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„Es kommt auf den Einzelnen an“

Energiefrühstück bei den EWR: Blick auf Zukunftsstrategien

Einen Blick in die (energiepolitische) Zukunft konnte man Freitagmorgen in der EW-Zentrale in Reutte werfen – und zwar nicht per Glaskugel, sondern mit Hilfe hochkarätiger Referenten: Das dominierende Energieversorgungsunternehmen im Außerfern hatte zum „Energiefrühstück“ eingeladen.
11. Oktober 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Es kommt auf den Einzelnen an“
Wie kann die Energiewende geschafft werden? Darüber tauschten beim Energiefrühstück der EWR unter anderem Wirtschaftslandesrat Toni Mattle (links) und EWR-Vorstand Michael Hold ihre Gedanken aus. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Wirtschaftslandesrat Toni Mattle machte dabei zwar keinen Hehl daraus, dass man vor einer enormen Herausforderung stehe, wenn man die Energiewende schaffen und dadurch das Klima retten wolle – aber die Tiroler könnten dabei doch auf einen großen Startvorteil setzen: „Wir habe Berge, wir haben Wasser – und darin steckt eine Menge Energie.“ Und da auch noch die Sonne in durchaus respektablem Umfang scheine, so brauche man zur Basisversorgung – anders als etwa noch in Deutschland – keine fossilen Brennstoffe.

ZUVERSICHT BEIM E-AUTO.
Das Mitglied der Landesregierung bekannte sich dazu, dass sich Tirol mit der von ihm präsentierten Strategie „Tirol 2050“ einen um ein Jahrzehnt weiteren Zeithorizont als die Bundesregierung gegeben habe, um die Energieautonomie zu erreichen. Das sei indes zu dem „sehr ambitionierten“ Vorhaben aus Wien auch ein realistischer Ansatz. Ein wesentliches Puzzleteil dabei: Waren und Güter „in hohem Maße“ auf die Schiene zu verlagern. Der Brennerbasistunnel werde zwar wohl bis 2032 fertig, das Problem sei aber die Zulaufstrecke in Bayern, wo es jetzt endlich einer Entscheidung über die Trassenführung bedürfe. Was das Ende des Verbrennungsmotors in Privat-Pkw anbelange, so zeigte sich der Politiker zuversichtlich: „Beim E-Auto wird es bald flutschen, das wird ähnlich rasant gehen wie einst bei den Fernsehern mit Flachbildschirm.“ Ein großes Potenzial, um die Wende zu schaffen, sieht Mattle auch im Energiesparen. Allerdings dürfe man auch nicht verhehlen, dass die Ziele für die Zukunft nicht ohne einen Ausbau der Wasserkraft zu erreichen seien: „Da wird es (wie übrigens auch bei der Photovoltaik) Kompromisse brauchen, was das Landschaftsbild anbelangt.“ Zur verstärkten Nutzung der Sonnenenergie bieten sich nach seiner Meinung Restflächen an Hängen an, und generell gelte: „In den erneuerbaren Energien liegt die Zukunft. Wenn man zu sehr auf das Alte setzt, wird man verlieren.“ Den Gemeinden misst er dabei eine „nicht zu unterschätzende Vorbildrolle“ bei: „Sie können ihre Bürger sensibilisieren und haben in den EWR im Außerfern auch einen tollen Partner dafür.“ Klare Position bezog Mattle auch gegen die weit verbreitete Ansicht, der Einzelne könne eh nichts gegen den Klimawandel machen: „Wenn nicht der Einzelne etwas dazu beiträgt – wie wollen wir dann die Wende schaffen?“

Potenziale in erneuerbaren Energien.
Nachdem Bruno Oberhuber, der Geschäftsführer der Energie Tirol, das Angebot der unabhängigen Beratungsstelle des Landes (das übrigens heuer schon viermal so viel in Anspruch genommen worden sei wie 2017) skizziert hatte, beleuchtete Vorstand Michael Hold die Situation im Außerfern, auf das 5,1 Prozent des Tiroler Energieverbrauchs entfielen. Nur 57 Prozent der 352 Gigawattstunden an Strom, der 2018 im Außerfern verbraucht worden sei, sei aus lokalen Ressourcen gekommen – wobei mit 54 Prozent davon die Wasserkraft den größten Anteil habe. Der Rest werde zugekauft. Vor welch gewaltigen Herausforderung man auch vor Ort steht, wird auch dadurch deutlich, dass Hold schätzt, dass der Strombedarf (obwohl sich durch Energiesparen wohl der heutige Verbrauch um 40 Prozent verringern lasse) bis zum Zieljahr 2050 auf das Doppelte ansteige – und zwar nicht zuletzt wegen der Wasserstoffproduktion und der E-Mobilität. Aber um den Mehrbedarf von vermutlich 320 Gigawatt zu decken, sehe man im Ausbau der Erneuerbaren Energien im Außerfern durchaus Potenziale: bei Wasserkraft (plus 146 Gigawatt), bei der Solarenergie (plus 180) und bei der Windnutzung (plus 40). Nötig sei auch eine Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch von Strom sowie eine zusätzliche Anbindung an das restliche Tiroler Netz. Auch mögliche Windkraftstandorte nannte der Geschäftsführer der EWR Technik: das Mäuerle bei Reutte, den Hahnenkamm bei Höfen, den Grubigstein bei Lermoos, den Marienberg bei Biberwier und den Issentalkopf bei Ehrwald. Wobei er natürlich weiß, dass nicht alle darüber in helle Begeisterung ausbrechen. Gleichwohl müsse etwas getan werden: „Die Versorgungssicherheit im Außerfern entspricht nicht mehr internationalen Standards.“
Reuttes Bürgermeister Günter Salchner hatte zu Beginn eine nachhaltige Energieversorgung als „zentrale Frage der Menschheit“ eingestuft. Es gehe darum, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, der den Namen auch verdiene, aber gleichzeitig die Wirtschaft nicht abwürge – und auch darum, ob man die Wende als Evolution, die man zu gestalten vermöge, schaffe oder unbeeinflusste Umwälzungen auf einen zukämen. Es komme dabei auf die Innovationskraft, aber auch die innere Einstellung an. Die Gemeinden im Bezirk täten da viel, aber es gebe durchaus noch Ansatzpunkte: „In Reutte werden zum Beispiel oft geringste Distanzen mit dem Auto zurückgelegt. Da muss man sich wirklich fragen, ob das immer notwendig ist.“

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