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Zu wenig Kindergartenplätze in Reutte

Möglichkeit des unterjährigen Einsteigens soll so bald als möglich gegeben sein

Allen Kindern in Tirol, die bis zu einem bestimmten Stichtag im September vier oder fünf Jahre alt werden, soll es möglich sein, für 20 Stunden pro Woche gratis einen öffentlichen Kindergarten zu besuchen. Eigentlich – denn weil die räumlichen und personellen Kapazitäten oft ausgeschöpft sind, fehlen Kindergartenplätze. Eine belastende Situation für Eltern und Familien.
14. Feber 2022 | von Sabine Schretter
Zu wenig Kindergartenplätze in Reutte
Derzeit liegt beim Eltern-Kind-Zentrum in Reutte eine lange Warteliste auf. Garantie auf einen Platz in der Kinderbetreuung kann keine gegeben werden. Man wird sich für die Zukunft etwas einfallen lassen müssen. Foto: Privat
Von Sabine Schretter.
Für jüngere Kinder, die nicht zu Hause betreut werden können, stehen in sehr vielen Tiroler Gemeinden Kinderkrippen zur Verfügung. Im Gegensatz zum Kindergarten muss für den Besuch dieser Einrichtungen meist ein Beitrag bezahlt werden. In der Marktgemeinde Reutte bieten das Eltern-Kind-Zentrum Reutte, das Josefsheim und die Kinderkrippe Mühlmäuse die Betreuung für die Kleinen an. Alle diese Einrichtungen sind sehr gut besucht, stoßen räumlich und personell an ihre Grenzen. Entzerrt soll das werden, indem Kinder bereits ab drei Jahren einen öffentlichen Kindergarten besuchen können. Großes Plus für die Eltern: Der Kindergartenbesuch ist gratis.

Die Krux ist,
dass die Realität mitunter anders ausssieht, erfuhr die RUNDSCHAU vor Kurzem von der Mutter eines dreijährigen Kindes. Der dritte Geburtstag fällt auf ein Datum knapp jenseits des September-Stichtags, für das Kind gibt es daher keinen Platz im Kindergarten des Wohnsprengels. „Es geht da nur um ein paar Tage“, klagt die Mutter ihr Leid, „wir sind sehr zufrieden mit dem Angebot im EKIZ Reutte, das wir bisher mehrmals in der Woche sehr gern nutzten. Auch unser Kind geht gern dort hin, es gefällt ihm sehr gut im EKIZ. Wir wollten aber im Herbst gern in den Kindergarten wechseln und mussten nun erfahren, dass es keinen Platz für unser Kind gibt, weil der dritte Geburtstag eben erst nach dem Stichtermin ist.“ Im Kindergarten gibt es zu wenig Plätze, daher ist der Stichtag einzuhalten – zum Leidwesen der Kinder, die im September geboren wurden – und deren Eltern. Ein unterjähriges Einsteigen in den Kindergarten ist in Reutte bis dato nicht möglich. Auf Nachfrage beim EKIZ Reutte hin bestätigte Nicole Skabraut, neben Petra Grill eine der beiden EKIZ-Geschäftsführerinnen, dass ihr der Fall bekannt und bei weitem nicht der einzige sei. „Ja, es ist leider so. Auch wir haben derzeit eine sehr lange Warteliste und können leider keine Garantie auf einen Platz bei uns geben. Wir sind räumlich und personell ausgelastet und es ist nicht möglich, mehr als zwei Gruppen zu führen.“ Ein großes Problem ist die Reduzierung der Standortförderung seit Pandemieausbruch. „Wir erhalten diese Förderung vor allem für die elternbildenden Maßnahmen. Seit Corona kann nicht mehr alles in vollem Umfang stattfinden, die Förderungen gingen zurück. Auch die Zuschüsse, die wir von den Gemeinden erhalten, aus denen die Kinder unserer Gruppen kommen, gleichen das nicht aus.“ Dass Eltern ihre Kinder mit drei Jahren lieber in den Kindergarten schicken, kann Nicole Skabraut verstehen. „Es geht hier auch um die Kosten. Wenn ein Kind keinen Platz erhält, kann es selbstverständlich gern weiter bei uns bleiben. Wenn die Betreuungstage aufgestockt werden sollen, versuchen wir, auch dafür eine Lösung zu finden.“ Auch der betroffenen Mutter wurde das zugesichert. „Ihr Kind ist ja schon bei uns in einer Gruppe und kann natürlich auch im Herbst wieder kommen.“ Dieses Angebot hilft der Familie fürs Erste. Dennoch bleiben Zweifel, dass zeitnah und nachhaltig an einer Lösung gearbeitet wird.

Ein Muss.
Mit dem Thema konfrontiert, erklärte Reuttes Bürgermeister Günter Salchner der RUNDSCHAU: „Die Möglichkeit des unterjährigen Kindergartenentritts zu schaffen, beschäftigt mich sehr. Ich kenne das Problem aus eigener Erfahrung, da meine Tochter auch im September geboren ist und  mit drei Jahren keinen Kindergartenplatz erhielt.“ Schon im Zuge des „Audits familienfreundlichegemeinde“, an dem Reutte teilnimmt (Ziel des Audits ist, das Vorhandensein familienfreundlicher Maßnahmen in der Gemeinde zu identifizieren und den Bedarf an weiteren zu ermitteln), brachte Salchner vor, die Stichtagsregelung als nicht mehr zeitgemäß zu überdenken und abzuschaffen. Es sei eine langgelebte Praxis, aber heutzutage nicht mehr sinnvoll. „Mein familienpolitisches Ziel ist es, den unterjährigen Kindergarteneintritt möglich zu machen. Das geht nicht von heute auf morgen und es bedarf einer soliden Basis, nämlich eines pädagogischen Konzepts und dem Vorhandensein der räumlichen und personellen Ressourcen.“ In Zukunft soll es möglich werden, einmal pro Jahr oder einmal pro Semester unterjährig von der Kinderkrippe in den Kindergarten zu wechseln. Wichtig in diesem Prozess ist die Einbindung der Kindergartenleitungen und der Pädagoginnen. „Für die Bereitstellung dieses Angebots ist eine gutes Zusammenspiel zwischen Kinderkrippen und Kindergärten unerlässlich. Ziel ist, allen Kinder ab dreieinhalb Jahren den Eintritt in einen Kindergarten zu ermöglichen.“ Es gehe natürlich um die Kosten, die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder tragen müssen, aber auch um ein altersgerechtes pädagogisches Angebot, das die Kinder bestmöglich fördert. „Ich könnte mir vorstellen, in den Krippen die dreijährigen Kinder zu einer Gruppe zusammenzubringen und auch deren Eltern finanziell mehr zu unterstützen. Der Unterschied zum Kindergarten wäre dann nicht ganz so groß.“ Es gibt also einiges zu tun in Sachen Kinderbetreuung. Das bestätigt auch Reuttes Vize-Bgm. Klaus Schimana gegenüber der RUNDSCHAU. „Das Problem ist bekannt, ein unterjähriger Kindergarteneintritt wäre natürlich für Eltern und Kinder super – wenn wir es von den Kapazitäten her schaffen.“ Die bestehende Situation sei auch ein Auswuchs des rasanten Wachstums der Marktgemeinde in den letzten Jahren. „Unsere Kindergärten sind an den Grenzen ihrer Kapazitäten angelangt. Der Zubau beim Mary Schwarzkopf Kindergarten kann natürlich bei weitem nicht alles abfangen. Zu überlegen ist sicher auch, einen zusätzlichen Kindergarten an einem neuen Standort zu errichten. Vorausgesetzt, wir finden auch die pädagogischen Fachkräfte, die sich dort dann um die Kinder kümmern.“ Für die Mutter und ihr dreijähriges Kind ist es ein kleiner, aber immerhin ein Trost, dass man sich seitens der Marktgemeinde der Verantwortung sehr wohl bewusst ist. Es ist ein Thema das keinen Aufschub mehr duldet – damit wird sich die Politik zu beschäftigen haben. Unabhängig davon, wer nach dem 27. Februar Bürgermeister von Reutte sein wird.

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