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„Tunnelträumereien“ und „Pfusch“

Transitforum-Obmann Gurgiser zur aktuellen Verkehrsdebatte in Tirol und dem Außerfern

Auch in (zwischenzeitlichen?) Nach-Corona-Zeiten ächzt Tirol im Allgemeinen und das Außerfern im Besonderen unter der Verkehrslast. Das bringt Fritz Gurgiser, den Obmann des Transitforums Austria-Tirol, sichtbar in Rage. „Politischen und behördlichen Pfusch“ ortet er im Gespräch mit der RUNDSCHAU.
9. August 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Tunnelträumereien“ und „Pfusch“
Motorräder sind nicht die einzige Verkehrsbelastung, unter der das Außerfern auch in diesem Sommer ächzt. Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforums Austria Tirol, kritisiert daher die aus seiner Sicht nur zögerliche Haltung des Landes. RS-Foto: Archiv/Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
So kann er es zum Beispiel kaum fassen, dass das Land Tirol für das vom Transitforum vorgestellte Dosiersystem für die Fahrten durchs Außerfern zwar 380.000 Euro bereitgestellt habe, aber bei dessen Bearbeitung unter Hinweis auf Corona dann eine Pause eingelegt habe, sodass dieses probate Mittel heuer nicht zum Einsatz kommen könne. Gurgiser: „Das war und ist ein grober Fehler, denn gerade während dieser ,ruhigen‘ Zeit hätten die Vorbereitungen ohne den ,Druck der Straße‘ effizient weitergeführt werden können.“ Er sehe es geradezu als „Landesstrategie“ an, nur im Schneckentempo unterwegs zu sein, wenn es um intelligente und zeitgemäße Verkehrslösungen gehe. Das aber schade der Gesamtregion – angefangen von den Seitentälern des Inn (wie Pitz- oder Ötztal) über das Inntal selbst bis hin zur Strecke zwischen  Mötz/Tarrenz und der deutschen Staatsgrenze ganz massiv. Das könnten er und das Transitforum einfach nicht verstehen.

„KEINE DAUERLÖSUNG“.
Und wie sieht er die seit Kurzem wieder gültigen Abfahrverbote von der B179 im Außerfern? „Als das einzige derzeitige Hilfsmittel, um wenigs-tens den unzumutbaren Navi-Ausweichverkehr auf den niederrangigen Straßen einigermaßen im Zaum zu halten.“ Weil beim Dosiersystem „mit beiden Füßen auf der Bremse gestanden wird“, bleibe eben nichts anderes übrig. Das aber dürfe keine Dauerlösung sein: Es gelte, schon an der Grenze zu bremsen und den Verkehr zu dosieren, damit man schon im Vorfeld jede Überlastung ausschalten und verhindern könne, dass die gesamte Bevölkerung entlang der B179 quasi immer wieder „eingesperrt“ und an ihrer Bewegungsfreiheit gehindert werde. Österreichs Umweltministerin Leonie Gewessler plant ja, verschiedenen Presseberichten zufolge, das Dieselprivileg im nächsten Jahr fallen zu lassen. Da stößt sie beim Obmann des Transitforums und seinen Mitstreitern ohnehin auf offene Ohren: Ein Professor der Uni Innsbruck habe ihm vor Kurzem mitgeteilt, dass das ein Überbleibsel aus dem Jahr 1948 sei. Beim Wiederaufbau nach dem Kriege habe man damit kleine Bauern und kleine Frächter unterstützen wollen. Heute habe sich das freilich in eine „absurde Begünstigung“ für internationale Großunternehmen im Transportsektor verkehrt. Streiche man diesen Steuerrabatt, würden Pendler, die im Jahr 20.000 Kilometer auf dem Weg zum Arbeitsplatz und zurück absolvieren müssten, mit gerade einmal sieben Euro pro Monat belastet. Das Transitforum schlage vor, die dadurch gewonnen Gelder für den Lärmschutz zu verwenden. Und zwar verpflichtend. Denn hier bestehe „höchster Handlungs- und Finanzbedarf“. Weder Bauern noch Frächter gingen bankrott durch den Wegfall des Dieselprivilegs. Dafür sorgten allenfalls andere Gründe – wie zum Beispiel der wettbewerbswidrige Binnen- und Globalmarkt, der der Regionalwirtschaft mittlerweile den Garaus zu machen drohe.

FÜR EVALUIERUNG.
Ausdrücklich unterstützt wird von Gurgiser die Evaluierung der Asfinag-Projekte durch die Verkehrs- und Umweltministerin: Das sei nichts, worüber man sich aufregen müsse oder könne, wie es nun von Wirtschafts- und ÖVP-Vertreter geschehe, sondern etwas ganz Normales und Richtiges. Viele dieser Projekte seien uralt, unter völlig anderen Voraussetzungen geplant worden und hätten oft nur ein Ziel: Die Probleme nicht an der Wurzel zu lösen, sondern sie zu verlagern. Nach dem Floriani-Prinzip: „Herr, verschone mich vor Lärm, Gestank und Stau und schieb alles woanders hin!“ Die Evaluierung betreffe übrigens das Außerfern so gut wie gar nicht: Der Fernpasstunnel sei ein Wunsch des Landes aus der vom Motto „Verkehr ist Leben“ geprägten Zeit und der Tschirgant-tunnel ja nicht fertig geplant. Beiden gemein sei, dass sie die Gesamt-route von der Landesgrenze bis ins Inntal nicht entlasteten, sondern noch mehr Verkehr anzögen: „Das hat nicht nur die Asfinag, sondern auch ein Landesverkehrsgutachten unmissverständlich festgestellt.“ Das Land solle sich besser an dem orientieren, was das Transitforum vorschlage: Evaluierung der Lkw-Fahrverbote, effiziente Kontrollen und Dosiersystem etwa. Damit könne man mehr erreichen als mit „Tunnelträumereien“.
Über die jüngsten Aktivitäten eines Vereins „Bikers’ Voice“ mit Sitz in Wien und dem Ziel, das Motorradfahrverbot für besonders laute Maschinen im Außerfern zu Fall zu bringen, kann Gurgiser nur den Kopf schütteln. Allerdings stimme er darin überein, dass es nicht um den Standlärm eines Bikes gehen dürfe, sondern um den Umgebungslärm gehen müsse. Die jetzt gültige Verordnung sei ein „politischer und behördlicher Pfusch der Sonderklasse, um sich halt davor zu drücken, diesen Freizeitlärmterror an den Ursachen zu bekämpfen“. Die Transitforumgruppe „Xund’s Leben im Lecht’l“ werde sich daher weiter „voll für Anrainerschaft und Qualitätstourismus engagieren“.

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