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„Wichtig, wen Ihr nach Brüssel schickt“

21. Mai 2019 | von Nina Zacke
„Wichtig, wen Ihr nach Brüssel schickt“
Überzeugte Europäer: Europakandidat Michael Mingler, die frühere Europaabgeordnete Eva Lichtenberger und Bezirkssprecherin Regina Karlen von den Grünen. RS-Foto: Gerrmann

Die Außerferner Grünen informierten über ihre Ziele bei der EU-Wahl


Eine Richtungsentscheidung soll nach Auffassung aller die Europawahl vom 26. Mai werden. Die Außerferner Grünen ließen nun bei einem Diskussionsabend im VZ Breitenwang keinen Zweifel daran, wohin für sie die politische Reise in der EU gehen soll: „Heimat Europa“ lautete das Motto.

Von Jürgen Gerrmann

„Wir müssen dringend an unserem Europa arbeiten“, unterstrich dabei Bezirkssprecherin Regina Karlen gleich zu Beginn. Es sei sehr wichtig, dass ein geeintes, soziales, ökologisches Europa bewahrt oder geschaffen werde, das weiterhin ein großes Friedensprojekt sein könne.
Genau wie bei einer Veranstaltung der SPÖ Ende März hielt sich der Zustrom eher in Grenzen. Die, die da waren, bekamen zunächst einen fundierten Insiderbericht: Eva Lichtenberger saß selbst zehn Jahre für die Grünen im Europaparlament und wusste mit so manchem Vorurteil oder der einen oder anderen Falschmeldung aufzuräumen.
Sie beklagte dabei, dass der Heimatbegriff in den vergangenen Jahren vor allem von den Rechtsparteien „gegen Europa in Stellung gebracht“ worden sei. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass Hall und Tirol ihre engere, Europa aber ihre große Heimat sei: „Wenn man außerhalb der EU ist, merkt man unsere Gemeinsamkeit“, hat sie bei sich beobachtet.
Ein spannendes Parlament.

An erster Stelle nennt sie dabei den Sozialstaat, auch wenn der in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgeformt sei: „Das ist die Spezialität Europas.“ Sicher, es gebe Auswüchse des Kapitalismus: „Aber das kann man ändern. Und zwar durch wählen.“
Das Europaparlament habe viel mehr Macht, als die geringe Präsenz in den Medien erahnen lasse. Viele Wahlen und viele Abstimmungen auch im Parlament seien äußerst knapp ausgegangen: „Daher ist es wichtig, wen Ihr nach Brüssel schickt.“ Im Parlament, dem sie selbst angehört habe, sei es immer spannend: „Bei fast keiner Abstimmung weiß man, wie es ausgeht. Der Einzelne ist da viel wichtiger als in einem Nationalparlament.“ Auch die Transparenz sei größer als in den meisten Nationalstaaten: „Unter votewatch.eu kann man im Internet genau nachvollziehen, wer zu welchem Thema wie abgestimmt hat.“
Man vermöge im Europaparlament sehr wohl etwas zu bewirken, müsse dazu eben Allianzen schmieden: „Man kann auch als Vertreterin einer kleinen Partei eine Mehrheit organisieren, wenn man Abtrünnige aus anderen Fraktionen um sich sammelt.“ Das Entschädigungsrecht bei Verspätungen von Bahn oder Flugzeug habe zum Beispiel das Europaparlament gegen die Nationalstaaten durchgesetzt.
Grüne Ziele in Europa.

„Für meine Generation haben die Grenzen in Europa nie eine Rolle gespielt“, machte Landtagsabgeordneter Michael Mingler deutlich, warum er überzeugter EU-Bürger ist. Er steht auf Platz 12 der grünen Bundesliste und würde von Innsbruck nach Brüssel wechseln, sollten die Grünen in Österreich auf etwa 64 Prozent kommen (wovon eher wenige ausgehen). Das tut freilich seiner Leidenschaft keinen Abbruch: 17 Millionen Menschen arbeiteten als EU-Ausländer in einem der Mitgliedsstaaten, fünf Millionen jungen Leute seien in den Genuss des Erasmus-Programms gekommen, Europa garantiere Freiheit und Menschenrechte.
Gleichwohl liege einiges in der EU noch im Argen: „Die multinationalen Konzerne drücken ihre Interessen durch. Die großen Agrarbetriebe werden gegenüber den Kleinbauern bevorzugt. Glyphosat ist noch nicht verboten. Amazon und Co. zahlen so gut wie keine Steuern, und dieses Geld fehlt dann für Soziales“, nannte der 27-Jährige einige Beispiele.
Und dennoch (oder deswegen) gelte es, sich der „Bedrohung durch Nationalisten und Populisten“ entgegenzustemmen: „Wir brauchen Europa, um die zentrale Herausforderung zu meistern – den Klimawandel.“ Der Klimaschutz müsse in der EU höchste Priorität genießen: „Aber die Bundesregierung in Wien macht genau das Gegenteil. Österreich hat sich vom Öko-Musterland zu einem der Top-Klimasünder in Europa entwickelt.“ Vermutlich zehn Milliarden müsse die Republik bis 2030 an Strafzahlungen oder für den Kauf von Verschmutzungszertifikaten aufwenden. Dieses Geld hätte er viel lieber für eine ökologische Offensive verwendet: „Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der fossilen Energie.“
Transit und Europa.

Auch das große Thema Transit fehlte natürlich nicht: „Die den Dreck verursachen, zahlen viel zu wenig“, beklagte Mingler. Die Maut sei zu niedrig, die Frächter bezahlten ihren osteuropäischen Fahrern nur Hungerlöhne. Er forderte daher eine Mauterhöhung in ganz Europa, EU-weite Mindeststandards für die Beschäftigung der Lkw-Fahrer und eine Alpen-Transitbörse mit einer Deckelung auf eine Million Lkw-Fahrten. Leider sei es so, dass der Rat der Nationalstaaten nach wie vor echte europäische Lösungen blockiere: „Dieses Blockadeinstrument müssen wir zurechtstutzen und das EU-Parlament zum vollwertigen Parlament ausbauen.“
Nun gibt es ja Leute, die meinen, Tirol solle einfach seine Grenzen für Lkw sperren, wenn ein gewisses Limit erreicht sei, sich dann verklagen lassen und schauen, was dabei herauskomme. Davon hält Eva Lichtenberger indes wenig: „Mit der Brechstange kann man vielleicht kurzfristige Erfolge erzielen. Aber die werden dann hundertprozentig geklagt und wieder aufgehoben. Und wenn einmal was niedergeklagt ist, kriegt man es nur schwer wieder weg.“
Die Bürger und die EU.

„Was kann denn der einzelne Bürger schon machen?“ – Auch das fragt so mancher, wenn es um die EU geht. Auch das beruht für Lichtenberger auf einem Vorurteil. Sie meint nämlich: eine ganze Menge. Zum Beispiel? „Es gibt ein Petitionsrecht zu europäischen Themen, bei denen man sich an den Petitionsausschuss wenden kann. Zu den geplanten europäischen Gesetzen kann man im Rahmen der Konsultationen auch als normaler Bürger seine Meinung abgeben. Wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, kann man sich an den Bürgeranwalt wenden. Auch die Kommissare kann man direkt anschreiben.“

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