Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Der Corona-Christus im Außerfern

Das von Ernst Franz gestaltete Kurzifix war in der Pfarrkirche St. Martin ausgestellt.

Pestkirchen und Pestsäulen entstanden nach dem großen Sterben als Dank für das Ende der Seuche. Heute sind sie eindrucksvolle Zeugen von barocker Frömmigkeit. Vielleicht diesem Beispiel folgend, hat ein Künstler aus Unterammergau in Bayern nun einen wunderschönen Corona-Christus geschaffen. Dieser war während des zweiten harten Lockdowns vom 17. November bis 8. Dezember in der Pfarrkirche St. Martin in Wängle ausgestellt und gab den Gläubigen Hoffnung.
4. Jänner 2021 | von Johannes Pirchner
Der Corona-Christus im Außerfern
Ernst Franz mit seinem Corona-Christus in der Pfarrkirche Wängle. RS-Foto: Pirchner
Von Johannes Pirchner.
Wieder befinden wir uns in einem Lockdown. Unsere Normalität ist weiter völlig auf den Kopf gestellt. Täglich neue Informationen von Virusmutationen, neuen Impfstoffen und Abstandsbeschränkungen. Habe ich morgen meinen Arbeitsplatz noch? Wie gehe ich mit der Einsamkeit um? Wie geht es weiter? Dies sind nur einige Fragen, die derzeit viele Menschen bewegen. Vielleicht auch, um vielen Menschen neue Hoffnung zu geben, verspürte der Unterammergauer Bildhauer Ernst Franz bereits im Frühjahr 2020 den Auftrag, einen gekreuzigten Christus zu schnitzen. Jedoch nicht irgendeine kleine Figur, die man bequem an die Wand hängen kann. Er schnitzte eine fast drei Meter große herrliche Statue aus einem Lindenstamm. In die Dornenkrone am Haupt von Christus sind unter anderem Zeitungsartikel um das Coronavirus eingearbeitet. Die vielen Schreckensnachrichten um die hohen Todeszahlen, das Leiden der Menschen an der Krankheit mit schweren Symptomen und die vielen psychischen Belastungen haben hier eine große Symbolik und bereiten uns ebenfalls große Schmerzen und Entbehrungen. Eine wunderbare Darstellung der Leiden in der Pandemie.

Bedeutung.
Der gekreuzigte Christus soll auch eine andere besondere Funktion erfüllen. Alle Menschen, die von Sorgen und Zweifeln geplagt sind, sollen ihn berühren können. Das bewusste Berühren des sakralen Kunstwerks sollte Hoffnung und Trost spenden. Gerade deshalb wurde der Corona-Christus vor dem Altar – frei zugänglich – liegend platziert. Ernst Franz wollte damit seine eigene Glaubensüberzeugung zum Ausdruck bringen: Christus ist für alle Menschen da, Gott ist in ihm berührbar geworden. Er bietet uns an, die Lasten des Lebens gemeinsam zu tragen. Für die Berührungen galten natürlich strenge Sicherheitsbestimmungen mit Abstandsregeln zwischen den Gläubigen und ausreichend Desinfektionsmittel, das von der Pfarre zur Verfügung gestellt wurde. Auch für konfessionslose Menschen und Menschen anderer Religionsgemeinschaften ist der Corona-Christus schon allein wegen seiner eindrucksvollen künstlerischen Gestaltung sehenswert. Unabhängig davon ist die Pfarrkirche Wängle in ihrer barocken Herrlichkeit immer einen Besuch wert. Es bleibt zu hoffen, dass der Corona-Christus nach der Pandemie oder vielleicht gar in der Fastenzeit vor Ostern wieder den Weg ins Außerfern finden wird – vielleicht sogar wieder in die Pfarrkirche Wängle.

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