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Im Vorfeld der Bürgermeister-Wahl

Keine Dorfkaiser, sondern kommunikative Teamplayer sind gefragt!

Gute zehn Monate vor der nächsten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl scheiden viele altgediente Außerferner Bürgermeister aus dem Amt. Die Anforderungen an das Bürgermeisteramt nahmen im Laufe der Zeit stetig zu. Worauf müssen sich Kandidaten einstellen, die dieses Amt anstreben?
17. Mai 2021 | von Johannes Pirchner
Im Vorfeld der Bürgermeister-Wahl
Was Bürgermeister von „Peppone“ lernen können: Humor hilft manchmal weiter. Foto: Wikipedia
Von Johannes Pirchner.
Die Zeiten, als der Bürgermeister ein Gemeinderepräsentant war, Bauverhandlungen absegnete und am Stammtisch über Politik philosophierte, sind längst vorbei. Mittlerweile ist Bürgermeistersein um etliche neue Aufgabenfelder aufwändiger geworden.

Der Aufgabenbereich.
Die meisten Bürgermeister des Außerferns üben das Amt nicht hauptberuflich aus. Doch in der Privatwirtschaft wird der Nebenberuf des Bürgermeisters nicht gern gesehen, da dies wesentliche Zeit bindet. Der Bürgermeister muss in seiner Gemeinde präsent sein. Das ist für eine typische Außerferner Gemeinde – mit einer Einwohnerzahl  zwischen 500 und 1.500 – mit einem  Arbeitsaufwand von 30 bis 40 Stunden wöchentlich umsetzbar, wenn man das Amt ehrlich, würdig und im Sinne der Gemeindebürger ausüben will. Zum Arbeitspensum eines Bürgermeisters zählen Mitarbeiterbesprechungen, Sitzungen mit dem Amtsleiter, Sprechstunden mit Gemeindebürgern. Aber auch die aktive Sitzungszeit im Gemeinderat, im Gemeindevorstand, im Bauausschuss, in den Verbänden, wie dem Abwasserverband oder dem Friedhofsverband, und natürlich auch die überörtliche Zusammenarbeit stehen zusätzlich im Fokus – gesellschaftliche Verpflichtungen (runde Geburtstage von Gemeindebürgern,  Jubiläen, kirchliche Feiern uvm.)noch nicht mit eingerechnet.

Die Kompetenz des Bürgermeisters.
Der Bürgermeister vertritt seine Gemeinde nach außen, ist stimmberechtigt im Gemeinderat, leitet die Gemeinderatssitzung und hat die Vorsitzführung im Gemeinderat- und Vorstand sowie die Obmannschaft in verschiedenen Verbänden. Eines der machtvollsten Befugnisse des Bürgermeisters sind Umwidmungen: Er kann mit Zustimmung des Gemeinderats über Flächenumwidmungen entscheiden. So können Grundstücke ihren Preis vervielfachen und – theoretisch – Gemeindebürger über Nacht zu Millionären gemacht werden. Es bedarf für solche Schritte der Zustimmung des Gemeinderates, doch kann der Bürgermeister aufgrund seiner Autorität bei Gutachten dominieren und Entscheidungen herbeiführen. In seiner Gemeinde kann er unter Einhaltung der Gesetze frei agieren. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die korrekte Ausübung des Bürgermeisteramtes ist die genaue Kenntnis der Rechtsgrundlagen – im Bauordnungsrecht, Raumordnungsrecht oder Flächenumwidmungssys-tem. Diese Rechtskenntnisse sollte ein Kandidat bereits vor seinem Antreten zur Wahl besitzen, damit er nach einem eventuellen Wahlsieg  zum Wohle der Gemeindebürger entscheiden kann. Eigeninitiative und politisches Interesse sind essenziell. Der Begriff des „Dorfkaisers“ ist  strapaziert und hat mit umsichtiger und nachhaltiger Amtsführung nichts mehr gemein. Nach heutigem Amtsverständnis sollte ein Bürgermeister erster Diener der Gemeindebürger sein. Grundstücksverkäufe oder Verpachtungen von Gemeindeeigentum an Familienmitglieder oder nahestehende Bekannte sind ein „No-Go“. Im übertragenen Sinne könnte formuliert werden, dass für einen Bürgermeister die Regelung gilt: Wenn in der Tiroler Bauverordnung eine Abstandsregel von zehn cm für den Gemeindebürger vorgesehen ist, sollte für den Bürgermeister oder als moralische Instanz beispielsweise 20 cm gelten.
Kommunikationsfähigkeit ist für einen möglichen Amtsinhabers unerlässlich. Einem Bürgermeis-ter muss es gelingen, auch mit verstimmten Gemeindebürgern zu kommunizieren, die Interessen seiner Gemeinde vor dem Landeshauptmann und Behörden zu vertreten und zu verteidigen; würdige  Abschiedsreden bei Beisetzungen, eine sachliche Argumentation für ein Projekt und Mediation im Gemeinderat sind wesentliche rhetorische Anforderungen an den Amtsträger. Teamfähigkeit ist gefragt – die Zeit der Dorfkaiser ist vorbei!

Die Macht der Amtsleiter.
Es ist unerlässlich für einen neu gewählten Bürgermeister, sich auf eine Reihe kompetenter Gemeindemitarbeiter verlassen zu können – im Bauhof, im Kindergarten oder in der Volksschule. Aber letztlich ist für den politischen Erfolg des Bürgermeisters und seiner Gemeinde auch die enge Zusammenarbeit mit dem Amtsleiter der Gemeinde entscheidend. Fachliches Wissen und hohe Verwaltungskenntnis sind letztlich wegweisend für eine erfolgreiche Amtsperiode. Nichts ist schlimmer für eine Gemeinde als ein Kleinkrieg zwischen Bürgermeister und Amtsleiter. Sollte die Zusammenarbeit allerdings wertschätzend und sachlich sein, kann der Bürgermeister entscheidende Themen mit seinem „Stabschef“ durcharbeiten und in der Gemeinde voranbringen.

Bessere Absicherung für Bürgermeister.
Nichtsdestotrotz verfügt gerade das Bürgermeisteramt über einige Besonderheiten. Zwar ist die Bezahlung im Österreichschnitt für eine Gemeinde zwischen 501 und 1.000 Einwohnern mit 3.485 Euro brutto in Tirol kein schlechtes Gehalt. Doch ist in der Privatwirtschaft für eine vergleichbare Position mit deutlich mehr Entschädigung zu rechnen. Außerdem haben Bürgermeister entscheidende Nachteile bei Krankenständen, Karenzzeiten und/oder Pensionsantritt. Gerade für junge Frauen, die beabsichtigen, für den Posten der Gemeindechefin zu kandidieren, ist die Karenzregelung eine diffizile Überlegung. In diesem Bereich besteht vonseiten der Politik absoluter  Nachbesserungsbedarf.

Die Haftung.
Eine „Amtsbürde“ stellt die hohe Haftung eines Bürgermeisters im Schadensfall dar, denn auch ein Bürgermeister kann – wie alle Politiker – wegen Korruption, Amtsmissbrauch oder Bestechung verurteilt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Im schlimmsten Fall haftet der Bürgermeister mit seinem Privatvermögen. Haftungen kann mit einer effizienten Protokollführung und Begutachtung zuvorgekommen werden. Wenn also ein Autofahrer im Winter bei glatter Fahrbahn in einen Unfall verwickelt wird und die Gemeinde wegen unzureichend ausgeführtem Winterdienst verklagt, können gegebenenfalls diese Vorwürfe mit einem Räumprotokoll entkräftet werden. Der Gemeindebund bietet für Kommunen und Bürgermeister eine gute Hilfestellung. Dass ein Bürgermeister Haus und Hof verloren hätte, ist im Außerfern in der Praxis bis jetzt noch nicht vorgekommen.

Peppone ist Vergangenheit.
n seiner Rolle als „Peppone“ ist Gino Cervi bis heute der Bürgermeister schlechthin – in Schwarz-Weiß-Filmen. Denn die Aufgaben der heutigen Bürgermeis-ter sind um einiges vielfältiger – eine gute Prise Humor schadet aber auch heutzutage nicht.

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