehen und auf den Sicherheitsabstand zu achten. Wir sind noch nicht über den Berg und dürfen unsere Einsatzkräfte und unser Gesundheitssystem nicht unnötig belasten.

RS: Glauben Sie, dass im Außerfern nach überstandener Krise Veränderungen spürbar werden? 
Rumpf: Eine Pandemie, die weltweit spürbar ist, hat es noch nie gegeben. Eine genaue Einschätzung ist natürlich schwierig. Die Erfahrungen, die wir jetzt machen, werden uns prägen. Der Weg hin zu heimischen, regionalen Produkten war auch vor der Krise schon spürbar – dieser wird nun wohl noch weiter in den Fokus rücken.

RS: Ein persönlicher Satz an alle Außerferner:
Rumpf: Bei der derzeitigen Situation bedarf es ein großes Maß an Zusammenhalt, Solidarität und Eigenverantwortung – Eigenschaften, die unsere Bevölkerung im Außerfern allesamt mitbringen. Gemeinsam halten wir durch!
Enges Netzwerk und hohe Disziplin
Hinter den Türen der BH Reutte arbeiten Abteilungen und die Bezirkseinsatzleitung aber auch während der Corona-Krise. RS-Foto: Schretter

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