Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

„Mega, mega viel“ Wildcamper

Bergwacht: Immer mehr Wohnmobilisten verschmähen den Campingplatz

Der Camping-Markt boomt. Nicht zuletzt für ältere Semester scheint es der Inbegriff von Freiheit zu sein, in der Pension mit einem Wohnmobil oder Bus durch Europa zu gondeln. Jüngere wiederum sehen das Zelten als Alternative zu kostspieligen Quartieren. Wenn jedoch gleichzeitig auf die Infrastruktur von Campingplätzen immer weniger Wert gelegt wird, vermag das durchaus zum Problem zu werden. So wie nach wie vor im Außerfern.
25. Oktober 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Mega, mega viel“ Wildcamper
Idylle pur kann man am Plansee erleben – aber leider entdecken dies auch immer mehr Wildcamper mit Wohnmobilen und Zelten  und sorgen  damit für große Verärgerung und eine Menge Arbeit für die Bergwacht.  RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Wohnmobile, die entlang der Straße parken und damit  an sonnigen Tagen die Sicht auf den Plansee fast unmöglich machen, sind zum Symbol einer Entwicklung avanciert, die immer mehr Einheimische empört. Auch andere vormals idyllische Plätzchen sind zum Magneten für Wohnmobil-Fans geworden, die  sich (verständlicherweise) an der wunderschönen Natur im Außerfern freuen, aber immer mehr zum Ärgernis. Und das, obwohl die Situation in den beiden vergangenen Jahren, in denen die Corona-Beschränkungen die Umsätze der Camping-Branche durch die Decke gehen ließen, laut Albert Kerber, dem Bezirksleiter der Bergwacht, weniger schlimm als vor fünf Jahren war, als die erste Welle der Empörung unter den Außerfernern über den Plansee schwappte: „Damals haben wir den Auftrag bekommen, Verstöße gegen das Tiroler Campinggesetz zu kontrollieren und zu ahnden.“

MAHNUNGEN REICHTEN NICHT AUS.
wei Jahre lang habe man dabei auf Aufklärung und Ermahnung gesetzt: „Aber das hat nicht funktioniert“, zuckt der Bergwachtler im Gespräch mit der RUNDSCHAU mit den Achseln. Jeder, den man erwische, habe eine Ausrede. Und die seien geradezu standardisiert: Was bei der Stornierung einer Ferienwohnung eine plötzliche Krankheit sei, sei beim Wildcampen die Müdigkeit, die einem bei der Fahrt gen Süden (oder wieder nach Hause) überfallartig zum Stopp in der Natur gezwungen habe. Es gebe offensichtlich eine Sparte von Leuten, die sich zwar  Fahrzeuge um knapp 80.000 Euro  (oder noch kostspieligere Wohnmobile, für die man so viel wie für eine Wohnung hinblättern muss) leisteten, dann aber keine 30 Euro für eine Nacht auf dem Campingplatz ausgeben wollten. Die seien dann auch keinerlei Argumenten zugänglich. Was Kerber und seine Kameraden noch besonders ärgert: „Die gehen dann nicht in den Wald, wenn sie ein Bedürfnis verspüren, sondern hinterlassen ihre Fäkalien auf fremden Grundstücken – am Plansee zum Beispiel auf den Uferwiesen, wo dann Leute am nächsten Tag mit ihren Kindern zum Baden gehen wollen.“
Wildcamper seien auch heuer noch „mega, mega viel“ unterwegs gewesen. Am Plansee werde zwar oft kontrolliert, aber ganz besonders „Clevere“ hätten schon das eine oder andere Versteck ausfindig gemacht. Allein von April bis Juni habe die Bergwacht 609 „Campingsünder“ angesprochen – mit deutlichem Schwerpunkt im letzten dieser drei Monate. Uneinsichtige und Zeitgenossen, die man doppelt erwische, zeige man an, den Rest fordere man nur zur Weiterfahrt auf, speichere aber die Autonummern. Damit man die, die notorisch gegen das Gesetz verstießen, weiter auf dem Schirm behalte.

DIE HOTSPOTS.
Was Wohnmobilisten anbelange, so spreche man rund die Hälfte der Ermahnungen, Verwarnungen und Strafen übrigens am Plansee aus. Am Blindsee hätten nach der Einführung der Maut Zelte die Wohnmobile abgelöst. Besonders gerne werden Zelte übrigens unerlaubterweise an der Kanalbrücke am Heiterwanger See aufgeschlagen: „Das ist extrem.“ Und leider entwickelten sich auch die Stuibenfälle immer mehr zum Hotspot. Wobei dort auch das nächtliche Feuermachen immer mehr zum Problem avanciere.
Das Tiroler Campinggesetz ist übrigens alles andere als lasch. Kerber: „Schon der Versuch des Wildcampens ist eigentlich strafbar.“ Und wie erkenne ich das? „Wenn abends in einem Bus oder Wohnmobil zum Beispiel Licht brennt und die Leute die Beine hochgelegt haben. Wenn Proviant auf dem Tisch im oder vor dem Fahrzeug liegt. Wenn das Zelt schon aufgebaut ist und das Lagerfeuer brennt.“ Und daher zieht auch die Ausrede mit der Müdigkeit auf der Durchreise im Grunde ohnehin nicht: „Wenn dem wirklich so ist, muss ich den nächstgelegenen Parkplatz entlang der B179 benutzen. Sobald man ein touristisches Ziel ansteuert, zählt das als Wildcampen.“ Freilich hat sich auch der Parkplatz vor Ehrenberg  mittlerweile zum Hotspot illegaler Übernachtungen entwickelt. Die Bergwacht hat da sogar schon einige Zeitgenossen beobachtet, die ihr Abwasser dort gleich entsorgten: „Und dort oben ist ja quasi die Trinkwasserversorgung der Marktgemeinde Reutte.“
Auf Dinge wie diese wurde übrigens wohl schon reagiert: Helmut Hein erwähnte zum Beispiel in der September-Sitzung des Reuttener Gemeinderats, dass unter anderem auf dem Ehrenberg-Parkplatz Schilder mit einem QR-Code angebracht werden, mit dem sich die Camper zum nächsten Campingplatz lotsen lassen könnten. Denn auch das zählt zu den beliebten Ausreden: Man sei ja gerade auf dem Campingplatz gewesen, der habe aber leider nichts mehr frei.

HOFFEN AUF POLITIK.
Kerber hofft derweil auch auf Unterstützung der Politik. Die rechtliche Klarstellung, dass die Bergwacht künftig auch per Organmandat direkt strafen könne, befinde sich nämlich noch in der bürokratischen Warteschlange: „Die Politik müsste viel mehr hinter uns stehen.“
Und wieviel müssen dann Wildcamp-Sünder berappen? „Die Strafe muss natürlich deutlich höher sein  als der Campingplatz kosten würde. Möglich wären bis zu 220 Euro. Pro Person.“ Übrigens: Für das dritte Quartal lag bei unserem Interview nur die Statistik der für die Region zwischen Musau und Bichlbach, Höfen und dem Ammerwald zuständigen Einsatzstelle Reutte vor. Und  die allein zählte zwischen Juli und September 448 Verstöße. Im Quartal davor waren es „nur“ 244 der insgesamt 609 Fälle. Rechnet man dies hoch, dürfte sich in der Sommersaison die Zahl der (erwischten) Wildcamper also rund verdoppelt haben. Die Dunkelziffer ist enorm, da die Bergwacht auch unter Personalmangel leidet. Deren Bezirksleiter hofft daher, „dass die Politik bei der Sache mit dem Organmandat jetzt schnell reagiert – die Zeit drängt!“

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben