Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Für und wider die „Tunnelkette“

Befürworter und Gegner der Röhren durch Tschirgant und Fernpass bleiben uneins

Das Votum der ASFINAG in einem Statusbericht (also nicht in einer Endfassung der Stellungnahme) gegen den Bau eines Tschirganttunnels lässt die Wogen in der Tiroler Politik hochschlagen. Während die einen vor Empörung schäumen, sehen sich die anderen bestätigt.
26. April 2021 | von Jürgen Gerrmann
Für und wider die „Tunnelkette“
Umfangreiche Verkehrsbefragungen gab es im Sommer 2019 und im Februar 2020 entlang der Fernpassroute. Über die Interpretation der Ergebnisse ist nun eine große Diskussion entbrannt. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Auf Facebook verwies zum Beispiel Landeshauptmann Günter Platter darauf, dass der Verkehr im Außerfern in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent zu genommen habe – und der Tschirganttunnel sowohl mit dem Verkehrsministerium als auch mit der Asfinag „vereinbart“ worden sei: „Ich erwarte mir daher, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Insbesondere wenn man bedenkt, wie viele zig Millionen an Mauteinnahmen Jahr für Jahr aus Tirol nach Wien fließen.“ Es komme einer Realitätsverweigerung gleich, „wenn man glaubt, dass es keine nachhaltige Verkehrslösung für das Außerfern und das Mieminger Plateau braucht“, sagt Platter, der zur Lösung der Verkehrsprobleme ja auf eine „Tunnelkette“ auch durch den Fernpass setzt.

ÖVP UND WIRTSCHAFTSKAMMER DAFÜR.
Auch die Oberländer Nationalratsabgeordnete Liesi Pfurtscheller (ÖVP) will die Asfinag in die Pflicht nehmen – und findet harte Worte in Richtung der Infrastrukturgesellschaft, deren Eigentümer die Republik Österreich ist und der sie „Realitätsverweigerung“ vorwirft: „Wer nur einen Funken Ahnung von der Verkehrssituation in Tirol hat, kann sich einer raschen Verkehrslösung im Tiroler Oberland nicht verschließen“, lässt sie in einer Pressemitteilung verlauten. Sich den Verkehr einfach wegzuwünschen und die Augen vor der Realität zu verschließen – das werde nicht funktionieren. Österreichs Verkehrspolitik müsse die großen Herausforderungen angehen: „Dazu zählt auch die Straße als unverzichtbarer Bestandteil der Mobilität.“
Das sieht auch Christian Strigl, der Obmann der Bezirksstelle Reutte der Wirtschaftskammer Tirol (WKO), so: Zwar kenne er zurzeit noch keine Details über die Gründe der Zurückreihung des Tschirganttunnels auf der Prioritätenliste der Asfinag. Dazu werde es diese Woche ein Gespräch beim Präsidium der WKO in Innsbruck geben, in dessen Rahmen die Studie vorgestellt werde. Aber gleichwohl sei er nach wie vor der Meinung, dass dieses Projekt nicht nur fürs Außerfern, sondern wegen der dann direkten Verbindung von Nassereith ins Inntal auch für den Bezirk Imst wichtig sei: „Unser Standpunkt bleibt gleich – wir brauchen diese Tunnel.“ Hier handle es sich immerhin um ein Versprechen, das von mehreren Verkehrsministern unterschiedlicher Couleur abgegeben worden sei: „Und ich gehe davon aus, dass Versprechen auch eingehalten werden.“   

NOCH MEHR VERKEHR DURCH TUNNEL?
Zu den Skeptikern auf der politischen Ebene zählt derweil der aus Schwaz stammende grüne Nationalratsabgeordnete Hermann Weratschnig, der auch dem Verkehrsausschuss des Parlaments in Wien angehört. Wie Liesi Pfurtscheller übrigens. Aber im Gegensatz zu der befindet er: „Die Tschirgant-Varianten bringen dem Außerfern keine Entlastung.“ Es stehe für die Asfinag fest, dass sich an der Stauproblematik am Fernpass und „vor allem rund um Reutte“ durch den Tunnel gar nichts ändere: Gleichzeitig bestehe die berechtigte Sorge, mit einer Kapazitätserweiterung durch eine der Tunnel-Varianten sogar noch mehr Verkehr anzuziehen. Das zeigten auch die Prognosen der Experten: „Das Nadelöhr Außerfern für die deutsche A7 zu öffnen, kann und darf nicht Ziel der Tiroler Verkehrspolitik sein.“ Die müsse vielmehr konsequent auf eine nachhaltige Fernpass-Strategie und den Ausbau von Bus und Bahn setzen.
Das sieht auch der Reuttener Bundesrat Stefan Zaggl so: „Ein inszeniertes Tunnel-Drama bringt uns nicht weiter“, lautet die Position des Sozialdemokraten. Den „Aufschrei“ der Volkspartei (und namentlich Platters und Pfurtschellers) nach dem Asfinag-Zwischenvotum hält er für „lächerlich bis beschämend“: Im Außerfern sei man weiter denn je von einer Lösung der Verkehrsprobleme entfernt. Auch, weil die Verantwortlichen in Tirol immer wieder auf das falsche Pferd setzten und deswegen die Interessen des Landes nicht zum Tragen bringen könnten. Jetzt dem Bund und der Asfinag„ die Schuld in die Schuhe zu schieben“ sei ein „durchsichtiges Spiel“. Die einzig tragfähige Lösung sei für die SPÖ ein Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene durch  einen Bahntunnel von Ehrwald ins Inntal.

HAIMINGER SORGEN BLEIBEN.
Hubert Wammes, Obstbauer und Anti-Tunnelkämpfer aus Haiming, will sich ob der Asfinag-Expertise nicht zu früh freuen: „Vor der nächsten Wahl wird das sicher wieder hochkochen.“ Am Widerstand in seiner Heimatgemeinde habe sich nichts geändert. Positiv sei, dass auch die Asfinag zu einem negativen Urteil gekommen sei: „Die haben dringendere Dinge zu tun – wie zum Beispiel die Lueg-Brücke. Und es ist jetzt ja auch nicht die Zeit, Dinge anzugehen, die eine solch schlechte Beurteilung erhalten haben.“ Aus seiner Sicht werde der Tunnel nur noch mehr Verkehr anlocken – und zwar sowohl Urlauber als auch Schwertransporte. Eine Dosierampel sei nach wie vor das Beste. Und mit dem Wasser im Tschirgant werde man niemals innerhalb des jetzt kolportierten Kostenrahmens von 275 Millionen zurande kommen: „Aber das Geld spielt ja heute anscheinend sowieso keine Rolle mehr.“

TRANSITFORUM SIEHT SICH BESTÄTIGT.
Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforums Austria-Tirol, und Albert Linser von der Initiative „Xund’s Leben an der B179“ lehnen es im Grunde ab, sich an den „neu aufgeflammten Tunneldiskussionen“ zu beteiligen: „Wir sind nicht dazu da, den Menschen uralten Tunnelsand in die Augen zu streuen.“ Wer rasche „Entlastungen“ fordere, brauche nur die bekannten Forderungen des Transitforums an das Land Tirol sowie die BHs Reutte und Imst zu unterstützen, statt weiter von Tunnelbauten zu schwadronieren. Dazu zählten: „Das bestehende Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen gehört streng neu gefasst, täglich unangemeldet nach den Vorschriften  der Straßenverkehrsordnung, dem Kraftfahrgesetz und den Lenk- und Ruhezeiten scharf kontrolliert und gestraft – dabei auch nicht das ,Kleinlasterunwesen' übersehen.“ Die Dosiersysteme gehörten in Zusammenarbeit mit den bayerischen Behörden, der Seilbahnwirtschaft, den Tourismusverbänden und der Tourismuswirtschaft in den Seitentälern des Inn ausgebaut. Die „aufgewärmte Tunnelkette“ führe zu nichts anderem als zur weiteren Anlockung von Verkehr, der mit der Region „wenig bis gar nichts“ zu tun habe, und zu einer Ermutigung der Verursacher der Misere im eigenen Land, keine Kreativität walten zu lassen, sondern einfach weiterzuwursteln wie bisher. Sie sei auch ein Signal „außeralpinen Pkw-Transit-Verursacher“, sich keine Gedanken zu machen, wie man „staufrei und xund“ respektive ohne Auto zum Urlaubsort kommen könne. Und vor allem auch ein Zeichen an die „internationale Frächterlobby“, die Fernpassstrecke weiter zu überlasten und von einer auch offiziellen Alpentransversale Ulm-Mailand zu träumen: „Und es wäre auch ein fatales Signal an die außeralpinen Straßenbauer, nur fest weiter an die Tiroler Grenze zu bauen – denn die Tiroler bauen dann in ihrer Hilflosigkeit eh noch ein paar Tunnel.“ Tunnels aber schützten nur den Verkehr und nicht die geplagten privaten und betrieblichen Anrainer.

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