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Gewalt kann verlernt werden

„Mannsbilder“-Männerberatungsstelle öffnete ihre Pforten in Reutte. Wichtiger Lückenschluss zur Gewaltprävention

Der Gewaltschutzplan Tirol umfasst die landesweiten Strukturen der Gewaltprävention und des Opferschutzes im sozialen Nahraum. Er gibt einen Überblick über die Gewalt- und Opferschutzeinrichtungen und Anlaufstellen, die sich mit Gewaltprävention beschäftigen. Im Bezirk Reutte wurde jetzt eine große Lücke in Sachen Gewaltprävention und -schutz geschlossen.
27. Oktober 2020 | von von Sabine Schretter
Gewalt kann verlernt werden
René Huber, Franz Peter Witting und Andreas Reisigl (sitzend v.l.) sind die Männerberater im Bezirk Reutte. Sie freuen sich mit Martin Christandl, Vize-Bgm. Günter Salchner, LR Gabriele Fischer und Klaus Edlinger (stehend v.l.), dass mit der Einrichtung der Beratungsstelle „Mannsbilder“ ein wichtiger Lückenschluss im soziale Leitbild des Bezirks Reutte gelungen ist. RS-Foto: Schretter
von Sabine Schretter

Am Mittwoch, dem 21. Oktober, wurde die „Mannsbilder Männerberatung“ im Beisein von LR Gabriele Fischer offiziell eröffnet. Seit letztem Donnerstag bieten Franz Peter Witting, Andreas Reisigl und René Huber einmal pro Woche Beratungen an. Auch der Obmann des Vereins „Mannsbilder“, Klaus Edlinger, und Vorstandsmitglied Martin Christandl scheuten den Weg über den Fernpass nicht und waren bei der Eröffnung anwesend.

HINSCHAUEN. LR Fischer betonte, dass Gewaltschutz ein zentrales gesellschaftliches Thema ist und unterschiedliche Maßnahmen hier Struktur schaffen müssen. Wer helfen will, muss hinschauen. Wer sich helfen lassen will, braucht eine Anlaufstelle. Die Installierung einer Männerberatungsstelle im Bezirk Reutte trägt wesentlich dazu bei, dass in ganz Tirol für jeden innerhalb einer Stunde eine Einrichtung zur Gewaltberatung erreichbar ist. Bewusstseinsbildung ist essentiell, Gewalt muss enttabuisiert werden. „Meist sind Frauen und Kinder von Gewalt betroffen. Die Täter sind aber in den meisten Fällen männlich. Daher sind Beratungsstellen für Männer ebenso wichtig. Es wird bereits viel getan, aber es besteht noch Luft nach oben. Ein sehr positiver Aspekt ist, dass es einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt gibt“, so Gabriele Fischer. Frauen bringen heutzutage viel mehr Mut auf, „stopp“ zu sagen. Häufig sind sie es, die Männer dazu bringen, zu einer Gewaltberatungsstelle zu gehen. „Männliches Prahlen mit Gewalt geht heute nicht mehr“, sagt „Mannsbilder“-Obmann Klaus Edlinger und führt weiter aus: „Männer trauen sich heute zu sagen, dass sie gefährdet sind, gewalttätig zu werden und suchen Hilfe.

ANGEBOT. Martin Christandl, Vorstandsmitglied im Verein „Mannsbilder“ erklärt, dass Frauen vor 25 Jahren den Impuls gaben, in Tirol eine Männerberatungsstelle einzurichten. „Mannsbilder“ ist ein unabhängiger Verein, der an keine politische Partei, keine Ideologie und keine Religion gebunden ist. „Mannsbilder“ berät Männer und männliche Jugendliche ab zwölf Jahren, die bereit sind, an ihrer Gewaltbereitschaft zu arbeiten. „Mannsbilder“ berät auch Familien, mit dem Schwerpunkt, Männern zu helfen, ihre Gewattätigkeit zu stoppen. „Mannsbilder“ ist keine Beratungsstelle für Täter. Diese Aufgabe übernimmt in Tirol der Verein „Neustart“, der ausschließlich von der Justiz zugewiesene Klienten betreut. „Mannsbilder“ ist auch Ansprechstelle für Männer, die ihrer Verantwortung als Väter nachkommen und ihre Vaterschaft zum Wohle der Kinder leben wollen. Tirol ist das Bundesland, das sehr viele Selbstmelder hat. Das zeigt sich auch im Bezirk Reutte, wo bereits am Tag nach der Eröffnung – am ersten Beratungsdonnerstag – alle Termine ausgebucht waren. Es gibt keine Anlaufschwierigkeiten im Außerfern. „Mannsbilder“-Klienten kommen aus allen Altersgruppen – bis zum Alter von etwa 30 Jahren geht es vor allem um außerhäusliche Gewalt. Männer ab ca. 40 Jahren richten ihre Gewalt meist gegen die Partnerin. „Die meisten Betroffenen  wollen etwas ändern, sind hungrig nach Entwicklung. Man kann es so formulieren, dass zu uns die Elite der Tiroler Männer kommt. Denn die, die nicht kommen, schlagen weiter zu“, drückt Klaus Edlinger die Bereitschaft nach Veränderung aus.

DICKE BRETTER GEBOHRT. Reuttes Vize-Bgm. Günter Salchner sieht mit der Eröffnung der Männerberatungsstelle in Reutte zwei Außerferner Weisheiten bestätigt: Zum einen müssten dicke Bretter gebohrt werden, wenn man im Bezirk Reutte eine Beratungsstelle möchte. Zum anderen führt es zum Erfolg, wenn alle an einem Strang ziehen. Beides sei gelungen, die „Mannsbilder“ haben ihre Räumlichkeiten im „Haus der Vereine“ – auch dank der Unterstützung durch die Marktgemeinde Reutte, die die Hälfte der Miete bezahlt sowie des Lions Clubs – bezogen. Drei Berater – Franz Peter Witting, Andreas Reisigl und René Huber – nahmen am Donnerstag, dem 22. Oktober, ihre Tätigkeit bei der Männerberatungsstelle auf. „Die Beratungsarbeit kostet viel Kraft, macht aber auch viel Freude. Wir sind sehr froh, dass wir drei gestandene Außerferner Männer gefunden haben, die jetzt pro Woche neun Beratungen durchführen werden“, schließt Klaus Edlinger ab.
Das Beratungsangebot für Frauen, Männer und Familien im Bezirk Reutte umfasst zusätzlich die Frauenservice- und Familien­beratungsstelle „BASIS“, ebenfalls im Haus der Vereine angesiedelt,  und das Kinderschutzzentrum in Pflach, das im Innovationszentrum, Kohlplatz 7 in Pflach untergebracht ist.

KONTAKT UND INFO. Die Männerberatung „Mannsbilder“ Reutte/Außerfern befindet sich im „Haus der Vereine“, Planseestraße 6 (2. Stock) in Reutte. Die Öffnungszeiten sind jeden Donnerstag von 17 bis 20 Uhr und nach Vereinbarung. Informationen und Terminvereinbarungen unter Tel. +43 (0) 681 84 61 67 73 oder E-Mail: beratung.reutte@mannsbilder.at. Weitere Informationen auf der Homepage www.mannsbilder.at.

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