Von Christine Schneider.
Seit 1921 ist der Alpensteinbock in den italienischen Alpen erfolgreich angesiedelt worden, nachdem er wie bei uns ausgerottet worden war. Hier in Tirol haben aufgeschlossene Jagdpächter und Pioniere erst 1953 begonnen, das stolze Tier wieder heimisch zu machen. Bei unserer Wanderung können wir sie immer wieder ganz von der Nähe beobachten, sogar morgens bei Sonnenaufgang nahe den Alpenvereinshütten. Auf einem Schotterfeld über 2600 Metern habe ich elf potente Steinbockmänner mit mächtigen Hörnern ganz von der Nähe beobachten können. Sie ließen sich nicht stören und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen.
ERFOLGREICHE WIEDERANSIEDLUNG.
Manchmal sieht man auch Steinadler und den Bartgeier, der seit 1913 im gesamten Alpen als ausgestorben galt. Seit 1993 ist er in den italienischen Alpen wieder zu Hause. Auch bei uns in Bayern und Tirol haben sich die Naturparke erfolgreich für seine Wiederansiedlung eingesetzt. Inzwischen leben in den Alpen wieder rund 300 dieser Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu drei Metern. Noch ein besonderes Tier ist seit Anfang der 1990er Jahre wieder in den Westalpen zu Hause oder auf Wanderschaft: Es ist der Wolf. Immer wieder begegnen wir auf unserer Wanderung Schafherden, die von den berühmten Maremmano Abruzzese-Schutzhunden bewacht werden. Diese weißen, kuschelig aussehenden Vierbeiner leben mit den Schafen. Die großen Hunde flößen auch uns und unserem Hund genügend Respekt ein. Sehr unwahrscheinlich ist es jedoch, dass wir den sehr scheuen Wolf einmal zu Gesicht bekommen, obwohl wir seit vielen Jahren im Piemont wandern. In dem sehenswerten Wolfinformationszentrum weiter südlich in Entracque erfährt man viel über die Bedeutung des Wolfes. Er ist wichtig für das ökologische Gleichgewicht. Toll sind auch die Geschichten über den Wolf in Bildern und Filmen. So werden Wolfsschutzhunde und Wölfe in ein paar Jahren sicher auch in Tirol und im Außerfern zu unserem Lebensraum gehören.
Maremmanohunde beschützen ihre Schafe vor Wanderern und Wölfen.
KLIMAUNTERSCHIEDE.
Auf unserer Wanderung beobachten wir noch einige Unterschiede zu unserem nordalpinen Klima. Bei uns regnet es durchschnittlich 1400 Millimeter pro Jahr, hier nur etwas mehr als ein Drittel davon. Statt Kalk und Dolomit besteht das Gestein hier aus hartem Kristallin, zum größten Teil aus Gneis und Granit, was mir beim Barfußlaufen besonders angenehm auffällt. Die Steine sehen aus wie weiß überzuckert. An den Hängen wächst die für kristallines Gestein typische rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum). Die Blattunterseite ist rostrot gefärbt, während die bei uns im Außerfern vorkommende Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) Kalkstein bevorzugt. Einmal wanderten wir auch durch einen wunderschönen alten Zirbenwald, der ebenfalls auf kristallinem Gestein wächst. Am Hahntennjoch finden sich hingegen nur vergleichsweise kleine Bestände. Im Piemont treffen Gletscher mit mediterranen Klimafaktoren zusammen und bringen eine außerordentlich reiche Flora hervor. Während der Eiszeit, die vor 10000 Jahren zu Ende ging, konnten sich die wärmeliebenden Blütenpflanzen in südlichere Regionen zurückziehen, während viele Pflanzen in den Nordalpen ausstarben. Dieses Nord-Süd-Gefälle ist bis heute sichtbar, zum Beispiel an Steinbrecharten mit imposanten rosaroten Blüten. Viele Blütenpflanzen sehen unseren ganz ähnlich, sind aber viel größer oder anders gefärbt. Doch wie bei uns treffen wir immer wieder auf Edelweiß. Bei uns sind sie selten, doch hier begleiten sie uns überall auf den weiten Hochebenen.
Immer wieder kleine Biotope auf den Felsbrocken mit Hauswurz und Co.