Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Sie sind wieder da!

Nach zwei Jahren Coronapause ziehen die Barreibuben wieder durch Musau

„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“ Dieses Zitat wird dem Komponisten Gustav Mahler zugeschrieben, obwohl das nicht eindeutig geklärt ist. Egal. Die Aussage bleibt: Tradition hat nur dann Wert, wenn sie in das alltägliche, natürliche Leben integriert und somit lebendig erhalten bleibt.
28. Feber 2022 | von Michaela Färber
Sie sind wieder da!
Nach zwei Jahren Coronapause freuen sich die Musauer wieder über den Besuch der Barreibuben. Bildquelle: Wikipedia
Von Michaela Färber.
In der kleinen Gemeinde Musau im Bezirk Reutte gibt es seit langer Zeit einen Brauch, der seinesgleichen sucht und wohl weltweit einzigartig ist: das Barreien.
Am Rosenmontag versammeln sich am frühen Nachmittag alle schulpflichtigen Musauer Buben (also alle 6- bis 14-Jährigen) im Weiler Roßschläg. Sie tragen eigentümliche, spitze, hohe und sehr bunte Hüte, Säbel und Kuhhörner und ziehen den ganzen Nachmittag bis in den Abend hinein im weitläufigen Straßendorf von Haus zu Haus, um „Barreien“ zu sammeln. Für die Jüngsten unter ihnen ist das eine durchaus anstrengende Angelegenheit, die aber zum jährlichen Dorfleben gehört und heuer – nach zwei Jahren Corona-Zwangspause – wieder sehnlichst erwartet wird.

Mysteriöser Ursprung.
Die Herkunft dieses Brauches ist schwer zu klären. Am plausibelsten erscheint eine Parallele zu einem ehemaligen Südallgäuer Fastnachtsbrauch aus der Zeit der Schwedenkriege um 1630. Damals litt die ländliche Bevölkerung unter furchtbarem Hunger, weshalb am Rosenmontag das „Große Almosen von Fastango“ veranstaltet wurde, bei dem man Fleischspenden verteilte. (H. Baumann: „Der Markt Oberdorf“, 1864). Diese Naturalspende wurde in der Folge in eine Geldspende an die herumziehenden Jugendlichen umgewandelt.
Die Tatsache, dass die Musauer Barreibuben mit ihren Hüten, Säbeln und Hörnern in gewisser Weise „uniformiert“ sind und innerhalb der Gruppe eine Art militärischer Hierarchie mit Hauptmann und Zugführer herrscht, macht eine gewisse Nähe zur Zeit der Schwedenkriege wahrscheinlich. Aber, wie schon oben erwähnt: Auch wenn dieser Brauch mancherorts beschrieben wurde, bleibt seine Herkunft geschichtlich weiterhin ungeklärt.

„…und bitten um Barreien aus“.
Am Nachmittag des Rosenmontags zieht die Schar der Barreibuben durch Musau. Hörnerblasen ertönt, die bunten Spitzhüte bieten ein malerisches Bild. Sie gehen von Haus zu Haus und sagen dort ihr Sprüchlein auf:„Früh abends (später in Untermusau heißt es wegen der fortgeschrittenen Zeit „Spät abends“) kommen wir in euer Haus und bitten um Barreien aus.“
Dann bekommen die Buben einen kleinen Geldbetrag in ihr „Geldsäckle“, wobei Hauptmann und Zugführer, die Ältesten unter ihnen, doppelt bedacht werden.
Das Wort „Barreien“ dürfte auf den mittelhochdeutschen Ausdruck „bar“ („bloß“, „nackt“) zurückgehen, der schon im Mittelalter in Bezug auf Geld im Sinne von „offen vor den Augen liegend“ verwendet wurde. Nach der Geldspende kommandiert der Hauptmann sein Trüppchen mit den Befehlen: „Habt acht!“ „Rechts um!“ „Im Gleichschritt Marsch!“ aus dem Haus, und gleich darauf ertönt im Bubenchor das Sprüchlein:

„Hinaus in die Ferne mit
sieba Fäßla Bier,
drei hamm’mer gsoffa,
jetzt hamm’mer bloß no vier.“


Darauf folgt ein lautes, vielstimmiges „Vergelts Gott ,z’tausendmal!“, und schon zieht die bunte Schar mit Hörnerblasen weiter.

Über die Jahre – weitgehend – unverändert.
Auch wenn dieser alte Brauch schon weit zurückreicht und jeder männliche Musauer in seiner frühen Jugend auf Barreigang unterwegs war, hat er sich ohne große Änderungen bis heute erhalten. Allerdings berichtet eine sehr alte Dorfchronik, dass die Buben ursprünglich um drei Uhr morgens am Rosenmontag losgezogen sind, was dazu führte, dass sie daraufhin alljährlich völlig verschlafen später in den Schulbänken gelegen seien. Dies missfiel einem früheren Musauer Lehrer und er verlegte kurzerhand den Barreigang auf den Nachmittag. Ob er es auch war, der den originalen – und recht derben – Barreispruch: „Barrei her, oder an altes Weib her!“ durch die aktuelle Version ersetzte, bleibt ungeklärt.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2022 und dieser Brauch mag wie aus einer anderen Welt erscheinen. Doch die zweijährige Coronapause macht uns die Bedeutung von genau diesen alten und liebgewonnen Traditionen heuer besonders deutlich.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben