Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Wiesen im Klimawandel

Lieber artenreiche Blühwiese als Einheitsfettwiese

Auch für Wiesen gilt das Gleiche wie für uns Menschen: Zu viel Fett ist ungesund! Eine artenreiche Blumenwiese ist besser an den Klimawandel angepasst als die Einheitsfettwiesen. Darum ist auch in der Landwirtschaft ein Umdenken sinnvoll.
20. Juni 2022 | von Christine Schneider
Die Mähwiese am Hönig zeigt eine große Artenvielfalt. RS-Fotos: Schneider
Von Christine Schneider.
„In meiner Jugend konnte man am 17. Juni noch nicht in die Allgäuer Alpen zum Wandern gehen. Da lag noch viel Schnee“, beschreibt Magnus Lipp – Zitherspieler aus Reutte – den Klimawandel, der sich in 30 Jahren vollzogen hat. Und auch ich erinnere mich noch gut, dass ich Anfang Juli die Wege begehen musste, ob sie auch schneefrei sind, wenn ich mit einer Gruppe eine Wanderung in den Lechtaler- oder Allgäuer Alpen vorhatte. Doch dieses Jahr war ich am 18. Juni auf dem Hönig, und wieder einmal hat mich die Blumenpracht auf dem lehmigen Grasberg begeistert. Eine Artenvielfalt zeigt sich, allein wenn man  den Grat entlanggeht. Da wachsen  Trollblumen,  die Alpenküchenschelle, Alpenastern, Enzian, die Strauß-Glockenblume, die Alpenkratzdis-tel, Alpensüßklee, die Kugelorchis und viele mehr. „Um drei Wochen sind sie früher dran – dieses Jahr“, sagen die Bauern. Wenn man dann vom Hönig hinuntersteigt, Richtung Rastkopf, und ins Tal zum Lift, da blühen die Bergwiesen in bunten Farben, dass einem das Herz aufgeht, wie die Dichter der Romantik sagen würden. Mir geht es aber auch auf, und ich freue mich, dass es solche Wiesen überhaupt noch gibt. Auf diesen sogenannten Magerwiesen haben die Blumen Zeit, ihre Samen auszustreuen fürs nächste Jahr. Und meine Ohren können sich hier erholen vom Auto- und Motorradlärm, von Rasenmähern und Motorsägen, von Hubschraubern und Flugzeugen, von Baggern und Baumaschinen, von Straßenkehrmaschinen und Laubbläsern. Nein, das alles höre ich nicht, sondern Grillenzirpen, Bienensummen, Vogelgezwitscher, Grashüpfergesänge und sogar den Flügelschlag von Schmetterlingen. Nur manchmal höre ich das Dröhnen eines besonders lauten Motorrades an diesem Tag. Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen hierherkommen zum Wandern. Denn schon weiter unten im Tal Richtung Reutte und ins Allgäu hinaus dominieren die Fettwiesen, und der Lärm aller Art löst den Erlebnisraum Natur ab.

Fettwiesen. 
Die Wiesen um Reutte werden mindestens dreimal gemäht und danach gleich mit Gülle oder Jauche gedüngt. Im besten Fall ist es Mist, das sind feste Haustierexkremente. Bei der Jauche wird der gesammelte Harn der Kühe mit zum Teil aufgeschwemmtem Mist ausgebracht. Er ist reich an Kalium und Stickstoff. Bei der Gülle werden Harn und Mist mit Wasser aufgemischt. Die Nährstoffe sind einerseits für die Pflanzen sofort verfügbar, andererseits gelangt ein großer Teil wieder ins Wasser. In den letzten Jahrzehnten entstanden auch bei uns im Außerfern viele Fettwiesen, weil sie in den letzten Jahrzehnten immer mehr gedüngt wurden. Sie werden bis sechsmal gemäht, zu Ballen verpackt, in Plastik eingewickelt und als Silage verfüttert. Unter diesen Umständen schaffen es die meis-ten Pflanzen- und Tierarten nicht mehr, sich bis zur nächsten Mahd schnell genug zu regenerieren bzw. zu vermehren. Außerdem sind viele Wiesenpflanzen Hungerkünstler, die auf Nährstoffmangel spezialisiert sind. Ihnen bekommt die Düngung in Fettwiesen überhaupt nicht gut. So verschwand die bunte Blumenvielfalt in den meisten Talwiesen. Da blieben nur wenig dominante Arten übrig. Manchmal sind es nur mehr zehn, die mit diesen Lebensbedingungen umgehen können. Man erkennt die Fettwiesen an ihrer monoton gelb-weißen Farbe. Sie wird hervorgerufen durch das massenhafte Auftreten von Löwenzahn, Scharfem Hahnenfuß oder weißen Doldenblütlern wie Wiesenkerbel. Stinkende Gülle- und Mistteppiche auf Wiesen sind also ein sicheres Indiz für den Biodiversitätsverlust dieses Lebensraumes.

Zu trocken.
Doch in vielen Regionen Österreichs und Tirols haben die Bauern jetzt andere Sorgen. Es ist die Trockenheit, die ihnen nun zu schaffen macht. Gerade im Oberland an den südlich ausgerichteten Hängen herrscht inzwischen Dürre. Und die Zahl der Dürreperioden steigt weiter an. Immer öfters passiert es, dass die Bergwiesen wie bei Fließ überhaupt nicht mehr ergrünen und es muss Heu zugekauft werden. Da die Luft immer wärmer wird, nimmt sie mehr Wasser auf und dieses fehlt dann dem Boden. Nur wenige Wiesen halten den neuen Bedingungen stand, weil sie darauf ausgelegt sind, schnell und üppig zu wachsen. Ertragreiche Flächen sind anfällig und wenig resistent gegenüber Trockenheit, und sie brauchen viel mehr Wasser im Vergleich zu einer Mager- oder Trockenwiese. Diese haben ja gelernt, mit extremen Temperaturen und Bedingungen umzugehen. Glatzl Josef, seit mehr als 30 Jahren Biobauer in Haimig, meint, dass es bei ihnen immer schon trocken war, auch im Mittelalter. Darum haben die Bauern im Tiroler Oberland bereits vor 800 Jahren Waalwege als Bewässerungssysteme angelegt. „Jetzt werden sie wieder vermehrt genutzt.“ Der Ökologe Michael Bahn rät dazu, dass sich die Bauern besser auf Dürren vorbereiten müssen, wieder vermehrt dürreresistente Pflanzen säen und das Überdüngen  beenden sollen.
Wiesen im Klimawandel
Oben am Grat des Hönig wachsen auch Alpenastern.

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