Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Existenzsicherung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen

Plädoyer für ein gerechteres Wirtschaftssystem

Dafür setzen sich Helmo Pape, Florian Razocha und Franz Josef Lesjak – vom Verein Generation Grundeinkommen mit Sitz in Wien – ein. Die drei Vertreter des Vereins touren derzeit mit ihrer Roadshow in 46 Tagen durch ganz Österreich, um das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens der Bevölkerung näherzubringen. Dazu fand am Montag den 14. Juni im Gasthof Ehrenberg eine spannende Diskussion in Form eines Runden Tischs statt; ermöglicht und organisiert hat die Veranstaltung der Lions Club Reutte. Ergänzend dazu gab es nachmittags einen Infostand mit öffentlicher Präsentation am Kirchplatz in Reutte.
21. Juni 2021 | von Regina Hohengasser
Existenzsicherung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen
Helmo Pape, Franz Josef Lesjak und Florian Razocha vom Verein Generation Grundeinkommen bei ihrem Playdoyer für ein gerechtes Wirtschaftssystem. RS-Foto: Hohengasser
Von Regina Hohengasser.
Eine kleine, aber feine Runde, bestehend aus Reuttes Wirtschaft, Politik, Vereinen und Presse diskutierte gemeinsam über ein sozialpolitisch brisantes Thema. Nach der Begrüßung und einleitenden Worten von Dr. Bachlechner (Lions Club) ging`s auch schon zur Sache.

Was ist das BGE?
Das BGE basiert auf der Idee eines Lebensunterhalts für alle Bürger, das an keine Pflichten gekoppelt, nicht nach abgestuftem Einkommen des Einzelnen gemessen, sondern ohne Bedingungen gewährt wird. Es soll das Existenzminimum für ein würdiges Leben eines jeden Einzelnen vom Kind, Arbeitslosen, Minijobber bis hin zum Voll-Beschäftigten erst mal absichern. Daraus soll keine Verpflichtung zu einer Anstellung entstehen, Menschen, die eine Arbeit verweigern, sollten nicht mit dem Entzug des BGE sanktioniert werden. Die Höhe des BGE beträgt in etwa 1.000 Euro. So der Grundgedanke. Weiters führt Helmo Pape aus, dass der Mensch arbeiten und gestalten möchte, es ist in uns angelegt. Nur eben nicht unter Zwang und Abhängigkeit.   

Ein Grundbedürfnis.
Helmo Pape erläutert weiter, dass wir alle schon ein Grundeinkommen haben, vor allem in der Kindheit und in der Pension. Der Staat schüttet Zuwendungen in Form verschiedenster Beihilfen zu den Lebenshaltungskosten der Bürger aus, ähnlich einer Grundsicherung. Warum dann überhaupt ein BGE? Bisher musste der einzelne Bürger seine Bedürftigkeit immer wieder aufs Neue nachweisen. Der Mensch wurde zum Bittsteller. Dieser Umstand geht nicht spurlos an den Einzelnen vorbei, so Helmo Pape weiter. Es fördert Angst, wenig Teilhabe und Eigenermächtigung, geringen Selbstwert und Stigmatisierung, ein fataler Teufelskreis beginnt. Den Bürgern wieder eigenen Gestaltungsspielraum zurückgeben. Hierarchische Strukturen aufweichen und das „Wir-da-oben-, ihr-da-unten- Denken“ beenden, fordert der Verein des BGE. Der bürokratische Aufwand von Formularen und Anträgen ist immens und kostet den Staat und den Staatsbürger jedes Jahr viel Geld, die Ersparnis könnte so ins BGE fließen. In die Persönlichkeitsentwicklung des Bürgers und seine Stärken wäre das Geld besser investiert, so die drei Herren weiter. Ungeahnte Kräfte setzen sich so frei und der Mensch kann seiner wahren Bestimmung sowie seinen Talenten folgen. Handelt der Mensch nicht der Art seines Wesens entsprechend, so wird er früher oder später krank; und Armut macht krank, Krankheit macht arm. Infolgedessen entstehen dem Staat hohe Kranken- und später auch Pflegekosten. Die Fehler der Vergangenheit rächen sich.

Gerechtes Wirtschaften.
Viel kluge Köpfe haben sich schon Gedanken über ein gerechteres Wirtschaftssystem gemacht. Aufzeichnungen gibt es seit wohl 500 Jahren. Wie könnte ein neues Wirtschaftssys-tem kreiert werden? Wie könnte es umgesetzt werden? Wie finanziert? Spannende Fragen füllten den Raum.  Was wären die Rahmenbedingungen? Was die evtl. Fallen? Schon seit einigen Jahren kursiert die Idee des BGE in Österreich. Von manchen belächelt  – oder als nicht umsetzbar abgetan – flackert das Thema trotz aller Zweifel immer wieder auf. Pilotprojekte gab es mittlerweile in zahlreichen Ländern innerhalb- und außerhalb der EU. Finnland Deutschland, Kanada, Niederlande, Indien, um nur einige zu nennen. Die Schweiz veranstaltete als erstes Land eine Volksabstimmung.

Einen Paradigmenwechsel
fordert die Corona Pandemie auf vielen Gebieten ein. Keine Krise hat bisher die Ungleichheiten zwischen Arm und Reich so deutlich hervortreten lassen. Wie fragil und brüchig das westliche Wirtschaftssystem ist, zeigte uns ein kleines Virus. Ein paar Monate Stillstand des Wirtschaftsrades reichen aus, um Existenzen zu gefährden, Arbeitslosigkeit zu fördern, Bildungssysteme ins Wanken zu bringen, seelische Folgen miteingeschlossen. Die Wirtschaft lag lahm wie in einem defekten Schweizer Uhrwerk. Das darauffolgende Kurz-Arbeit-Modell war/ist schon eine Anlehnung an das BGE. Was wären die Vorteile: Ehrenamtliche Tätigkeiten werden attraktiver, da Teilzeitstellen aufgewogen und kompensiert werden. Mehr Zeit für die Kindererziehung, die Betreuung und Pflege älterer Angehöriger, weniger Druck bei der Arbeitssuche. Sich mehr Zeit lassen für entscheidende Fragen wie: Was kann ich gut? Wo sind meine Stärken? Wie will ich Familie leben? Was muss ich ändern, um dahin zu gelangen? Fragen, die auf jeden Menschen im Laufe des Lebens zukommen. Allgemein würde der Stresslevel in der Gesellschaft sinken, sind sich Sozialwissenschaftler einig. Es entspricht eben nicht der Natur des Menschen, wie eine „Maschine“ zu funktionieren. Viel Arbeit liegt vor uns: Die Finanzierbarkeit ist die größte Herausforderung, doch wo ein Wille ist, ist ein Weg. Ein spannender und interessanter Abend war es allemal. Pioniere mit neuen Ideen werden anfangs immer belächelt, doch die Zeit schreibt oft eine andere Geschichte. Hinweis: Florian Razocha dreht über die Roadshow einen Dokumentarfilm mit imposanten Naturaufnahmen und interessanten Plätzen Österreichs – er sollte im Kino ausgestrahlt werden.

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