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„Reichsbürger“ im Lechtal?

Außerferner Bürgermeister erhielten Drohbriefe

Bewegte Zeiten – auch für die Bürgermeister im Außerfern. Ihnen flatterte Anfang November ein Schreiben auf den Tisch, in dem sie des Verdachtes des Amtsmissbrauchs geziehen werden und man ihnen persönliche Konsequenzen androht. Zwei Planungsverbände haben deswegen mittlerweile Anzeige erstattet.
22. November 2021 | von Von Jürgen Gerrmann
„Reichsbürger“ im Lechtal?
Dreiseitige Drohbriefe erhielten neulich fast alle Bürgermeister im Außerfern (hier ein Ausschnitt) – in deren Namen haben nun zwei Planungsverbände Anzeige erstattet. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann

Dies bestätige Ehenbichls Bürgermeister Wolfgang Winkler der RUNDSCHAU in seiner Funktion als Obmann des Planungsverbands Reutte und Umgebung, der einer der beiden Anzeigenerstatter ist. Beim zweiten handelt es sich um das Tannheimer Tal. Wolfgang Winkle dazu: „Die anderen beiden Verbände fühlen sich auch betroffen, meinen aber, dass es ausreicht, wenn zwei sich an die Behörden wenden.“ Die „Information der Bevölkerung über die Wahrheit der Republik Österreich“ (wie es in der Betreffzeile heißt) war mit dem Namen einer Weißenbacherin versehen und unterschrieben. Wobei natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststeht, ob sie wirklich dahintersteht oder auch nur entfernt damit zu tun hat – oder aber ihr Name nur missbräuchlich verwendet wurde.

„NUR EINE FIRMA“. Wie dem auch sei: In der „Bekanntmachung“ wird dem Weißenbacher Bürgermeister Johann Dreier (wie auch seinen Kollegen) mitgeteilt, dass „die Republik Österreich kein Staat, sondern eine Firma“ sei. Diese gewagte These, die nicht zuletzt in Deutschland kursiert (wo weisgemacht werden soll, dass das Deutsche Reich mangels Friedensvertrags nicht untergegangen sei, sondern weiter existiere und unter Besatzungsrecht stehe) ist nicht zuletzt unter sogenannten „Reichsbürgern“ populär, die daher den Institutionen der Bundesrepublik Deutschland die Berechtigung zu Entscheidungen absprechen. Und so heißt es denn auch entsprechend auf einem der beiden in der Anlage mitgeschickten Schreiben: „Die Republik Österreich ist nach wie vor besetzt...und ihre Gesetze ungültig!“ Unterzeichnet hat die „Bekanntmachung“ ein Major T. Jansen – für den Chef einer solch gewichtigen Behörde wie „S.H.A.E.F.“, die diese Schreiben angeblich verschickt, ein bemerkenswert niedriger Rang. Diese Abkürzung soll zudem für „United States Space Force“ stehen, was aber schon von den Buchstaben her nicht stimmen kann und also eher dilettantisch gemacht ist.
Die korrekte Langfassung lautet übrigens Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force. Dieses Oberkommando der alliierten Streitkräfte unter dem Kommando des Generals und späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower wurde indes bereits zwei Monate  nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht (also im Juli 1945) wieder aufgelöst.

MASSIVE DROHUNGEN. Man könnte darüber lachen, würde dieser Herr Major, bei dem das T. übrigens für den durchaus deutschen Namen Thorsten steht, nicht mit massiven Drohungen arbeiten – bis hin zu „Todesurteilen“ nämlich. Besonders aktiv ist man bei denen, die mit Verschwörungstheorien nicht allzuviel anzufangen vermögen und sich nicht zuletzt auf dem Internet-Messengerdienst Telegram tummeln. Und natürlich spielen auch da die Corona-Maßnahmen, die angeblich rechtswidrig seien, eine zentrale Rolle: „Wer hier weiterhin Zwangsmaßnahmen an Kindern durchführt, wird vor das Kriegsgericht gestellt“, wird den Bürgermeistern hier gedroht. Die freilich wollen sich das nicht einfach so so kommentarlos gefallen lassen und entschlossen sich zur Anzeige über die beiden Planungsverbände.
Wie die RUNDSCHAU bei der Polizei erfuhr, ging übrigens ein solches Schreiben auch an zumindest einer Schule im Bezirk Reutte ein. Davon habe man dann den Verfassungsschutz in Kenntnis gesetzt.

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