Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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100 Jahre Unterhaltung und Wissensvermittlung in Reutte

Die Bücherei feiert einen runden Geburtstag. Die RUNDSCHAU ist der erste Gratulant

Die Reuttener Bücherei wird 100 Jahre alt. Zum 100-jährigen Jubiläum hat Büchereileiterin Sonja Kofelenz der RUNDSCHAU spannende Einblicke in die Geschichte der Bücherei gegeben, über Bücherschwund in der Nazizeit gesprochen und tolle Veranstaltungen für 2021 offenbart, von einer literarisch-kulturellen Reise bis hin zur Lesung mit erotischer Literatur.
25. Jänner 2021 | von Johannes Pirchner
100 Jahre Unterhaltung und Wissensvermittlung in Reutte
Heute präsentiert sich die Bücherei Reutte großzügig und einladend. 
Von Johannes Pirchner.
RUNDSCHAU: Liebe Sonja, die Reuttener Bibliothek feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Wie kam es zu dieser Gründung?
Sonja Kofelenz: Die Geschichte der Reuttener Bücherei reicht sogar noch bis ins Jahr 1869 zurück. Es gab damals einen Leseverein. Später, nach dem I. Weltkrieg, wurde die Tertiaren-Bibliothek im Franziskanerkloster eröffnet. Dies war im April 1920. Auf Anraten wurde der Name dann 1921 von Tertiaren-Bibliothek auf Volksbibliothek umbenannt. So wurde das Jahr 1921 unser Gründungsjahr.

RS: Wie viele Werke befanden sich zu Beginn ungefähr im Besitz der Bücherei?
Sonja Kofelenz: Zu Beginn, also 1921, waren 2.400 Bücher im Bestand. Im Jahr 1939 belief sich der Bestand bereits auf rund 8.800 Bücher, so viele haben wir in etwa auch heute. Während der NS-Zeit wurde die Bücherei in den Gemeindebesitz überführt und erst nach Ende des II. Weltkriegs wieder an die Franziskaner zurückgegeben. Nach Statistiken aus dem Jahr 1976 hatten wir da nur noch 2.900 Bücher. Wie dieser „Schwund“ zusammengekommen ist, kann nicht genau hergeleitet werden. Ob die Bücher während der Kriegswirren verloren gegangen sind, verbrannt oder von den Nazis ausgemustert wurden, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, aber sehr wahrscheinlich. Heute sind wir wieder auf einem Bestand von 8.705 Medien.

RS: 2007/2008 übersiedelte die Bücherei Reutte in die Planseestraße. Welche Gründe gab es für den Umzug damals?
Sonja Kofelenz: Der Raum im Kloster platzte regelrecht aus allen Nähten und erfüllte auch nicht mehr die Anforderungen einer modernen Bücherei. So war der Zugang über die Kirche beispielsweise nicht barrierefrei. Als wir dann noch den Bestand der aufgelassenen AK-Bibliothek übernahmen, gab es eindeutig zu wenig Platz. Wir haben dann Gespräche mit der Gemeinde geführt. Entweder, wir machen es richtig – oder gar nicht. So übernahm dann die Gemeinde die Bibliothek in Kooperation mit dem Museumsverein als Betreiber und Organisator. So hat die Bücherei einen neuen Platz in der Planseestraße gefunden.

RS: Wie viele Veranstaltungen finden in einem normalen Jahr statt?
Sonja Kofelenz: 2019 hatten wir 81 Veranstaltungen in der Bücherei. Dazu gehörten u. a. Lesungen von Autoren, Vorträge, Schulklassenbesuche, unser Adventkränzchen und natürlich die literarisch-kulinarische Reise. 

RS: Welche war die beeindruckendste Veranstaltung, der du beiwohnen konntest oder die von dir organisiert wurde?
Sonja Kofelenz: Ein Höhepunkt sind sicher immer unsere inszenierten Lesungen. So hatten wir einmal eine Lesung mit Musik, von und über Mozart, eingekleidet in historischen Kos-tümen mit typischer Mozartperücke. Ebenfalls in guter Erinnerung bleibt uns auch das Nachspielen von Szenen aus dem Buch „Schwiegermutter süß-sauer“. Besonders wichtig für uns ist es aber auch, gerade einheimischen Autoren aus der Region eine Bühne für Buchlesungen zu bieten. Wir fördern diese mit Werbung und Plakaten. 

RS: Welche Schwerpunkte bietet ihr als Bibliothek für Schüler und Studenten?
Sonja Kofelenz: Wir bieten für Vorwissenschaftliche Arbeiten (VWA) und Diplomarbeiten Workshops u. a. darüber an, wie man richtig recherchiert. Außerdem geben wir Hilfestellung bei Literatursuche und Literaturbeschaffung, auch eine Fernleihe ist kein Problem. Unsere hauseigene Studienbibliothek stellen wir zum Recherchieren zur Verfügung. Für die Volksschulen machen wir Workshops – z. B. wie ein Buch entsteht oder Arbeiten mit Wörtern/Sätzen. So ist für jede Altersgruppe etwas dabei. Im Moment gibt es auf unserer Webseite Bilderbuchkinos, von uns gelesen.

RS: Welche Veranstaltungen werden in diesem Jahr zum 100-Jahre-Jubiläum stattfinden, vorausgesetzt die Pandemie lässt es zu?
Sonja Kofelenz: Mit der Pandemie ist eine Planung schwierig. Jedoch ist einiges geplant und im Notfall werden auch wir auf Distance Reading ausweichen! Fürs Frühjahr ist die Buchpräsentation „Wir Zwei umrunden die Isle of Wight“ geplant. Im Juni steht unsere literarisch-kulinarische Reise ganz im Schwerpunkt von „Literatur vor 100 Jahren“. Im August ist der Festakt geplant und im November wird es heiß. Da findet eine Lesung mit erotischer Literatur statt. Dies ist nur ein Auszug, weitere Veranstaltungen mit genauem Programm und Terminen können immer auf unserer Homepage nachgelesen werden. Auf alle Fälle freuen wir uns jetzt schon auf ein spannendes Jubiläumsjahr.

RS: Wie wird eigentlich entschieden, welche Bücher ihr neu anschafft und wie werden diese Neuanschaffungen finanziert?
Sonja Kofelenz: Finanziert werden die Neuanschaffungen aus eigenen Einnahmen und Subventionen von Bund und Land. Bei den Bestellungen richten wir uns nach Bestellerlisten und auch Leserwünschen. Natürlich bekommen wir viele Buchkataloge und informieren uns auf der Frankfurter Buchmesse.

RS: Wie viele Leute arbeiten in der Bibliothek mit?
Sonja Kofelenz: Im Moment sind 16 Bibliothekarinnen und ein Bibliothekar im Verleihdienst beschäftigt. Die Arbeit mit meinem Team funktioniert wunderbar. Ein herzliches Dankeschön an meine ehrenamtlich arbeitenden Mitarbeiter, ohne sie wäre eine so gut funktionierende Bücherei nicht möglich. 

RS: Wie viele Leser habt ihr derzeit?
Sonja Kofelenz:  Also derzeit haben wir 779 eingetragene Leserinnen und Leser. Wirklich besucht haben uns im letzten Jahr ca. 400 Leser. Zur Verteilung in Gruppen sticht heraus, dass derzeit ca. zwei Drittel unserer Leser weiblich sind, nur ein Drittel ist männlich. Die Jugendlichen sind die Gruppe, die am wenigsten präsent ist. 

RS: Hast du einen Tipp, wie man Lesemuffel motivieren kann?
Sonja Kofelenz: Das ist sicher schwierig. Um einen Lesemuffel zum Lesen zu bringen, braucht es einfach das richtige Buch, das ihn sofort fesselt und in die Geschichte hineinzieht. Aber es ist letztlich sekundär, was jemand liest, egal, ob Comic oder eine Zeitschrift. Auch unser Angebot an Hörbüchern und Zeitschriften ist toll. Einfach nach dem Lockdown, wenn wir wieder öffnen dürfen, vorbeischauen! Es findet sicher jeder etwas.

RS: Welche Leistungen bietet ihr im Moment an?
Sonja Kofelenz: Einmal in der Woche mache ich im Talkessel eine Zustellrunde, damit spannender Lesestoff gerade während des Lockdowns nicht ausgeht. Auf Anfrage stelle ich dann ein Überraschungspaket an Literatur bzw. die gewünschten Bücher zum Liefern zusammen. Aus Rückmeldungen weiß ich, dass wir den Geschmack aufgrund der Lesegewohnheiten recht gut treffen. Ganz wichtig: Die Bücherei ist nicht nur für Bewohner aus Reutte da! Jeder kann sich als Leser eintragen lassen!

RS: Danke für das Gespräch und Glückwunsch zum Geburtstag!
 
100 Jahre Unterhaltung und Wissensvermittlung in Reutte
Eine unfangreiche Auswahl an Zeitschriften wartet auf die Leser. RS-Fotos: Pirchner

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