Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Feuer und Flamme für einen alten Brauch

Nach einjähriger Zwangspause wurde heuer in Musau wieder der „Funkensonntag“ gebührlich gefeiert.

Am Abend des ersten Fastensonntags wird in Musau das endgültige Ende des Faschings mit dem alten Brauch des „Scheibenschlagens“ und des „Hex’-verbrennens“ begangen. Abseits von jeder Touristenfolklore zieht er Jahr für Jahr die gesamte Dorfbevölkerung an und gehört zu einem der Höhepunkte des Gemeindelebens.
7. März 2022 | von Michaela Färber
Feuer und Flamme für einen alten Brauch
Nächtlicher Funkenregen kündigt den Frühling an. Foto: Färber
Von Michaela Färber.
Uralter germanischer Brauch.
Der „Funkensonntag“ wird auch andernorts gefeiert. Vom Südtiroler Vinschgau aus über das Tiroler Oberland, das Außerfern, Vorarlberg, das Bündner Oberland bis in den schwäbisch-alemannischen Raum sind ähnliche Traditionen üblich. Es handelt sich dabei um sogenannte „Feuerbräuche“, die uralte germanische Wurzeln haben. 1090 wurde davon erstmals urkundlich berichtet, weil damals dadurch ein Nebengebäude der Benediktinerabtei Lorch in Brand geraten war. Doch zurück in die Gegenwart…

Vorbereitung ist alles.
Die ersten Arbeiten für den „Funkensonntag“ beginnen im Wald. Hier gilt es, lange, frische (also elastische) und möglichst gerade Haselnussstecken zu schneiden. Sie dienen dann dazu, am Abend die glühenden „Scheiben“ – quadratische Buchenholzscheiben mit abgeschrägten Kanten und einem Loch für den Stecken in der Mitte – in die Nacht zu schleudern. Da es aber mittlerweile gar nicht mehr so leicht ist, Tischler zu finden, die diese herstellen, empfiehlt es sich, sich für die nächsten Jahre mit genügend „Munition“ einzudecken.
Am Nachmittag des „Funkensonntags“ sind die schulpflichtigen Musauer Burschen und freiwillige Helfer stundenlang damit beschäftigt, in Ober- und Untermusau die Lagerfeuer und Abschussrampen für das „Scheibenschlagen“ zu errichten. Ja, und dann kommt die „Hex’“ dran: Eine riesige Frauengestalt (ca. 8 m hoch) wird aufgebaut. Holzreisig, Stroh und alte Christbäume verschwinden unter ihrem gigantischen Rock. Ihre aufrechte Haltung verdankt sie einem Holzgerüst. Das wichtigste Requisit ist allerdings ein Kranz Würste. Nach vielen Stunden Arbeit ist es dann geschafft:  Die „Hex’“ steht. Und bald wird es schon dunkel.

Funkenregen im Dunklen.
Nun werden die Lagerfeuer angezündet und die ersten Mu-sauer erscheinen mit ihren langen Stecken und „Scheibenkränzen“. Es herrscht eifriges Anglühen, aber auch geselliges „Vorglühen“ an der kleinen Bude, man feiert diesen Abend eben gemeinsam im Dorf. Das Scheibenschlagen selbst ist gar nicht so einfach. Man nimmt gezielt Schwung und lässt die Scheibe mit einem Eck so auf dem schrägen Schanzbrett streifen, dass sie weit hinaus katapultiert wird. Manche Könner schaffen gigantische Strecken. Irgendwann, wenn es so richtig schön dunkel ist und hoch hergeht, wird die „Hex’“ angezündet. Normalerweise brennt sie schnell lichterloh. Nun stellen sich die Musauer Kinder vor sie und schreien unermüdlich im Chor:
„Efagsur, d’Hex håt Durscht,
sie will a lange, lange Wurscht.“

Es ist laut, es knistert, flackert und Funken fliegen in den Nachthimmel. Man kann sich dieser eigentümlichen Stimmung schwer entziehen. Nach einer gewissen Zeit – die Kinder schreien unentwegt weiter, bis die Würste hinuntergefallen sind – ist die „Hex’“ abgebrannt. Nun wird es noch einmal spannend: Nach altem Glauben drohen nämlich von der Seite, auf die sie fällt, im kommenden Jahr Unwetter. Ob das schon jemals genauer überprüft wurde? Der Abend endet übrigens daheim im Familienkreis, wo die allerletzten Faschingskrapfen dieses Jahres verzehrt werden. Am Tag darauf sammeln die Kinder die noch brauchbaren, abgeschossenen „Scheiben“ zusammen: Modernes „Recycling“ im Sinne einer uralten Tradition.

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