Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Von Mann zu Mann

Vertrauliche und offene Gespräche bei der kostenlosen ännerberatungsstelle „Mannsbilder“

Im Oktober 2020 wurden der in Innsbruck gegründete Verein um eine weitere Zweigstelle und der Bezirk Reutte um eine wichtige Institution reicher. Die „Mannsbilder“ bezogen ihre neuen Räumlichkeiten im Haus der Vereine in Reutte und haben seither sechs offene Ohren für alle Probleme, Sorgen und Herausforderungen für Männer und junge Burschen ab zwölf Jahren.
19. April 2021 | von Nadja Wolf
Von Mann zu Mann
Angenehme Atmosphäre in den Beratungsräumen bei den „Mannsbildern“.
Von Nadja Wolf.
„Ab wann ist ein Mann ein Mann?“ fragte Herbert Grönemeyer einst. Wie viel belastendes Stereotyp (klischeehaftes Bild, verallgemeinerndes Vorurteil, Anm. Redaktion) in dieser beschwingt vertonten Aussage liegt, ist vielleicht nicht auf den ersten Takt erkennbar. Jedoch spiegelt sie in Wahrheit ein Dilemma mit äußerst vielen Facetten wieder, die sich auf diverse Lebensbereiche auswirken. Alltagsüberforderung, verschwimmende und veränderte Rollen oder Mehrfachbelastungen sind dabei oft zentrale Themen. Franz-Peter Witting, René Huber und Andreas Reisigl bieten offene, ehrliche und fachkundige Gespräche von Mann zu Mann. Neue Ansichten, Perspektiven und Lösungsansätze werden gemeinsam erarbeitet. Das vermeintlich „Schwache“ steht nicht im Vordergrund. Jeder Mensch besteht aus Stärken und Schwächen, mittels fachlicher Beratung können diese in natürlichen Einklang gebracht und Lebenssituationen dadurch verbessert werden.
Die RUNDSCHAU besuchte die Beratungsstelle, um die „Mannsbilder“ hinter den „Mannsbildern“ kennenzulernen. In hellen, großzügigen Räumlichkeiten begrüßt mich das Team. Sofort fallen die stilvolle gemütliche Einrichtung sowie die großflächigen ausdrucksvollen Leinwandbilder von Robert Wilhelm aus Füssen in allen Räumen auf. „Es war uns wichtig, eine angenehme und behagliche Atmosphäre zu schaffen, in der man(n) sich wohlfühlt“, bestätigt Andreas den ersten Eindruck. Jeder Berater hat seinen eigenen Raum, so können die vertraulichen Gespräche gleichzeitig stattfinden.

RUNDSCHAU: Mit welchen Themen kommen die Männer zu euch?
Franz-Peter Witting: Das Beratungsspektrum ist umfangreich und führt etwa von Schwierigkeiten in der Partnerschaft und Familie, der Herausforderung des Vaterseins, Problemen in der Sexualität, Coming-Out, Orientierungslosigkeit, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder der Schule bis zu Gewaltthemen und Informationen zu rechtlichen Stellen. Wobei Gewalt hier zu Unrecht oft zentralisiert wird, vielmehr ist es der „ganz normale Alltagswahnsinn“ der Männer beschäftigt. Besonders oft hören wir auf Nachfrage dahingehend den überraschten und erleichterten Satz „Ach, dafür kann ich auch kommen!“ – Bei allen Themen und Beratungen gilt, wir arbeiten gemeinsam an der Veränderung, oder aber, wir arbeiten daran, welche weiterführenden Stellen für das Erreichen des jeweiligen Ziels hilfreich sind.

RS: Welche Männer melden sich bei euch?
René Huber: Das ist ganz einfach gesagt: Männer, die die Entscheidung getroffen haben, Verantwortung zu übernehmen und etwas ändern zu wollen – egal, worum es geht. Aus Hemmung – sich Hilfe zu holen –  ist der Leidensweg bis dahin bereits oft lange und intensiv. Nach Überwindung der Skepsis sind die ersten Eindrücke dann jedoch umso positiver – und nicht selten die Erkenntnis, besser schon viel früher gekommen zu sein. Teilweise entsteht der Erstkontakt auch auf Anraten von Freunden oder Familie, was durchwegs gut ist, denn das bedeutet, dass in der jeweiligen Beziehung die Hoffnung und der Wunsch nach Veränderung noch nicht aufgegeben wurden.

RS: Wie kann man den Ablauf beim Erstkontakt beschreiben?
Franz-Peter Witting: Man erreicht uns über Email oder Telefon, zu den Beratungszeiten kann man auch spontan vorbeikommen, um einen Termin zu vereinbaren. Der Beweggrund kann, aber muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegeben werden. Immer wieder erfahren wir aber bereits hier die Erleichterung darüber, den ersten Schritt getan zu haben, oder weil das Thema erstmals konkret ausgesprochen wurde. Generell können Termine relativ kurzfristig binnen zwei Wochen vergeben werden – je nach Zeitpunkt manchmal sogar ganz spontan am selben Tag. Ob es ein Termin oder mehrere werden, liegt dabei ganz bei den Männern.

RS: Wie kann man sich eure Herangehensweise und Arbeit vorstellen?
Andreas Reisigl: Jeder von uns bringt unterschiedliche Kompetenzen aus verschiedenen Fachrichtungen mit. In der Basis geht es jedoch immer um ein gutes, offenes Gespräch, das vom jeweiligen Berater durch seine Arbeitsweise und Methodik begleitet wird. Wichtiger Kern dabei ist die wertfreie und unvoreingenommene Begegnung mit dem Gegenüber und eine fachliche Beratung auf Augenhöhe. Da wir im Team wöchentliche Intervisionen (kollegiale Beratung) halten, profitieren die Männer zudem von allen unseren Kompetenzen. Dieser fachliche Austausch untereinander bereichert jede zu beratende Situation und wird natürlich anonym gehalten. Zudem dienen wir als Schlüsselstelle zwischen den Männern und verschiedenen öffentlichen Stellen (Schuldnerberatung, Eherecht, Suchtberatung, Polizei ect.).

Die Mannsbilder hinter den Mannbildern.
Das Team bildet eine breite Mischung aus Fachkompetenzen, Erfahrungen aus verschiedensten Lebensbereichen und beruflichen Werdegängen, von denen Männer und Burschen bei den Beratungen umfassend profitieren. Abschließend möchte die RUNDSCHAU noch einen besseren Eindruck davon bekommen, wen man(n) in der Beratungsstelle trifft: Das sind Männer, die aus verschiedenen Berufen, aber mitten aus dem Leben und all seinen Herausforderungen kommen. Dabei stellt sich auch die Frage nach deren größten Stärken und Schwächen. Das Team war sich darüber lachend schnell einig, dass die hervorzuhebende Eigenschaft dabei sowohl als auch ist. Eine Frage, die brennend interessiert: Wer sind nun die „Mannsbilder“ hinter den „Mannsbildern“? – sei hier beantwortet.

Franz-Peter Witting,
Jahrgang 1966. Mann, Vater, Partner, Sohn, Freund, Opa und begeisterter Hobbyhandwerker. Nach der abgebrochenen Handelsakademie und der Ausbildung zum Konditor führte der Weg über die katholische Jugendarbeit in den sozialen Bereich, in die Arbeit mit Menschen mit Behinderung und die Ausbildung zum Supervisor. Größte Stärke und Schwäche: „Unerschütterlicher Glauben an das Gute.“

Mag. Dr. René Huber,
Jahrgang 1982. Mann, Vater, Partner, Bruder, Sohn, Freund und und immer den perfekten Espresso jagend. Auf die Basis in Wirtschaftsinformatik folgte das Studium in Erziehungswissenschaften und seit vielen Jahren die Arbeit als Familienberater.  Größte Stärke und Schwäche: „Bin strukturiert.“

Andreas Reisigl,
Jahrgang 1979. Mann, Vater, Partner, Sohn, Freund, Bruder und absoluter Outdoor- und Naturliebhaber. Der Weg des gelernten Zimmerers ging über die Ausbildung zum Erlebnispädagogen in die soziale Richtung und führte dabei über einige Jahre zur MOJA Reutte (offene Jugendarbeit), die ISSBA Reutte und schließlich zum systemischen Berater. Größte Stärke und Schwäche: „Bin hinterfragend.“

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