Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ein Kirchlein im Zeichen des Friedens

Eine kleine Kapelle bei Rauth ist dem Symbol der Versöhnung gewidmet

Sie sind in der Regel klein und unscheinbar, aber sie prägen das Außerfern auf eine sanfte und dennoch eindrucksvolle Art: die Kapellen in den kleinen Dörfern und am Wegesrand. Mancher beachtet sie gar nicht, obwohl sie so viel zu erzählen haben. Die Legenden zu den Heiligen, denen sie geweiht wurden, spiegeln auch die Freuden und Sorgen der Menschen wider, die dereinst hier lebten. Die RUNDSCHAU hat einige von ihnen besucht und hat der Geschichte ihrer Namensgeber nachgespürt. Heute geht’s zum Weg nach Rauth.
14. März 2022 | von Jürgen Gerrmann
An das Leiden Christi erinnert auch das Krizifix in der Regenbogenkapelle von Rauth im Tannheimer Tal. Zur Zeit kommt einem da wohl unweigerleich das Leid der von der Geißel des Krieges und der Unterdrückung weltweit gebeutelten Menschen in den Sinn.
Jürgen Gerrmann.
Wohl niemand wird eigens dorthin gehen, aber bei einem Spaziergang von Gaicht hinauf nach Rauth kann man quasi gar nicht anders, als einen Blick in die Kapelle zu werfen, die kurz vor dem Ort am Wegesrand steht. Und kaum jemand, der es nicht weiß, dürfte ahnen, dass sie keinen Namen eines oder einer Heiligen trägt, sondern den des ältesten biblischen Friedenssymbols schlechthin: Des Regenbogens. „Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden“, sagt Gott im 1. Buch Mose zu Noah. Und dieser Bund gilt übrigens nicht nur den Menschen, sondern „allem lebendigen Getier bei Euch auf ewig“. Der Regenbogen solle „das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde“, seiner ganzen Schöpfung mithin. Und das passt ja auch ganz prima zum „Jahr der Schöpfung“, das die Evangelische Kirche in Österreich heuer ausgerufen hat – und auch zur ökumenisch angelegten  Veranstaltungsreihe „Endlich leben“ im Dekanat Breitenwang. Interessant übrigens: Gott sieht den Regenbogen wohl auch als eine Art „Merkhilfe“ oder „Eselsbrücke“ für sich selbst: „Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigem Getier.“ Denn hinfort solle schließlich ja  „keine Sintflut mehr kommen, die alles Fleisch verderbe“.

SINTFLUT, BABYLON UND OFFENBARUNG.
Der Schriftsteller und Literaturkritiker Wolfgang Menzel hat in seinem 1854 erschienen Standardwerk „Christliche Symbolik“ auch dazu Interessantes zusammengetragen. „Ein herrliches Bild“, gerät er dabei regelrecht ins Schwärmen: „Nach langer Sturm- und Regenzeit durchbricht die Gnadensonne wieder das Gewölk und malt den schönen Bogen vor den dunklen Hintergrund der fliehenden Wolken.“ Er erzählt auch von dem mittelalterlichen Glauben, dass man vom Regenbogen das Ende der Welt angezeigt bekomme: 40 Tage vor dem göttlichen Symbol habe die Sintflut eingesetzt, daher werde 40 Jahre vor dem Weltuntergang der letzte Regenbogen am Himmel erscheinen „und danach keiner mehr“ – wie so vieles andere aus der christlichen Zahlenspielerei eine höchst gewagte Prophezeiung. In der werden übrigens auch zwei Farben des Bogens gedeutet: Das Blau stehe für die Sintflut, das Rot für den „künftigen Weltbrand“. Der alttestamentarische Prophet Ezechiel (oder Hesekiel), der in der ersten Phase der Vertreibung unter den Israeliten im babylonischen Exil wirkte und dort große Bedeutung besaß, berichtet in seinem im 6. Jahrhundert entstandenen Buch gleich zu Beginn von seiner Berufung: „Wie ein Licht des Regenbogens, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt, so war der helle Schein ringsum. So etwa sah die Herrlichkeit des Herrn aus. Als ich diese Erscheinung sah, fiel ich nieder auf mein Gesicht. Und ich hörte, wie jemand redete.“ Dieses Motiv wird dann auch im Neuen Testament in einem ganz wichtigen Text aufgenommen – der Offenbarung des Johannes: „Und der da saß, war anzusehen wie der Stein Jaspis und der Sarder“ (beides Edelsteine); „und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen wie ein Smaragd.“ Damit war und ist Christus gemeint. Dass der  Regenbogen dann also nach dem Weltuntergang doch wieder auftaucht, erklärt sich Menzel mit zwei Theorien. Entweder wolle Gott damit sagen: „Ich habe meinen Bund gehalten, den Ihr gebrochen habt.“ Oder es solle ein neuer Bund zwischen einem neuen Himmel und einer neuen Erde angekündigt werden. Das Grün im Regenbogen symbolisiere just diese neue Erde.
Für Tirol ist natürlich auch die Verbindung des Regenbogens mit Maria ganz wichtig. Die rührt für Menzel daher, dass sie nicht nur die Muttergottes, sondern auch „die Mutter der Liebe und Versöhnung“ sei. In der sakralen Kunst sieht man sie oft auf einem Regenbogen. Menzel dazu: „Man erklärt das Sinnbild nicht bloß als Zeichen des Friedens und der Versöhnung, weil die große Fürbitterin María den Himmel und die Erde zusammenbindet, sondern auch als das Thor, durch welches sie die Seligen in den Himmel einführt.“ Ein altes Marienlied charakterisiere den Regenbogen daher auch als „Himmelsring“.

SCHLIMMER IRRTUM.
Freilich: Auf den Regenbogen wurden auch schon falsche Hoffnungen gesetzt. Nicht zuletzt vor 500 Jahren: Da erhoben sich die Bauern, begeistert von der Freiheit eines Christenmenschen, die Martin Luther propagiert hatte (und später relativierte), gegen ihre Herren, die sie seit eh und je erniedrigt und ausgepresst hatten und als ihr Eigentum betrachteten – und sie vereinten sich unter der Regenbogenfahne, die für sie wohl für die neue Erde, das Zeitalter der Gerechtigkeit stand. Zu ihrem Anführer entwickelte sich der Reformator Thomas Müntzer, der indes vom Kämpfer für Freiheit, Gerechtigkeit und die Gleichheit aller Menschen vor Gott und einem hoch spirituellen Menschen zu einem radikalen Fanatiker avancierte. Im Mai 1525 kam es bei Bad Frankenhausen am Kyffhäuser zur Entscheidungsschlacht. In sie führte Müntzer die Bauern mit seiner letzten Predigt, die er ausgerechnet mit dem biblischen Symbol des Friedens schloss: „Seht Ihr nicht den Regenbogen am Himmel? Der bedeutet, dass Gott uns, die wir den Regenbogen im Banner führen, helfen will. Er steht auf unseren Seiten und gibt uns dies Zeichen. Es will Gott nicht, dass Ihr Frieden mit den gottlosen Fürsten machet!“ Ein fataler Irrtum. Die Fürsten siegten und metzelten noch am selben Tag zigtausende Bauern niedern. Man sollte also tunlichst vorsichtig sein mit Symbolen. Aber eins steht fest: Die kleine Kapelle von Rauth ist ein Zeichen des Friedens.

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