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Leidenschaft für Zement

Tobias Konzmann, der neue Geschäftsführer von Schretter & Cie, strahlt Optimismus aus

Mit Zuversicht in die Zukunft: Dieser Marschrichtung folgt offenkundig Tobias Konzmann, seines Zeichens neuer Geschäftsführer der in Vils beheimateten Firma Schretter & Cie.. Klar, der Klimawandel bedeute auch und gerade für die Zementindustrie eine große Herausforderung, aber auch der wolle man sich engagiert und voller Mut stellen, sagt er im Gespräch mit der RUNDSCHAU.
10. Mai 2021 | von Jürgen Gerrmann
Leidenschaft für Zement
Glaubt an die Zukunft des Baustoffs Zement: der neue Schretter-Geschäftsführer Tobias Konzmann. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Seit 1. Oktober vergangenen Jahres ist der gebürtiger Saarländer, der in Wuppertal aufwuchs und in Flensburg studierte, „in Amt und Würden“. Drei Monate lang Seite an Seite mit Dr. Reinhard Schretter, der danach an die Spitze des Beirats (vergleichbar mit einem Aufsichtsrat) des Unternehmens wechselte. Seit 2017 gehört es je zur Hälfte zwei Familien: den Schretters aus Vils und den Schleichers, denen das international tätige Unternehmen Schwenk Zement mit Hauptsitz in Ulm gehört.
„Ich lebe und liebe den Baustoff Zement“, sagt Tobias Konzmann gleich zu Beginn des Gesprächs. Und das wird durch sein ganzes bisheriges Berufsleben unterstrichen. Wobei er am Firmensitz in Ulm nur kurz arbeitete und stattdessen zehn Jahre im südlichen Afrika und eineinhalb Jahre in Lettland (als Projekt- und Werksleiter für Nordeuropa) in der Branche tätig war.

BEWEGTE ZEITEN.
Dass der 35-Jährige der erste familienfremde Geschäftsführer der Firma Schretter & Cie. nach 121 Jahren wurde, bedeutet sicher einen großen Einschnitt in der Firmengeschichte. Und zugleich eine große Verantwortung. Dessen ist er sich bewusst. Aber das bedeutet für ihn offensichtlich auch eine große Portion Motivation: „Ich habe viel vor – und eine super spannende Aufgabe in bewegten Zeiten.“
Diese Spannung wurzelt nicht zuletzt darin, dass in der Baustoffbranche „im Moment technologisch viel passiert und noch passieren wird“. Dass sich die Schretters und die Schleichers zusammengetan hätten, passe dabei sehr gut zusammen – sowohl von der Leidenschaft für Zement als auch den Familienwerten her: „Beide sind innovativ und leistungsstark, denken langfristig und nachhaltig – das ist doch eine tolle Konstellation.“ Und die Familienstruktur ermögliche es auch, sich „nicht von einem Quartalsbericht zum nächsten hangeln zu müssen, sondern das nachhaltige Ergebnis zähle“. Man könne die Dinge daher mit weitem Blick und auf lange Sicht angehen.
In der Zementindustrie sei man es zudem seit eh und je gewohnt, nachhaltig zu denken: Die Rohstoffe müssten zum Beispiel immer verfügbar sein. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um die enormen Investitionen schultern zu können, die sich oft erst nach Jahrzehnten rentierten. Zudem renaturiere man die aufgelassenen Steinbrüche und gebe der Natur damit etwas Hochwertiges zurück. In der Regel steige dort in den Steilwänden sogar die Biodiversität. Übrigens habe man daher bereits jetzt in den Kalksteinbruch in Höfen Brutnischen geschlagen, die Eulen, Wanderfalken oder anderen Vögeln als Heimat dienen könnten.

MODERNSTE MAHLANLAGE.
Dass die Baustoffindustrie angesichts des Klimawandels in die Diskussion, ja in die Kritik geraten ist, blendet er nicht aus: „Ja, es stimmt, wir sind sehr energieintensiv.“ Gerade deswegen habe man sich schon früh mit Alternativen befasst – auch um die Kosten dadurch besser im Griff behalten zu können. Die neue Mahlanlage in Vils zähle etwa zu den modernsten in Europa und brauche zur Produktion einer Tonne Zement deutlich weniger Strom.
Betrachte man die Umweltbilanz der Branche, dürfe man zudem nicht außer Acht lassen, „dass im Produktionsprozess selbst kein Abfall entsteht – vom Rohstein bis zum fertigen Produkt bleibt alles in der Fabrik, was reinkommt wird komplett verarbeitet“. Allerdings falle bei der Herstellung des Zements wegen der hohen Temperaturen und der verfeuerten Materialien viel Kohlendioxid an, dessen Zertifikatspreis in den letzten Monaten massiv gestiegen ist. Vor allem beim Klinker, einem wesentlichen Bestandteil des Baustoffs, sehe die Klimabilanz schlecht aus. Und gerade da sei es großartig, dass die neue Zementmahlanlage in Vils die Produktion klinkerarmere Zemente ermögliche: „Diese neue Hauptsorte bringt eine signifikante Senkung des Klinkeranteils mit sich.“
Im Moment werde weltweit über die technischen Möglichkeiten der CO2-Reduktion diskutiert (zum Beispiel durch die unterirdische Lagerung oder die Nutzung als Rohstoff für andere Industrien) und eine Menge Grundlagenforschung betrieben. Aber all das sei kapitalintensiv. Große Hoffnung setze man daher auf neue klimaneutrale Bindemittel für den Zement: „Schwenk ist da bei zwei Projekten sehr aktiv dabei. Bald wird eine erste Anlage dafür in Mergelstetten auf der Schwäbischen Alb errichtet.“
Konzmann weist auch darauf hin, dass Schretter als letztes verbliebenes Zementwerk in Westösterreich sowohl für Regionalität und kurze Lieferketten als auch Versorgungssicherheit bei Tiroler Großprojekten wie den Brenner-Basistunnel oder das neue Pumpspeicherwerk im Kühtai stehe: „Die können wir ohne lange Transportwege bedienen, und das ist auch für die Umwelt ein großer Vorteil.“ Wie auch der Aspekt, dass die Produkte der Branche in der Regel länger als ein Menschenleben hielten. Und letztlich: „Das Abbruchmaterial kann dann wiederverwertet und in einen neuen Baustoff umgewandelt werden.“
Österreich habe das Ziel ausgegeben, die Klimaneutralität der gesamten Wirtschaft bis 2040 erreichen zu wollen – also zehn Jahre vor der von der gesamten EU ausgegebenen Marke: „Das halte ich für sehr ambitioniert.“ Es blieben nur noch 19 Jahre, um die entsprechenden Grundlagen zu schaffen: „Wenn wir die Vorteile einer im eigenen Land produzierenden Industrie weiter nutzen wollen, brauchen wir dazu auch die Infrastruktur – also wirklich grünen Strom, als Energie nutzbaren Wasserstoff, Verkehrsverbindungen (und zwar auf Schiene und Straße) und auch rechtliche Rahmenbedingungen in Europa, auf die Verlass ist.“
Für die Zukunft ist Tobias Konzmann trotz der „spannenden Zeit“ mit ihren vielen Herausforderungen nicht bange: „Technologisch sind wir auf einem sehr guten Weg, und der Zement als Baustoff wird auch in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten seine Daseinsberechtigung haben.“ In die nächsten Jahre gehe er mit einer sehr positiven Grundeinstellung: „Die erste Coronawelle im vergangenen Jahr haben wir zwar sehr gespürt, aber danach hat es eine Blitzerholung gegeben.“ Es werde viel gebaut. Wie lange noch? „Um das zu prophezeien, bräuchte es einen Blick in die Kristallkugel.“

BEKENNTNIS ZU NAME UND STANDORT.
Achso, ja: Manche in Vils befürchteten ja, dass es mit dem Einstieg der Schwenk-Gruppe bald vorbei sei mit dem altvertrauten Unternehmensnamen. Da lacht der frischgebackene Geschäftsführer und schüttelt den Kopf: „Der Name Schretter hat Tradition und steht seit 122 Jahren für hochqualitative Baustoffe aus Tirol und für Tirol – und ich bin überzeugt, dass er zumindest noch weitere 122 Jahre dafür steht.“ Der Zusammenschluss sei auf Augenhöhe erfolgt: „Er war strategisch wichtig und richtig. Nur so können die großen Investitionen auch geschultert werden. Name und Standort sind und bleiben unverrückbar.“ Auch das Engagement für Kultur und Sport (nicht nur den Fußball in Vils, sondern auch für die kleinen Skilifte am Standort Vils und bei Heiterwang) werde selbstverständlich weitergeführt. Gute Nachrichten also – nicht nur für die zurzeit 170 Mitarbeiter, sondern fürs ganze Außerfern/Tirol.

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