Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Hahntennjochstraße – Fluch oder Segen?

Neue Sonderausstellung „Übers Joch“ in der Wunderkammer in Elbigenalp

Am Freitag, dem 11. Juni 2021, veranstaltete die Wunderkammer einen Tag der offenen Tür zur neuen Sonderausstellung „Übers Joch“. Gemeinsam mit dem Museum im Ballhaus in Imst wird in Elbigenalp von Mitte Juni bis Ende Oktober 2021 im Rahmen des Euregio-Museumsjahres unter dem Motto „Transit – Transport – Mobilität“ von der Bergpassstrecke berichtet.
14. Juni 2021 | von Marlen Perl
Die neue Sonderausstellung „Übers Joch“ in der Wunderkammer in Elbigenalp mit vielen interessanten Beiträgen. RS-Foto: Perl
Von Marlen Perl.
Seit nun knapp sechs Jahren gewährt die Wunderkammer in Elbigenalp ihren Besuchern Einblicke in vergangene Tage. Dabei wird nicht nur das ländliche Leben vor mehreren hundert Jahren durch verschiedene Alltags- und Gebrauchsgegenstände sowie Kleidungsstücke dargestellt, es werden auch in jährlichen Sonderausstellungen verschiedene Persönlichkeiten oder Themen – oftmals in Abstimmung mit dem aktuellen Programm der Geierwally Freilichtbühne – in den Fokus gerückt. Heuer löste das Hahntennjoch, die Verbindung zwischen dem Lech- und Inntal, die zuvor thematisierte Anna Dengel ab. Die Wunderkammer versucht, in der neuen Sonderausstellung die Dichotomie der Sichtweise auf das Joch als Für und Wider aufzuzeigen, indem die einzelnen Schritte des aufwändigen Straßen- und Tunnelbaus der Strecke von Elmen bis Imst als Fortschritt dargestellt werden. Darüber hinaus findet die dort beheimatete vielseitige Tier- und Pflanzenwelt Erwähnung sowie der Weg der Sinne in Bschlabs mit den einzelnen, künstlerisch gestalteten Stationen. Im Kontrast dazu zeigt die Wunderkammer auch die Schattenseiten der Bergstraße als Rennstrecke auf und spiegelt somit den öffentlichen Diskurs, der speziell in den letzten Jahren durch die Interessengemeinschaft „Xund’s Lechtl“ aufkam, wider.

Die Entstehung der Hahntennjochstraße.
Die Entstehung der Straße liegt nun mehr als neunzig Jahre zurück und begann mit dem Bau des Güterwegs von Elmen nach Bschlabs, der noch realisiert werden konnte, bevor das Gesamtprojekt in den 1930er Jahren aufgrund der politischen Situationen kurzzeitig zum Erliegen kam. Nachdem die beiden Gemeinden Pfafflar und Gramais dem Bezirk Reutte (waren bis 1938 beim Bezirk Imst) zugeordnet wurden, erfolgte die Wiederaufnahme der Baupläne. Erst im Jahr 1958 erhielt das Straßenbauprojekt den Namen „Hahntennjochstraße“. Rund elf Jahre später, am 18. Oktober 1969, wurde die etwa vier Meter breite Schotterstraße durch den damaligen Landeshauptmann Eduard Wallnöfer eröffnet.

Das Hahntennjoch als Fluch.
In den letzten Jahren zog die Hahntennjochstraße die Aufmerksamkeit meist mit negativen Schlagzeilen auf sich. Unfälle, Motorradlärm sowie Ärgernisse bei so manchen Anrainern rückten die Bergstraße, speziell in den Sommermonaten, in den Mittelpunkt der Medien. Mittlerweile zieren zahlreiche Gebots- und Verbotsschilder den Straßenrand. So soll der Lärmpegel einerseits durch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h und andererseits mittels Verbots für Motorräder, die die Dezibel-Grenze von 95 überschreiten, minimiert werden. Die Interessengemeinschaft „Xund’s Lechtl“ versuchte im Jahr 2019 mit einer Protestaktion – durch eine sonntägliche Straßensperre von Elmen bis Imst – auf diese Situation aufmerksam zu machen.

Das Hahntennjoch als Segen.
In einer Vielzahl von Berichterstattungen über das Hahntennjoch fehlte bislang die Balance zwischen den Vor- und Nachteilen, die diese Verbindung vom Lech- zum Inntal mit sich bringt. Nach der Wintersperre fiebern im Frühjahr zahlreiche Einheimische (Pfafflarer und Lechtaler) sowie auch Gäste der Öffnung der Bergstraße entgegen, die vor allem an verkehrsreichen Wochenenden dazu dient, den stark frequentierten Fernpass zu umgehen. Auch bringt dieser Übergang eine enorme Zeitersparnis für Pendler, Schüler und Studenten aus dem Lechtal – beträgt der Weg mit dem dürftig ausgebauten, öffentlichen Verkehrsnetz ansonsten, zum Beispiel nach Innsbruck, oft mehr als drei Stunden.
Auch unsere Gegend, wie ganz Tirol, ist stark vom Fremdenverkehr abhängig, was die Frage aufwirft, ob eine Selektion der Gäste zielführend ist: Will man mehr Wander- oder Biker-Touristen? Wobei es auch hier bei Erstgenannten schwierig sein könnte, diese naturliebenden Besucher ohne Verkehr und Lärm ins Tal zu befördern.

Fazit.
Bei der Diskussion um die Hahntennjochstraße bleibt die Frage nach Fluch oder Segen offen. Bei jeder Gruppe der Verkehrsteilnehmer – seien es nun Motorradfahrer, Sportwagen- oder Oldtimerbesitzer – wird es auch in Zukunft Ausreißer geben, die die Natur und die Vielseitigkeit des Jochs nicht zu schätzen wissen und durch den erhöhten Lärmpegel für Ärgernis bei den Anrainern sorgen. Wenn jedoch so manche „schwarze Schafe“ für ein Verbot des gesamten Kollektivs sorgen, werden wir schon bald – wie auch bereits unsere Vorfahren – die Passstraße zu Fuß genießen dürfen.

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