Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Wir müssen das Kirchturmdenken überwinden“

Reuttes Bürgermeister Günter Salchner besitzt kein „Reutte-gegen-Breitenwang-Gen“

„Herr Bürgermeister – NEIN zum Logistikzentrum im Wohngebiet Kreckelmoos“ – mit diesen Plakaten zeigt der ehemalige Breitenwanger Vize-Bgm. und Landwirt Walter Hackl ganz deutlich, was er von der geplanten Ansiedelung eines Logistikzentrums der Gebrüder Weiss an der B179 hält. Wo geklagt wird, braucht’s auch einen Schuldigen. Der schien gefunden...
24. Mai 2021 | von Sabine Schretter
„Wir müssen das Kirchturmdenken überwinden“
Reuttes Bürgermeister Günter Salchner erklärt, wie die Flächen im Bereich Kreckelmoos gewidmet sind. Lila sind jene Gewerbeflächen ausgewiesen, auf denen auch das Logistikzentrum angesiedelt würde. RS-Foto: Schretter
Von Sabine Schretter.
... und heißt Günter Salchner, seit kurzem amtierender Bürgermeister der Marktgemeinde Reutte. Er lud zu einem Pressegespräch, bei dem einige Sachverhalte geklärt werden konnten. „Ich soll an vielem schuld sein. Daran, dass durch das Logistikzentrum nur drei Arbeitsplätze geschaffen würden, die Grünlandversiegelung fortschreiten würde und mit 25.000 Lkw-Fahrten pro Jahr zusätzlich gerechnet werden müsse. Ein weiterer Angelpunkt, der in den Raum gestellt wurde, ist, dass mit der Ansiedelung des Logistikzentrums das Fahrverbot für transitierende Lkw von mehr als 7,5 Tonnen umgangen werden soll“, so Günter Salchner eingangs. Nach gerade einmal drei Wochen Amtszeit sah er sich mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert.

Die Raumordnung.
Dass das geplante Logistikzentrum nicht im Wohngebiet, sondern eindeutig auf einer bereits Ende der 70-Jahre gewidmeten Gewerbefläche errichtet wurde, konnte Salchner anhand einer Grafik eindeutig aufzeigen. Die 40 Jahre zurückliegende Widmung  in Gewerbegebiet (wofür es keine Einschränkungen gibt), war im Zusammenhang mit dem Bau der B179 (Umfahrung) erlassen worden. Die Lage an der B179 erweist sich als Vorteil für ein Logistikzentrum, denn „so viele Möglichkeiten gibt es nicht, wo man mit Lkw relativ schnell auf die B179 kommt“, argumentiert  Reuttes Bürgermeister.
Das Areal auf der anderen Seite der B179, wo auch der „Tauernhof“ der Familie Hackl steht, wurde Ende der 70-Jahre als Bauerwartungsland für Wohnen und dann – nach einer Gesetzesnovelle in den 90-Jahren – als Baugebiet gewidmet. Allerdings wird dort nicht nur gewohnt. Dort befinden sich auch die Standorte des Bauhofs der Gemeinde Breitenwang, der Firma Stolz und eben eines gro-ßen landwirtschaftlichen Betriebs, des „Tauernhofes“ der Familie Walter Hackl. Dieser Bauernhof wurde nach dem Konzept „Aussiedlerhof“ dort errichtet, wo genug Fläche vorhanden ist und die Emissionen (Lärm und v.a. Geruch) wenig stören.
Paradox sei, dass vor etwa sechs bis sieben Jahren Grundeigentümer (darunter die Familie Hackl) ein Baulandumlegeverfahren in Angriff nahmen und folgend rund um den „Tauernhof“ viele Parzellen für die „flächenfressende“ Errichtung von Einfamilienhäusern entstanden. Für Günter Salchner unverständlich, habe doch Tirols LK-Präsident Josef Hechenberger zum verantwortungsvollen Umgang mit Grund und Boden aufgefordert. „Und jetzt stellt ein Landwirt wertvolles Grünland für Wohnbau zur Verfügung“. Fazit: Die Situation bzw. Flächenwidmungsplan und Raumordnungskonzept sind seit 40 Jahren bekannt.

Kein Reutte-gegen-Breitenwang-Gen.
Sich in Scharmützeln zu verlieren sei unsinnig, so Salchner. „Ich habe eine gute Gesprächsbasis mit der Gmeinde Breitenwang, die lass ich mir auch nicht zerstören.“ Vielmehr sollten sich Gemeinden in Widmungsfragen besser abstimmen, besser abwägen, wo sich gute Standorte für Unternehmen befinden – unabhängig von Gemeindegrenzen. Auch beim Land Tirol wird in diese Richtung gedacht, gibt es doch ein Förderprogramm für die Planungsverbände, das diese bei der besseren Umsetzung ihrer Kernaufgaben (z. B. örtliche Raumordnung) unterstützt.
„Der Standort für das Logistikzentrum im Kreckelmoos ist sehr gut. Lager-  und Logistikflächen gibt es im Bezirk Reutte kaum, der Bedarf bei der regionalen Wirtschaft dafür ist indes groß“, stellt Salchner fest. Für Waren, die aus dem Norden kommen, stehen zwei Logistikzentren in Kempten und Memmingen zur Verfügung, für Waren, die aus dem Süden ins Außerfern kommen, die Logistikzentren im Inn-tal. Ein Transport mit Sattelschleppern über den hoch frequentierten Fernpass bleibt nicht aus. Ein Logis-tikzentrum im Bezirk Reutte wäre also primär für die ortsansässige heimische Wirtschaft tätig, zusätzlicher Transitverkehr und Ziel- und Quellverkehr sind nicht zu befürchten. Sogenannte „Pick-Up-Points für Privat- und Firmenkunden würden zusätzlich den Kleintransportverkehr reduzieren und gemeinsam mit Shuttlediensten zu einer Bündelung von Kundenaufträgen beitragen. Das Geschäftsmodell der Gebrüder Weiss basiert demnach nicht auf einer Umgehung des Lkw-Fahrverbots, sondern darauf, Fahrten über den Fernpass zu reduzieren und ein logistisches Angebot für das Außerfern zu schaffen. 30 zusätzliche Arbeitsplätze und Lehrstellen würden geschaffen. Die Frage, wie viel Kommunalsteuer pro Jahr die Marktgemeinde Reutte durch das Logistikzentrum lukrieren würde, konnte Bgm. Salchner nicht beantworten. Auch wie es  mit den Themen Oberflächenwasser und Amphibienschutz aussieht, läge nicht in seinem Aufgabenbereich. Bei jedem Bau muss nachgewiesen werden, dass das Oberflächenwasser versickert bzw. wie es – wenn notwendig – ausgeleitet wird. Das ist Sache eines Wasserrechtsverfahrens und liegt nicht beim Bürgermeister. Der Amphibienschutz wiederum erfordert ein naturschutzrechtliches Verfahren und ein entsprechendes Gutachten. Darauf basierend wird es Auflagen geben. „Der Naturschutz kann ein geplantes Projekt auch zum Kippen bringen“, so Günter Salchner dazu.
Vonseiten der Firma Gebrüder Weiss gibt es ein klares Bekenntnis zum Standort und zur sozialen und ökologischen Verantwortung. Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, bis 2030 klimaneutral zu sein – auch mit dem geplanten Standort Reutte.

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