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Gemeinderat besiegelt Ende von Bgm. Christian Müller

Vorgezogene Neuwahlen in Wängle sind sehr wahrscheinlich

Das angeknackste Vertrauen zwischen dem Wängler Gemeinderat und Bürgermeister Christian Müller erreicht einen neuen dramatischen Höhepunkt. Neueste Enthüllungen um privates Interesse des Bürgermeisters an Wängler Baugründen gehen dem Gemeinderat nun doch endgültig zu weit.
4. Oktober 2021 | von Johannes Pirchner
Gemeinderat besiegelt Ende von Bgm. Christian Müller
In Wängle steht die Auflösung des Gemeinderats bevor. Der bestehende Gemeinderat stellte dafür einstimmig den Antrag auf Einberufung einer Gemeinderatssitzung.
Von Johannes Pirchner.
Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs steht im Raum. Es gilt die Unschuldsvermutung. Einen Misstrauensantrag gegen den Bürgermeister sprach der Gemeinderat schon im April aus (die RUNDSCHAU berichtete). Diesen tat Müller bei der Gemeinderatssitzung mit dem Zitat „Ja, passt – nächs-ter Punkt“ ab. Nun leitete der Wängler Gemeinderat den nächsten Akt ein und unterfertigte die Einberufung einer Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt „Auflösung des Gemeinderats“. Denn ohne einen Gemeinderat würde der Bürgermeister sein Amt verlieren und es käme in Wängle automatisch zu Neuwahlen. Aber, wie geht es dann mit Wängle weiter? Fragen, die ein Dorf bewegen:

Hätte es Alternativen zu den Neuwahlen gegeben?
Von der Feuerwehrhalle mit Aufenthaltsraum bis zum Rechnungsabschluss, vom Entzug der Substanzagenden bis hin zur Protokollführung – die Liste an Diskrepanzen zwischen Gemeinderat und Bürgermeister ist in Wängle lang. Für seine Amtsführung bekam der Bürgermeister, wie erwähnt,  bereits einen Misstrauensantrag durch den Gemeinderat verabreicht. Nun kommen noch Enthüllungen über Vorteilsnahme des Bürgermeisters bei Baugründen hinzu. Der Wängler Gemeinderat stellte dem Bürgermeis-ter ein Ultimatum: Er solle von sich aus zurücktreten. Dieses Ultimatum ließ der Bürgermeister verstreichen. Wäre Bgm. Müller zurückgetreten, hätte der Wängler Gemeinderat aus seinen Reihen einen neuen Bürgermeister, der die Amtsgeschäfte bis zur Gemeinderatswahl im Februar 2022 ausführt, wählen müssen. Ein Vorgang ähnlich dem in Reutte beim Bürgermeisterwechsel von Luis Oberer zu Günter Salchner. Nach dem Rücktritt des Bürgermeisters und bis zur Wahl eines neuen Bürgermeisters aus dem Gemeinderat hätte der Vizebürgermeister die Amtsgeschäfte übernommen. Aussichtsreiche Übergangskandidaten wären Vizebgm. Peter Schautzgy, GV Paul Barbist, GV Klaus Lochbihler oder GR Renate Thurner gewesen. Da sich Christian Müller jedoch mit aller Deutlichkeit weigerte zurückzutreten, ist diese Variante vom Tisch. In Wängle ist derweil eine Pattsituation eingetreten: Auf der einen Seite der Bürgermeister, der kein Vertrauen des Gemeinderats mehr genießt und – zu den bestehenden Diskrepanzen – nun auch noch mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs konfrontiert ist.  Auf der anderen Seite der gesamte Gemeinderat, für den die Amtsführung durch Bgm. Christian Müller nicht mehr tragbar ist. Die wenigen Möglichkeiten laut Tiroler Gemeindeordnung, wann eine Amtszeit eines Bürgermeisters endet, sind: Erstens bei Ablauf der Periode ohne eine Wiederwahl, dies wäre dann regulär im Februar 2022 bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl in Tirol. Diese Variante ist für den Gemeinderat nicht mehr tragbar. Die zweite Möglichkeit ist  ein Rücktritt seitens des Bürgermeis-ters, wie dies Luis Oberer in Reutte getan hat. Dies kam jedoch für Chris-tian Müller nicht in Frage. So geht der Gemeinderat in Wängle den einzigen möglichen Weg. Er beschließt seine Selbstauflösung. Doch: Ohne Gemeinderat kein Bürgermeister.

Warum ist der Bürgermeister, dem  bereits im April das Misstrauen durch den Gemeinderat ausgesprochen worden war, noch im Amt?
Im Nationalrat oder im Tiroler Landtag kann dem Bundeskanzler oder dem Landeshauptmann das Misstrauen ausgesprochen werden. Damit enden deren Amtszeiten automatisch. Ähnlich in der jüngsten Zeitgeschichte 2019, als die schwarz-blaue Koalition wegen des Ibiza-Skandals zerbrach. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte im Nationalrat keine Mehrheit mehr und wurde via Misstrauensantrag von SPÖ, FPÖ und der Liste Pilz abgesetzt. Auf der Tiroler Gemeindeebene ist allerdings kein Misstrauensantrag gegen einen Bürgermeister vorgesehen. In einigen anderen Bundesländern, wie in Wien oder dem Burgenland, kann ein Bürgermeister durch einen Misstrauensantrag seines Amtes enthoben  werden. Der Misstrauensantrag in Wängle im April hatte einen starken symbolischen Charakter. In den vergangenen Monaten erhöhte sich der Druck auf den Bürgermeister ständig und der Misstrauensantrag wird auch als Weckruf an die Wängler Bevölkerung verstanden.

Wann und wie wird sich der Wängler Gemeinderat auflösen?
Die drei im Wängler Gemeinderat vertreten Listen: die AWG (Allgemeine Wängler Gemeindeliste), die AKW  (Aktive Bürgervertretung Wängle) und die Neue Wängler Bürgerliste haben gemeinsam einstimmig einen Antrag zur Einberufung einer Gemeinderatssitzung unterfertigt. Die Tiroler Gemeindeverordnung sieht vor, dass der amtierende Bürgermeis-ter nach Eingang des Antrags innerhalb von zwei Wochen eine Gemeinderatssitzung einberuft. Die Sitzung in Wängle müsste also spätestens am 13. Oktober stattfinden. Auf der Tagesordnung würde nur ein Punkt stehen: Die Auflösung des Gemeinderats. Wenn dies geschieht,  verliert auch der Bürgermeister sein Amt. Laut Gemeindeverordnung erlöschen in Wängle auch die Mandate des Vizebürgermeisters, der Gemeindevorstände und der Gemeinderäte. Eine Stellungnahme der Wängler Listenführer auf der nächsten Gemeinderatssitzung wird jedenfalls mit Spannung erwartet.

Wie geht es nach der Auflösung des Gemenderates weiter?
Es wären die Tiroler Landesregierung und die Bezirkshauptmannschaft Reutte am Zug. Die Tiroler Landesregierung würde einen Beamten als Amtsverwalter für Wängle bestellen, der die unaufschiebbarsten Amtshandlungen in der Gemeinde regelt. So wären beispielsweise Umwidmungen oder Grundstücksverkäufe bis zur nächs-ten Wahl nicht möglich. Parallel dazu würde die Bezirkshauptmannschaft Reutte zügige Neuwahlen in Wängle ausschreiben. Dem neuen Amtsverwalter wird ein von der Tiroler Landesregierung bestellter Beirat zur Seite gestellt. Die ehemaligen Gemeindevorstände besitzen ein Vorschlagsrecht für die Beiräte. Dieser Beirat könnte also sehr ähnlich besetzt sein wie der alte Wängler Gemeinderat, der hat allerdings kein Stimmrecht mehr. Diesem Beirat muss der ehemalige Bürgermeister, sprich Christian Müller, angehören. Die Sorge, dass Wängle ohne Bürgermeister und Gemeinderat unter den Nachbargemeinden Lechaschau und Höfen aufgeteilt würde, besteht also nicht.

Wann wären mögliche Neuwahlen?
Regulär wird in den Tiroler Gemeinden am 27. Februar 2022 gewählt. Sollte sich der Wängler Gemeinderat – wie erwartet – in den nächsten Wochen auflösen, würde die Bezirkshauptmannschaft Neuwahlen zügig ausschreiben. Eine Frist von 70 Tagen wäre abzuwarten. Als frühestmögliche Wahltermine kämen demnach das Weihnachtswochenende oder das Silvesterwochenende in Frage – beides gilt als unwahrscheinlich. Als wahrscheinliche Wahltermine kämen der 9. oder der 16. Jänner 2022 in Frage.

Welche Bürgermeister-Kandidaten gibt es für die Neuwahl?
Außer Noch- bzw. „Alt-Bürgermeister“ Christian Müller hat sich noch niemand offen für eine Kandidatur ausgesprochen. Die Wängler Dorflisten halten sich in dieser Frage bedeckt. Es wird erwartet, dass sich Kandidaten in den nächsten Wochen positionieren. Mögliche Interessenten sind vielleicht im Wängler Gemeinderat zu suchen.

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