Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Zunft-Zeitreise zu „Kollegen“

Bruderschaft St. Joseph zu Bichlbach informierte sich über Arbeiten an Ehrenberg

Maurer, Stuckateure und Zimmerleute – sie waren vor 332 Jahren die Gründerväter der Zunftbruderschaft St. Joseph zu Bichlbach. Heute hat sich das Mitgliederspektrum wesentlich erweitert und man kümmert sich in erster Linie um den Erhalt der Zunftkirche und die Überlieferung der Tradition im Zunftmuseum. Am Donnerstag vergangener Woche kam man freilich den eigenen Wurzeln ganz nah: bei einer Führung durch die Burgruine Ehrenberg.
27. Juni 2022 | von Jürgen Gerrmann
Voll in seinem Element: Armin Walch (rechts), Geschäftsführer der Burgenwelt Ehrenberg, erläutert der Zunftbruderschaft St. Joseph zu Bichlbach Geschichte und Fortgang der Renovierungsmaßnahmen der Burgruine Ehrenberg. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Einen kompetenteren Führer hätten sich die Zunftbrüder und -schwestern dabei nicht wünschen können: Armin Walch, Geschäftsführer der Burgenwelt Ehrenberg, führte sie durch das alte Gemäuer, das quasi ständig restauriert wird und dabei fast wöchentlich Überraschungen unter den Bergen von Steinen, die da bewegt werden, bereithält.
Es war wohl eine Rettung in letzter Sekunde: „Wenn nicht Friedel Schennach 1970 mit der Sicherung begonnen hätte, gäbe es heute nichts mehr“, ist sich der Architekt, der mittlerweile selbst zum „Gesicht“ des Projekts geworden ist, gewiss.
Über 500 Jahre sei Ehrenberg das prägende Element der Region gewesen: „Wirtschaftlich, politisch, verwaltungstechnisch und militärisch.“ Diese Bedeutung wieder ablesbar zu machen, ist das große Anliegen Walchs und seiner Mitstreiter. Und dabei geht man behutsam vor und muss archäologischen Spürsinn walten lassen. Denn es existiert kein einziger Plan dieser riesigen vierteiligen Anlage aus der jeweiligen Bauzeit. Setzt man das alte Gemäuer instand, ist die Originaltreue oberstes Prinzip: „Nur was authentisch belegbar ist, wird auch so gebaut.“ Und zwar mit denselben Materialien und Techniken wie in alter Zeit. Beispiel gefällig? „Früher wurde nur mit Kalk gemörtelt – und das machen wir jetzt auch. Und wir verwenden nur Originalsteine.“ Für das Ausleben irgendwelcher Ritter-Fantasien gibt es keinen Millimeter Spielraum. Was da immer weiter emporwächst, nachdem zuweilen hunderte Tonnen Schutt wöchentlich zur Seite geräumt werden müssen, ist historisch belegt und kein „Fake-Mittelalter“, wie etwa in Neuschwanstein.
In der Pflege der Geschichte, aber auch der Handwerkstradition sieht Walch daher das verbindende Element zwischen Ehrenberg und der Zunftbruderschaft. Und so war diese Exkursion für die Besucher denn auch eine Zunft-Zeitreise zu alten „Kollegen“, vor deren Leistung man allergrößte Hochachtung empfand.

MAURER AUS WELSCHTIROL.
Als Graf Meinhard von Tirol vor gut 700 Jahren die erste Burg auf dem Ehrenberg errichten ließ, kannte man noch keine Zunft im heutigen Außerfern. Und dennoch spielte eine Kerngruppe exzellenter Handwerker die zentrale Rolle: „Er ließ eine Gruppe von sechs, sieben italienischen Maurern aus Welschtirol kommen, die sehr viel Erfahrung im Burgenbau hatten“, erzählt Walch. Das habe völlig ausgereicht, denn die Einheimischen hätten ja Frondienste leisten und ihnen zuarbeiten (also etwa Sand, Zuschlagstoffe, Steine, Kalk und Holz reichen) müssen: „Das war eine effiziente Arbeitsteilung. Der Bau einer Burg war fast dasselbe wie heute der eines Einfamilienhauses. An allen Ecken und Enden stand eine. Das hat zum politischen Machtspiel gehört. Damit hat man Besitzansprüche geltend gemacht.“

SOLDATEN ALS BAUARBEITER.
Ab dem späten Mittelalter sei dann der Bau von Militäranlagen (wie der Festung Ehrenberg) eine Sache der Soldaten selbst gewesen. In Friedenszeiten seien die in ihren erlernten Berufen wie Steinmetz, Maurer oder Baumeister tätig gewesen und hätten dabei natürlich auch ihre militärische Erfahrung und Erfordernisse mit eingebracht. Und sie hätten in einem atemberaubenden Tempo gearbeitet: Das Hornwerk mit zehn Kasematten (überwölbten Kanonenständen mit zweieinhalb Meter dicken Mauern ringsum) sei 1733 begonnen und im Jahr 1734 fertiggestellt worden: „Wir haben drei Jahre zur Sanierung gebraucht!“ Aktuelle Messungen hätten gezeigt, dass es nicht einen Zentimeter Abweichung vom Idealzustand gegeben habe: „Das ist eine Genauigkeit, die heute noch unvorstellbar ist.“

DIE BAUHÜTTE VON HEUTE.
Auf uralten Traditionen fußt auch die Arbeit der Bauhütte, die den Löwenanteil der Restaurierungsarbeiten ausführt. Diese Einrichtungen habe man im Mittelalter gegründet, um Erfahrung und Know-how weiterzugeben. Das bewähre sich auch jetzt. Vergebe man die Arbeiten an wechselnde Firmen, müsse man immer wieder bei Null anfangen, bei der (zurzeit neun Leute starken) Bauhütte habe man diesen Punkt Null  nur einmal passieren müssen. Und es gibt noch weitere Vorteile: „Wissen und Routine gehen nicht verloren, sondern werden in der Region gebunden.“ Zumal die Non-Profit-Organisation (dieses Konstrukt ermöglicht übrigens ein kostengünstigeres Bauen) seit 2019 auch ausbilde. Menschen aus Tadschikistan, Syrien, der Türkei, Uganda und der Elfenbeinküste legten hier bei diesem prägenden Element der Außerferner Heimatgeschichte mit Hand an und begeisterten sich auch für Fortbildungen – wie neulich mit einem schottischen Steinmetzmeister. „Mis-ter Ehrenberg“ freut sich: „Die Bauhütte ist der Garant, dass die  Kompetenz in der Burgenarchäologie in der Region bleibt. Die Leute leisten in ihrer harten Arbeit Enormes. Und das wird belohnt durch ihren fast kindlichen Ansatz der ,Schatzsuche' in den alten Mauern.“

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