Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Hilfe, wenn der Start ins Familienleben holprig ist

„GIL“ – Gesund ins Leben – unterstützt von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahres des Kindes

Kündigt sich ein Baby an, ist die Freude meist groß. Nach neun Monaten voller Erwartungen und wechselnder Gefühle wird der neue Erdenbürger begrüßt. Und manchmal ist dann alles ganz anders, nichts mehr so wie vorher und nicht so, wie man es sich in Gedanken ausgemalt hat.
13. Feber 2023 | von Sabine Schretter
Hilfe, wenn der Start ins Familienleben holprig ist
Birgit Ihrenberger, als Familienbegleiterin für den Bezirk Reutte zuständig, und „GIL – Gesund ins Leben“-Landesleiterin Sandra Aufhammer (v.l.) luden zur Auftaktveranstaltung ein.
Von Sabine Schretter.
Plötzlich Familie. Das Baby stellt das Leben auf den Kopf, die Gefühlstonleiter reicht von größtem Glück und schier unbeschreiblicher Freude bis hin zu ungeahnten Ängsten, Überforderung oder Verzweiflung. Nicht immer verläuft der Start ins junge Familienleben reibungslos. Finanzielle Sorgen, Überforderung, Depressionen oder Krankheiten, die  zur Lebensumstellung während der Schwangerschaft bzw. nach der Geburt dazukommen, können erdrückend sein. Hier setzt „GIL – Gesund ins Leben“ an und bietet unbürokratisch und niederschwellig kostenfreie  Unterstützung.

Gesund ins Leben.
Trägerverein des gesamttiroler Projekts „GIL – Gesund ins Leben“ ist das Rote Kreuz Tirol. „NextGenerationEU“ sichert dessen  Finanzierung. 2015 wurde mit einem Pilotprojekt in Innsbruck, Innsbruck-Land, Landeck und Osttirol gestartet. Seit Jänner 2023 gibt es das kostenlose Angebot flächendeckend in ganz Tirol. Die Zielgruppe wurde erweitert: Richtete sich das Angebot bisher an Familien mit Kindern bis zu einem Jahr, können es jetzt auch Schwangere und Familien, deren jüngstes Kind drei Jahre alt ist, in Anspruch nehmen. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir jetzt auch im Bezirk Reutte Familien unterstützen können“, erklärt Sandra Aufhammer, Landesleiterin von „Gesund ins Leben“ der RUNDSCHAU.
Ich traf mich mit Sandra Aufhammer, der für den Bezirk Reutte zuständigen Familienbegleiterin, Hebamme Birgit Ihrenberger und Birgit Oberhollenzer von Oberhollenzer Kommunikation zu einem Austausch. Vom Angebot des Netzwerks „GIL“ war ich gleich angetan. Meine Kinder sind längst erwachsen, aber an die völlig umgekrempelte Lebenssituation mit einem Neugeborenen kann ich mich noch gut erinnern. Gerade in dieser Phase fühlt man sich oft überfordert. Manche Fragen stellen sich schon in der Schwangerschaft – und man findet keine Antwort. Das Netzwerk „GIL – Gesund ins Leben“ schafft mit seinem  Pool an Fachkräften – Psychologen, Hebammen, Ärzten und Ärztinnen, Sozialarbeitern, Pädagogen und Pädagoginnen – Abhilfe und bietet Unterstützung. „Es ist ein Case-Management, also eine bedarfsgerechte Unterstützung. Damit bieten wir Familien Hilfe zur Selbsthilfe. Wir begleiten sie dahin, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen“, führt Familienbegleiterin Birgit Ihrenberger aus. Als selbstständige Hebamme und dreifache Mama kennt sie die Sorgen, Ängste und auch die Freuden junger Eltern. Birgit Ihrenberger betreut aktuell elf Famlien im gesamten Bezirk Reutte. Sie besucht die Familie zuhause und macht sich ein Bild von der jeweiligen Situation. Sollte sich eine psychische Belastungssituation zeigen, werden Psychotherapeuten hinzugezogen. „Hier im Außerfern sind es derzeit vier, mit denen wir zusammenarbeiten. Dieser Pool soll sich aber vergrößern. Es besteht schon ein gutes Netzwerk, aber ich bin aktiv daran, dieses weiter auszubauen und zu stärken“, erklärt Birgit Ihrenberger.

Angebot annehmen.
Die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen und Unterstützung anzunehmen, ist oft groß. „GIL“ setzt alles daran, diese zu minimieren. „Die Familien zu- hause zu besuchen, hilft hier sehr“, betont Birgit Ihrenberger. Es gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Über einen Clearing-Point, der tirolweit eingerichteten Telefonnummer: +43-664 6046630 480, können sich Familien melden. Sie werden dann an die zuständige Familienbegleiterin vermittelt. Bei einem Hausbesuch klärt sie ab, was die Familie braucht. Gemeinsam mit Kooperationspartnern wird dann ein Paket geschnürt und bedarfsgerecht unterstützt und begleitet. Kooperationspartner sind beispielsweise Kinderärzte und Hebammen, aber auch Institutionen wie die Gebietskrankenkasse, das Finanzamt oder die Arbeiterkammer. „Es gibt den Spruch, ,man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen‘. Je umfassender und stärker also ein Netzwerk ist, umso gezielter kann angesetzt werden, wo es am nötigsten ist. Umso besser können Familien begleitet werden“, erklärt Sandra Aufhammer dazu. Die Gründe, sich bei „GIL – Gesund ins Leben“ zu melden sind vielfältig. Partnerschaftsprobleme, Krankheit, Depression, finanzielle Sorgen oder soziale Isolation gehören ebenso dazu wie Ängste, Verunsicherung oder die Gefahr, als Eltern die Kontrolle zu verlieren. Auch Eltern von Schreibabys erhalten Hilfe bei „GIL“.
Neben der Eigeninitiative, sich über die Hotline zu melden, besteht auch die Möglichkeit einer Zuweisung. Diese erfolgt meist von Instutionen, Ärzten, Psychotherapeuten oder von Pädagogen. Auch bei der Zuweisung sind Einverständnis der betroffenen Familie und Freiwilligkeit Voraussetzung für eine Begleitung. Die Begleitung einer Familie dauert im Schnitt elf Monate. Jede Familie hat die Möglichkeit, eine Begleitung freiwillig und auf eigenen Wunsch zu beenden.

Auftakt.
„Als Familienbegleiterin gehöre ich zum Team Oberland. Mit meinen Kolleginnen treff ich mich wöchentlich zu Teamsitzungen. Wir tauschen uns aus, besprechen Fälle und nützen Synergien, um bestmöglich auf die Bedürfnisse der Familien einzugehen. Meine Tätigkeit als Familienbegleiterin lässt sich mit meinem Beruf als selbstständige Hebamme sehr gut kombinieren und mit meiner Familie vereinbaren“, lässt Birgit Ihrenberger die Freude spüren, die sie bei ihrer Arbeit für „Gesund ins Leben verspürt. Für sie, Sandra Aufhammer und Birgit Oberhollenzer ging es nach unserem Gespräch weiter zum Zwergerlfasching in die Hahnenkammhalle nach Höfen. „Für das Außerfern haben wir uns eine besondere Auftaktveranstaltung ausgedacht und laden Kinder und Eltern zu einem Faschingsnachmittag ein. In entspannter und heiterer Atmosphäre werden wir dort unser Projekt vorstellen“, verrät Birgit Ihrenberger. Ihre Begeisterung steckt an. Ich bin mir sicher, dass dies Familien den Schritt, sich in aufreibenden Situationen Hilfe zu holen, erleichtern wird.
Hilfe, wenn der Start ins Familienleben holprig ist
Der Verein Gesund ins Leben (GIL) unterstützt Familien, die Nachwuchs erwarten. Foto: Michaela Bruckmüller

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