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„Unerträglich laut“ kann erlaubt sein

24. September 2019 | von Sabine Schretter
Sie erkennt Temposünder auf zwei und vier Rädern: Walter Schimpfössl mit der Laser-Pistole an der B179 bei Weißenbach. RS-Foto: Gerrmann
Das Mikrofon muss exakt eingestellt werden, damit die Lärmmessung des Motorrads auch gültig ist. RS-Foto: Gerrmann

Die RUNDSCHAU begleitete Motorrad-Kontrollen der Polizei im Außerfern


Der Herbst ist da. Die Motorrad-Saison ist (so gut wie) zu Ende. Die gute Nachricht: Sie hat bisher m Außerfern nur ein Todesopfer gefordert (drei waren es im Vorjahr). Die schlechte: Es hat wohl keine Entlastung für die lärmgeplagten Anrainer gegeben. So könnte man das Fazit der 13 Polizeikontrollen der Biker-Saison 2019 deuten. Die RUNDSCHAU war bei der letzten in diesem Sommer dabei.

Von Jürgen Gerrmann

Jahr um Jahr lauter werden die Proteste gegen den Motorradlärm im Außerfern. Und unüberhörbar ist dabei auch der Ruf nach Polizeikontrollen. Doch, wie läuft so was überhaupt ab? Welche Konsequenzen drohen? Und lässt sich das Problem dadurch in den Griff bekommen? Das wollte die RUNDSCHAU bei einem „Lokalaugenschein“ erkunden.
Erste Station: die Lechtal-Bundesstraße. Am Holzlagerplatz einige hundert Meter hinter dem Ortsende Richtung Johannesbrücke warten Chefinspektor Walter Schimpfössl und zwei Kolleginnen auf die Temposünder, die da kommen. Die Laserpistole, die einen Strahl ausschickt, der binnen Millisekunden reflektiert wird (aus der Zeitdifferenz lässt sich dann die Geschwindigkeit des herannahenden Objekts errechnen), wird übrigens nicht nur auf die (am letzten schönen Sommer-Sonntag zahlreichen) Biker gerichtet, auch mancher Autofahrer wird auf die Kontrollstelle herausgewunken.
KONTROLLEN VERSTÄRKEN.

Immer mehr schreie die Bevölkerung gegen die Menge und den Lärmpegel der Motorradfahrer auf, weiß auch Schimpfössl. Nicht zuletzt das Hahntennjoch sei ein Magnet, der die „Easy Rider“ anlocke. Deswegen habe man auch die Kontrollen verstärkt. Der stellvertretende Bezirkskommandant sagt freilich auch: „Es ist nur ein geringer Prozentsatz, der sich nicht an die Vorschriften hält. Der Großteil ist vernünftig und fährt normal. Es ist die Minderheit, die für solch großen Unmut sorgt.“
Je nach Witterung gehen die Ordnungshüter während der warmen Jahreszeit zwei- bis dreimal im Monat in Position. Insgesamt 13 Mal waren es heuer. Dabei greift man auf die Streifen, die Normaldienst tun, zurück – im ganzen Bezirk. Denn eigentlich ist das ganze Außerfern ein Motorrad-Brennpunkt. Beim Finale standen sie mit der Laserpistole – außer bei Weißenbach – noch am Hahntennjoch, am Gaichtpass und bei Ehrwald Richtung Garmisch.
Alle sechs Monate muss das Instrument übrigens zum Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen nach Wien, dort wird das Gerät genau unter die Lupe genommen, getestet, dann wieder für den Einsatz freigegeben. Es soll ja alles korrekt zugehen.
Auf den roten Punkt kommt es an: Mit dem visiert eine der beiden Polizistinnen durch das Okular den entgegenkommenden Verkehr an (was bei den Bikes durchaus eine gewisse Treffsicherheit erfordert) und schickt den Laserstrahl los. Ist die Geschwindigkeitsbeschränkung (in diesem Fall Tempo 80) überschritten, gibt sie ihrer am Straßenrand stehenden Kollegin ein Zeichen, das beim Ertappten naturgemäß nicht unbedingt Begeisterung hervorruft – wird man doch jetzt herausgewunken.
Auf dem Display der Laserpistole bleibt jetzt erstmal das Messergebnis stehen: Die zweite Polizistin bestätigt den Wert, dieses Vieraugenprinzip ist in Österreich auch gerichtsfest. Die junge Frau, die zuvor an der Straße stand, übernimmt nun das Okular, während die andere die Formalitäten erledigt. Das sorgt zuweilen bei deutschen Sündern für Diskussionen: Die sind es gewohnt, dass ihr Vergehen mit dem berühmten „Erinnerungsfoto“ dokumentiert werden muss.
Wer die erlaubte Geschwindigkeit (plus Toleranz) um bis zu zehn Kilometern pro Stunde überschreitet, kommt noch mit 20 Euro davon, zwischen elf und 20 Sachen mehr kosten schon 35, und ist man zwischen 21 und 30 plus unterwegs, muss man schon 50 Euro berappen. Alles darüber kann dann nicht mehr vor Ort erledigt werden – die Sache geht an die Bezirkshauptmannschaft. Während unseres Besuchs herrscht Hochbetrieb – nicht nur auf der Straße, sondern auch an der Kontrollstelle. Während 35 Minuten werden sieben Temposünder erwischt. Darunter allerdings nur zwei Motorräder.
Zweite Station: Bichlbach. Dort bauen die Kollegen vor dem Feuerwehrhaus gerade das „Schallpegelmessgerät“ auf, das die Landesverkehrsabteilung in Innsbruck diesem Posten wegen des bei Bikern so beliebten Namloser Tals schon seit Jahren fest zugeteilt hat.
„Einfach hinstellen und losmessen“: So einfach ist die Sache freilich nicht. Man muss penibel auf die verschiedensten Dinge achten. Das Mikrofon muss etwa auf einem völlig ebenen Platz aufgebaut werden, am besten auf Asphalt. In einem Umkreis von vier bis fünf Metern darf nichts anderes stehen.
WIE LÄRM GEMESSEN WIRD.

Das Mikrofon muss exakt eingestellt werden, damit die Lärmmessung des Motorrads auch gültig ist. RS-Foto: Gerrmann


Dann gilt es erst einmal, das Gerät zu kalibrieren. Der „normale Umgebungslärm“ wird eine Minute lang ermittelt, damit er dann in die spätere Messung mit einfließen kann.
Die erste Messung ist subjektiv: Biegt ein Biker röhrend um die Kurve bei der „Traube“, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er auf den Feuerwehrparkplatz abbiegen muss. Dann startet das Prozedere: „Fahrzeugpapiere bitte!“ Darauf interessieren den Polizeibeamten besonders die Lärmgrenzwerte. Die BMW R1200R, die gerade rausgeholt wurde, darf zum Beispiel bei 3875 Umdrehungen 94 Dezibel haben.
Winkel, Höhe, Abstand des Mikrofons zum Motorrad – alles muss nun genau stimmen, wenn der Polizist um den Schlüssel bittet, die Maschine anwirft und im Stand auf die 3875 Umdrehungen bringt. Zweimal wird gemessen, der niedrigere Wert entscheidet. In diesem Fall sind es 92 Dezibel. „I bin a dafür, dass ma die zu Lauten aussafitzelt“, sagt der Einheimische und brummt weiter gen Berwang.
Das freilich zeigt schon die Crux auf: 92 – das sind zwölf Dezibel mehr als der Krach einer Kreissäge. Und das ist erlaubt. „Bei einer Ducati oder Harley sind sogar bis zu 120 typisiert“, sagt einer der Beamten. Und ihnen sind da die Hände gebunden, obwohl dieser Krawall dann laut offizieller Tabelle dem eines startenden Düsenflugzeugs entspricht und unter „unerträglich laut“ eingestuft wird. Bei Mopeds hingegen ist schon zwischen 60 und 80 Dezibel Schluss. Sie müssen bestraft werden, während andere Biker auf „Höllenmaschinen“ vorbeibrettern und sich eins grinsen. Da kann man als Polizist schon auch mal gefrustet sein. „Die EU sollte da unbedingt eine einheitliche Grenze ziehen“, sagt einer davon.
Dritte Station: Polizei-Bezirkskommandant Egon Lorenz beugt sich in seinem Besprechungszimmer in Reutte über die aktuelle Statistik. „Fast unverändert“, sagt er beim Blick auf die Zahlen: „Nur minimale Differenzen.“ Die Zahl der Ordnungsmandate, bei denen das Bußgeld gleich vor Ort kassiert wurde, ist gegenüber dem Vorjahr sogar um 94 auf 263 zurückgegangen. Klingt erst einmal gut. Auf den ersten Blick. Der zweite sagt: Anzeigen hat es 509 gegeben. 43 mehr als 2018. Sie alle waren mehr als 30 Sachen zu schnell. Die Raser unter den Bikern rasen also quasi noch mehr.
EHER RUHIGE SAISON.

Und dazu muss man noch sehen, dass (so Lorenz) es ein eher ruhiges Motorrad-Jahr war: „Das Hahntennjoch ging heuer ganz spät auf, das Wetter war am Wochenende oft schlecht.“
Auch der Bezirkskommandant glaubt offensichtlich, dass mit den Mitteln der Straßenverkehrsordnung den lärmgeplagten Außerfernern nicht zu helfen ist: „Man könnte am meisten eingreifen, wenn man den Lärmpegel euweit typisiert. Bei 75 bis 80 Dezibel müsste Schluss sein. Ein europaweiter Harmonisierungsantrag wäre schon zielführend.“
Bis dahin wird man zumindest als Laie diesen Eindruck nicht los: Das einzige, was kurzfristig hilft, wären Fahrverbote.

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