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Mehr Ehrlichkeit für die Bevölkerung

und würdevolles Altern ist für Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann entscheidend

Sonja Ledl-Rossmann war Heimleiterin im Haus Ehrenberg und stieg 2008 in die Politik ein. Nach einer Periode im Tiroler Landtag, wechselte sie in den Bundesrat nach Wien, in dem sie ein halbes Jahr auch den Vorsitz führte und unter anderem auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobte. 2018 kehrte sie in den Tiroler Landtag zurück und bekleidet dort, als erste Frau in dieser Funktion, das Amt der Landtagspräsidentin.
6. September 2021 | von Johannes Pirchner
Mehr Ehrlichkeit für die Bevölkerung
Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann im Gespräch mit der RUNDSCHAU. RS-Foto: Pirchner
Von Johannes Pirchner.

RUNDSCHAU: In der TT sagt LH. Günther Platter: „Die Impfungen sind der Schlüssel zur Bekämpfung der Pandemie“ und Ungeimpfte können nicht erwarten bei einer Gratisimpfung, dass Corona-Tests auf Dauer gratis sind. Außerdem fordert Tirol die 1G-Regel für die Nachtgastro. Braucht es eine Impfpflicht oder mehr Druck auf Ungeimpfte?
Sonja Ledl-Rossmann: Die steigenden Coronafälle in den Krankenhäusern sind im überwiegenden Teil auf ungeimpfte Personen zurückzuführen. Die Wirksamkeit der Coronaimpfung ist der Schlüssel zum Erfolg über die Pandemie. Aber wir dürfen unsere Gesellschaft nicht spalten in Geimpfte und Ungeimpfte. Eine Impfpflicht halte ich für falsch, jedoch müssen wir alles tun, um die Menschen zu motivieren, damit sie sich freiwillig impfen lassen. Landeshauptmann Günther Platter setzt sich als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz für eine bundeseinheitliche Regelung ein. Sollte es zu einer 1G bzw. 2G- Regel in der Nachtgastronomie bzw. in anderen Bereichen kommen, müssen diese Regelungen bundesweit in Kraft treten. Klar ist, dass wir alle gemeinsam achtsam sein müssen und Rücksicht aufeinander nehmen müssen.

RS: Die Außerferner werden auf der B179 derzeit mit erhöhten Verkehrsaufkommen und Baustellen belastet. Die ÖVP setzt bei der Entlastung des Transitproblems auf eine Autotunnelvariante. Wie schaut der Tunnelansatz der ÖVP konkret aus und gibt es vielleicht auch kurzfristige Lösungsansätze (Dritte Spur)?
Sonja Ledl-Rossmann: Es ist bekannt, dass wir als Lösungsvariante für die Verkehrsproblematik des Außerfern auf eine Kombination aus Scheiteltunnel und Tschirganttunnel setzen. Das wird nicht alle Verkehrsprobleme des Außerferns auf einen Schlag lösen, aber wir erreichen damit eine wesentliche Entlastung für die Außerferner Bevölkerung. Dieses Projekt ist realistisch und finanzierbar. Eines vermisse ich allerdings in der Debatte um die Verkehrslösung im Außerfern und das ist Ehrlichkeit! DerRealisierungszeitraum für einen Bahntunnel wäre mindestens 30 Jahre. Zuerst wäre eine 10-15jährige Planungszeit von Nöten, von der Finanzierung ganz zu schweigen. Auch die Anbindungsstrecken in Deutschland sind ein Problem. Wir alle kennen beispielsweise die Route über Kempten nach Lindau. Landschaftlich wunderschön, aber auch diese Bahnrouten sind für leistungsfähige Züge wie ICEs nicht ausgelegt. Bayern müsste die Routen intensiv ausbauen, damit die Bahntunnelvariante überhaupt Sinn macht. Das ist für Bayern aber uninteressant, da es ja schon eine gut ausgebaute ICE-Zugstrecke von München bis nach Landeck gibt. Ohne einen gewaltigen Infrastrukturausbau auf deutscher Seite ist eine solche Bahn für Gäste nicht attraktiv genug. Nur für den innertiroler Verkehr ist das Fahrgastaufkommen zu gering. Andere Projekte wie eine Autobahn durchs Außerfern oder eine Dreitunnellösung halte ich für utopisch. Wir müssen realistisch bleiben. Die 7.5 Tonnenbeschränkung würde auch bei der von der ÖVP favorisierten Tunnellösung bleiben. Dadurch könnten auch die Staupunkte auf der B179 in der Haarnadelkurve entschärft werden und die Flüssigkeit des Verkehrs verbessert werden. Auch würden wir mit dieser Lösung das Wipptal und das Gurgeltal entlasten. Ich fordere alle auf kein unehrliches Spiel auf dem Rücken der Menschen zu machen. Es gibt kein Projekt, das all unsere Probleme über Nacht löst, , aber die Autotunnelvariante ist die machbarste, realistische und sinnvollste Variante.

RS: Die Schulen beginnen bald wieder und die neue HTL in Reutte wird von der Bevölkerung gut angenommen. Hätte man dieses Projekt größer denken können, in Form von einer Schulautonomie von der Anichstraße oder weiteren Features wie einem Schülerheim bzw. einer Mensa?
Sonja Ledl-Rossmann: Für mich steht die Freude im Vordergrund, dass wir dieses Erfolgsprojekt für das Außerfern umgesetzt haben. Wir haben dutzende Gespräche mit verschiedensten Stellen geführt, um die HTL-Ausbildung in den Bezirk zu bringen. Es ist schön, dass sich jetzt alle Parteien mitfreuen. Alle, die beteiligt waren, wissen genau wer welchen Beitrag zum Gelingen dieses Projektes geleistet hat. Die HTL wird super angenommen und nach einem Jahr haben wir schon zwei Klassenzüge! Es ist auch kein großes Geheimnis, dass wir uns als nächsten Schritt für eine eigenständige HTL einsetzen. Auch hier werde ich nicht lockerlassen.

RS: Wohnraum ist für viele junge Außerferner und Außerfernerinnen nicht mehr leistbar. Was tut die Volkspartei konkret, um Wohnraum für junge Menschen wieder erschwinglich zu machen?
Sonja Ledl-Rossmann: Dies ist ein sehr vielseitiges Thema. Sozialer Wohnbau ist in ganz Tirol und im Außerfern ein wichtiges Thema. Im Bezirk Reutte sind viele Kommunen hochengagiert, für junge Außerferner und Außerfernerinnen, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Gerade in kleinen Gemeinden ist es wichtig, die Abwanderung aufzuhalten. Auch gegen Freizeitwohnsitze gehen die Gemeinden effektiv vor und diese Regelung wird streng kontrolliert. Wir müssen an jeder Schraube drehen, um die Preise zu dämpfen.

RS: Die demografische Entwicklung des Außerferns zeigt in naher Zukunft einen steigenden Pflegebedarf. Welche Konzepte hat die Volkspartei für dieses Thema parat?
Sonja Ledl-Rossmann: Gerade unser Bezirk ist beim Pflegethema auf einem sehr guten Weg. Innerhalb der Pflegedrehscheibe Außerfern, in der auch das Seniorenzentrum Reutte und das Haus Ehrenberg maßgeblich vertreten sind, evaluieren wir ständig und gehen auf diese Entwicklungen ein. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass wir pflegende Angehörige größtmögliche Unterstützung zukommen lassen. Diese sollen bestmöglichst begleitet und unterstützt werden. Egal ob es um Kurz- oder. Langzeitbetreuung geht. Auch benötigen die Angehörigen Freizeit und Erholungswochen, wo sie wieder neue Kraft und Energie tanken können. Durch den verstärkten Ausbau der der Tagesbetreuung, auch im Zwischentoren, im Tannheimer Tal und im Lechtal, sind wir hier sehr gut aufgestellt. Unser Ziel ist es, den zu Pflegenden so lange wie möglich, ein würdevolles Altern zuhause zu garantieren und den Angehörigen so viel Unterstützung wie möglich zukommen zu lassen.  Die Pflegedrehscheibe berät und begleitet die Menschen hier bestmöglichst. Ich bin sehr froh, dass in der Pflegedrehscheibe kein Konkurrenzdenken zwischen den Institutionen herrscht und alle Stellen im Bezirk sehr gut zusammenarbeiten.

RS: Armin Walch ist zum neuen Obmann der REA einstimmig gewählt worden und will dies bis zur nächsten Vorstandssitzung bleiben. Viel Kritik vom politischen Mitbewerber, aber auch aus den eigenen Reihen gab es für die Verhinderung von ehemaligen REA-GF Günter Salchner. Auch in einer Aussendung der ÖVP heißt es, dass Salchners Fachkompetenz und Erfahrung unbestritten sind. Warum wurde Günter Salchner dann nicht gleich zum Obmann gewählt?
Sonja Ledl-Rossmann: Ich finde es immer sehr speziell vom politischen Mitbewerber mir zu unterstellen, ich würde Günter Salchners Person, Fachkompetenz oder Erfahrung nicht schätzen. Ich schätze ihn sehr für seine bisherige Arbeit als Geschäftsführer bei der REA. Jedoch war die Vorgehensweise von Luis Oberer überfallsartig und überhastet. Die REA-Obmannschaft ist nicht an das Amt des Bürgermeisters von Reutte gekoppelt! Luis Oberer hätte problemlos bis zur regulären Obmannwahl 2022 im Amt bleiben können. Es wurden viele REA-Mitglieder im Vorstand vor den Kopf gestoßen und mit einer Mehrheit von 11:7 Stimmen beschlossen, die Obmannfrage zu vertagen. Es soll jetzt ebenfalls auch ein neuer Geschäftsführer für die REA gefunden werden. Armin Walch hat sich bereiterklärt, die Obmannschaft der REA zu übernehmen. Ihm die Kompetenz abzusprechen, halte ich für unanständig. Generell finde ich es schade, dass manche die REA offenbar in den beginnenden Wahlkampf hineinziehen wollen.

RS: Gewalt an Frauen (Frauenmorde)und Ungleichheit (Gesellschaft oder Arbeitsplatz) gehört für viele Frauen auch 2021 noch zum Alltag. In einem RS- Interview sagt eine betroffene Außerfernerinnen, dass Frauen systematisch mit weniger Respekt behandelt und ausgeschlossen werden. Außerdem würden sie das Gefühl bekommen-Minderwertig zu sein. NR. Elisabeth Pfurtscheller agiert als Frauensprecherin und Sie sind die erste Frau als Landtagspräsidentin Tirols. Was tut die ÖVP-konkret um die Lage von Frauen zu verbessern?
Sonja Ledl-Rossmann: Das ist ein schwieriges Thema, das wir auf allen Ebenen bearbeiten müssen. Auch die Frauen müssen den Mut haben, Hilfe anzunehmen. Von Beratungshotlines angefangen bis zur Frauenberatung. Dass physische oder psychische Gewalt gegen Frauen, egal ob am Arbeitsplatz oder Zuhause, völlig inakzeptabel ist, versteht sich von selbst. Mobbing am Arbeitsplatz ist im Übrigen auch ein schwerer Straftatbestand. Während der Coronazeit hat auch das Thema häusliche Gewalt wieder zugenommen. Es ist wichtig hier in der Bevölkerung ein Bewusstsein zu schaffen und nicht wegzuschauen.

RS: Die Außerferner „Initiative Hoffnung für Flüchtlinge“ setzt sich für die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien aus Moria ein. Auch die ÖVP-Gemeinderatsfraktion unterstützte diesen Grundsatzantrag. Wie siehst die Außerferner Volkspartei diese Initiative?
Sonja Ledl-Rossmann: Ganz generell sind wir im guten Gespräch mit Dekan Franz Neuner und Herrn Linser. Was ich kritisch sehe ist der Vorwurf, dass Österreich seiner humanitären Verantwortung nicht nachkommt. Österreich hat mit 44.000 afghanischen Flüchtlingen die zweitgrößte afghanische Community Europas nach Schweden. Umgerechnet auf den Bevölkerungsschlüssel hat kaum ein Land in Europa den letzten Jahren mehr Flüchtlinge aufgenommen als Österreich. Ein entscheidender Faktor ist für uns die Hilfe vor Ort. Es ist deshalb absolut richtig, dass die Hilfe für Afghanistan erst kürzlich auf 18 Millionen Euro aufgestockt wurde. Auch die Nachbarländer von Afghanistan müssen entsprechend unterstützt werden. Das Asylrecht ist für mich unantastbar. Was meines Erachtens aber stärker Berücksichtigung finden sollte, ist der Integrationswillen von Asylwerbern. Niemand versteht, wenn ein Asylwerber, der straffällig wird, hier bleiben kann aber jemand, der sich einbringt, der Deutsch lernt und eine Lehrausbildung absolviert, abgeschoben wird.

RS: Der Wolf hat Tirol wiederendeckt. Das Außerfern ist bis jetzt noch weitgehend verschont geblieben. Wie ist der Zugang der ÖVP zur Rückkehr von Raubtieren?
Sonja Ledl-Rossmann: Problemtiere sollten hierbei auf jeden Fall entnommen werden. Aber die Schutzstandards für große Beutegreifer sind in der EU sehr hoch. Mit der Regelung, die wir im Tiroler Landtag beschlossen haben, reizen wir den Spielraum voll aus. Was in der Debatte oft vergessen wird, ist, dass das Thema Wolf nicht nur die Landwirtschaft betrifft. Auch für den Tourismus wird die Thematik zunehmend zum Proglem werden.

RS: Wie ist die ÖVP für die Gemeinderatswahl 2022 aufgestellt?
Sonja Ledl-Rossmann: Unsere Gemeinden sind die Basis für unser Land und die ÖVP. Dementsprechend wichtig ist die Gemeinderatswahl für die Tiroler Volkspartei. Es wird seitens der ÖVP auf jeden Fall flächendeckend ein starkes Angebot für die Bürgerinnen und Bürger geben. Wir wollen die ganze Gesellschaft abbilden und ich appelliere als Bezirksobfrau der ÖVP gerade an junge Menschen und Frauen, sich aufstellen zu lassen.

RS: Frau Landtagspräsidentin, wir bedankt sich für das Gespräch!

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