Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Aufbruchstimmung im Bschlabertal

Im Gespräch mit dem Team des Kunstfestivals Medienfrische

Am 26. Juni 2022 fand das fünfwöchige Kunstfestival im Bschlabertal mit dem Konzert von Manu Delago, über das die RUNDSCHAU in der letzten Ausgabe bereits berichtete, ein Ende. Zwischen den letzten Organisationen und dem endgültigen Kofferpacken fanden Daniel Dlouhy, Leiter des Festivals sowie Alina Murauer, Verantwortliche für Öffentlichkeits- und Pressearbeit, noch Zeit für ein persönliches Gespräch im neu entstandenen „Kino“ in Bschlabs.
4. Juli 2022 | von Marlen Perl
Aufbruchstimmung im Bschlabertal
Alina Murauer und ... Foto: Klinger
Von Marlen Perl.
RUNDSCHAU: Welches Resümee zieht ihr als Team der Medienfrische aus den letzten fünf Wochen?
Daniel Dlouhy: Es ist wirklich viel besser gelaufen, als wir dachten. Das ganze Konzept hat funktioniert und ich persönlich habe im Vorfeld nicht daran geglaubt, dass alles so gut gelingt. Auch die Verbindung zwischen BewohnerInnen im Dorf und den KünstlerInnen, dass sich alle so gut verstehen, ergänzen und bereichern, war schön mitanzusehen. Es waren über 70 KünstlerInnen hier und mit den ganzen Einladungen waren über 150 Personen von unserem kleinen, achtköpfigen Team zu betreuen. Alle die da waren sind als Freunde und als glückliche Menschen wieder gefahren und sind begeistert vom Tal, den Erfahrungen und diesem Austausch, der hier wirklich tagtäglich gelebt wurde. Es gibt natürlich immer noch ein paar, die das Projekt nicht mögen, aber man kann nicht erwarten, dass sich alle für dieselbe Sache begeistern.

RS: Wie würdet ihr euer Tätigkeitsfeld in den letzten Wochen beschreiben?
Daniel Dlouhy: Grundsätzlich hat jeder vom Team verschiedenste Tätigkeiten übernommen und alles gemacht, von Rechnungen überweisen bis hin zum Klo putzen, das ist aber auch ganz normal bei so einer Veranstaltung. Das großartige an unserem Team ist, dass jeder die Arbeit auch sieht und die Unterstützung des anderen wertzuschätzen weiß. Die Positionen, die wir haben, entstehen natürlich im Vorfeld, da läuft alles noch viel strukturierter ab. Während dem Festival geht es eigentlich nur darum, zu reagieren. Wir haben aber auch die Leute im Dorf tatkräftig unterstützt und dabei selbst wertvolle Erfahrungen gesammelt, wie beispielsweise Bäume fällen oder die Hühner am Hof Pabulariu in Boden mitten in der Nacht einsiedeln.

RS: Was war euer persönliches Highlight?
Daniel Dlouhy: Es fällt mir schwer hier ein konkretes Ereignis zu benennen. Ich weiß, das klingt jetzt blöd, aber jeder Tag war ein Highlight für sich. Schön war beispielsweise beim Theaterstück von Hugo Ball, wo es um Christi Geburt geht, dass ein paar Stunden später ein Kälbchen auf dem Hof von Pabulariu geboren wurde und die Besitzer Ramona und Christoph sich dazu entschieden, es ‚Dada‘ zu nennen.

Alina Murauer: Für mich war einer der schönsten Abende jener, als ein Konzert in einem Stall in Boden stattfand, was für sich schon absurd und toll gleichzeitig war. An diesem Abend war zusätzlich das Herz-Jesu-Feuer zu sehen. Wir hatten den perfekten Blick auf das Feuersymbol – sehr schön. Spontan haben sich Leute zusammengefunden und gemeinsam gesungen – ein wirklich besonderes Erlebnis, was für uns schon irgendwie ein heimlicher Abschied war – sehr emotional.

RS: Wie sieht die Zukunft der Medienfrische aus? Wird nächstes Jahr im Bschlabertal wieder ein Kunstfestival stattfinden?
Daniel Dlouhy: Ja, die Medienfrische ist auch für nächstes Jahr wieder im Bschlabertal geplant. Es gibt auch schon viele Ideen dazu, aber noch nichts Konkretes. Wir haben in den letzten fünf Wochen einiges gelernt und es gibt natürlich auch ein paar Bereiche, welche es im nächsten Jahr zu optimieren gilt. ‚DADA‘ wird es als Überthema der Veranstaltung nicht mehr geben, da dieses heuer durch das 100-jährige Jubiläum begründet war. Wir denken bereits darüber nach, welche KünstlerInnen sich gut eignen könnten. In den ersten Wochen waren heuer etwas zu viele Kunstschaffende da, das war stressig und auch etwas chaotisch. Wenn weniger Leute vor Ort sind, kann sich jedeR eher auf seine Tätigkeit konzentrieren, auch wir als Team. Wir wissen zudem mittlerweile, in welchen Locations es gut funktioniert und sind froh, dass bestimmte Dinge, wie etwa das „Kino“ in der alten Säge – das übrigens aus einem recycelten Kunstprojekt besteht – oder auch die Bar, erhalten bleiben.

RS: Ist wieder dieselbe Dauer über fünf Wochen für das Kunstfestival angedacht?
Daniel Dlouhy: Genau wissen wir das noch nicht, derzeit sind eher vier als fünf Wochen geplant. Aber der Zeitraum, Ende Mai, sowie die Länge werden in etwa so bleiben. Fest steht allerdings, dass wir – unabhängig von der genauen Länge des Festivals – ein paar neue Teammitglieder benötigen werden. Wir suchen daher für nächstes Jahr ein paar HelferInnen, welche Lust haben, gegen eine Aufwandsentschädigung, uns als organisatorische MitarbeiterInnen zu unterstützen und im Zuge dessen einen solchen Festivalbetrieb näher kennenlernen möchten. FahrerInnen oder auch Leute, die beispielsweise bereit sind, Frühstück vorzubereiten oder die Betreuung der Bar zu übernehmen, bräuchten wir.

RS: Wird es häufiger solche Festivals in Tirol oder Österreich geben oder gibt es bereits, abgesehen von der Medienfrische im Bschlabertal, weitere Ideen oder Pläne dazu?
Daniel Dlouhy: Wir haben bereits einige Angebot von Nachbargemeinden erhalten, die gerne in ihrem Ort ein solches Festival veranstalten würden. Darüber hinaus hat in der Steiermark eine Stadt angefragt, welche ich diesbezüglich besuche. Wir werden es zwar vermutlich nicht dort ausführen, das wäre zu viel Aufwand, aber solche Ideen werden an verschiedenen Orten nun sicherlich öfters verwirklicht. Eine weitere Überlegung – zwar vermutlich nicht für nächstes Jahr, aber eventuell dann für das dritte Jahr – wäre, dieselbe Veranstaltung wie die Medienfrische hier auch in Frankreich zu gründen, in einem Dorf, das vom Aussterben bedroht ist, mit nur zwanzig EinwohnerInnen. Ein Kollege von mir ist gerade dort als Architekt damit beschäftigt, den Ort neu zu denken und meinte, die Medienfrische wäre das perfekte Projekt dafür. Die Idee dazu: Die Medienfrische in Bschlabs und in jenem Ort in Frankreich zeitgleich stattfinden zu lassen, dass sich die KünstlerInnen abwechselnd an beiden Orten aufhalten und inspirieren lassen und länger an ihren Projekten arbeiten können. Dies würde uns näher an Frankreich bringen, was natürlich ein wichtiges, kulturelles Land ist, vor allem hinsichtlich der Medienkunst. In Österreich ist ein derartiges Projekt von unserem Team nicht geplant. Die Medienfrische ist ein gemeinnütziger Verein, aber jeder von uns hat auch noch eigene Projekt.

RS: Ich habe in der Bevölkerung nun schon öfter die Aussage „Die Medienfrische bekommt 200.000 Euro Fördermittel, was machen die bloß damit?“ vernommen. Was sagst du als Festivalleiter dazu, Daniel?
Daniel Dlouhy: Wer bekommt 200.000 Euro Förderung? Das wäre schön. Nein, wir haben zwar nicht so viel bekommen, aber auch nicht zu wenig. Und wo wir dieses Geld investieren? Genau hier. Das meiste Geld wird für die Übernachtungen, das Essen und die Transporte der KünsterInnen ausgegeben. Es war ursprünglich so angedacht, dass etwa ein Drittel des Geldes im Bschlabertal bleibt, ein Drittel für die KünstlerInnen investiert wird und ein Drittel unser Team als Aufwandsentschädigung für die monatelange Arbeit erhält. Dies ist jedoch nicht so aufgegangen, wie erwartet. Etwas mehr als die Hälfte des Geldes ist hier im Dorf bzw. auch im Lechtal geblieben. Wir haben beispielsweise Leute von hier beschäftigt, etwa zur Erstellung der Webseite. Ohne uns wäre kein Cent des Kulturfördergeldes zu euch ins Bschlabertal gekommen. Wir haben das meiste Geld hier investiert, daher verstehe ich diese Gelddiskussionen überhaupt nicht. Wir wissen ja alle, Kulturfördergelder sind Steuergelder und damit kann man nicht machen, was man will. Es gibt einen wasserdichten Finanzplan und man muss im Vorfeld alles genau planen und angeben. Das bekommt man nicht geschenkt oder als Hobby zur Verfügung gestellt. Es geht zum Beispiel auch um Übernachtungen, die nicht gebucht werden würden, wenn wir nicht hier wären. Es kommen Interessierte die Medienfrische besuchen und diese kommen dorthin, wo wir sind. Die kommen nicht wegen Bschlabs, sondern wegen uns. Diese Nachhaltigkeit kann man mit Werbungen, die der Tourismusverband macht, nie erzielen. Unsere KünstlerInnen fahren nach Hause – nach Wien, Berlin, Chile, oder wo sie alle herkommen – und erzählen dort, was für ein schöner Ort das Bschlabertal ist. Diesen Werbeeffekt könnte man so nie bezahlen. Wenn das Lechtal jetzt schlau ist, würden sie das nutzen und das Bschlabertal als Kunstort vermarkten und davon mitprofitieren. Einige Leute von uns haben schon in den Gemeinden Häselgehr und Elmen übernachtet, weil hier so viel los war. Von uns hat hier keiner eine Fixanstellung, niemand hat sich bereichert. Für uns persönlich ist das eigentlich ein finanzielles Desaster.

RS: Wie habt ihr die Zusammenarbeit von bzw. die Unterstützung durch die Gemeinde Pfafflar erfahren?
Daniel Dlouhy: Hm, die Unterstützung war durchwachsen und die Einstellung zu Beginn sehr skeptisch. Für uns war der BürgermeisterInnen-Wechsel auch etwas nachteilig. Die neue Bürgermeisterin Petra Krabacher hat zu Beginn eine Zeit gebraucht, um in ihren Job hineinzufinden und Altbürgermeister Bernd Huber hatte zum Schluss nur noch wenig Motivation. Wobei ich sagen muss, dass Bernd die Idee von Anfang an unterstützt hat und mir im Vorfeld auch helfend zur Seite stand. Die Petra wirkte zwar in ihrer Rede bei der Eröffnungsveranstaltung skeptisch und nicht ganz glücklich mit dem Festival, war allerdings dennoch sehr entgegenkommend, nett und sympathisch, der Gemeinderat ebenfalls. Aber es schien so, als wären alle noch nicht ganz in ihrem Amt angekommen. Im Großen und Ganzen haben wir eine tolle Unterstützung erfahren und durften sogar das Kino in der alten Säge in Bschlabs bauen.

RS: Wie sehen eure persönlichen Pläne für die Zukunft bzw. die nächsten Wochen bzw. Monate aus?
Daniel Dlouhy: Ich werde gleich auf einem nächsten Festival in Kosovo mithelfen und danach meinen Fokus wieder vermehrt auf Filmprojekte legen und nebenbei mit der Planung der Medienfrische beginnen. Zunächst gilt es, die Finanzierung abzuklären.

Alina Murauer: Ich werde mein Masterstudium Publizistik an der Universität in Wien weiterführen und mich wieder vermehrt darauf konzentrieren. Ich lege meinen Fokus immer lieber auf eine Sache, als viele Dinge gleichzeitig zu erledigen.

RS: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.



 
Aufbruchstimmung im Bschlabertal
... Daniel Dlouhy leiteten das Kunstfestival im Bschlabertal. Foto: Salvemini

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