Flamenco in der Kellerei. Serendipia begeisterte bei der Kulturzeit
Was ist typisch Spanisch? „Na klar“, werden die einen sagen: „Fußball, Real Madrid.“ „Nein, Paella“, entgegnen die anderen, die gerne gut essen. Aber vielleicht dürften die dritten eine Mehrheit hinter sich bringen: „Flamenco – ole!“, rufen die. Die Stimmung am Samstag in der Kellerei in Reutte dürfte diese These auf jeden Fall untermauern.
Von Jürgen Gerrmann.
Bei der achten Veranstaltung der 32. Kulturzeit der Huanza, bedurfte es zwar einer gewissen Aufwärmphase, aber dann loderte das Feuer der Begeisterung himmelhoch und die Stimmung erreichte kurz vor der Pause den ersten Siedepunkt. Sängerin Mónica Clavijo (sie kommt aus Jerez, das sich mit Sevilla darum streitet, wo denn nun der Geburtsort des Flamenco ist) nahm den Außerfernern die Scheu, und plötzlich wähnte man sich eim Gastspiel des Ensembles Serendipia bei den Alegrías wie in einer Hinterhofkneipe in Sevilla, wo dieser andalusische Volkstanz besonders hingebungsvoll und enthusiastisch zelebriert wird – und weit intensiver als auf den Bühnen, in die bevorzugt Touristen gelockt werden und wo ihnen ein Bild präsentiert wird, das gewiss farbenprächtig und durchaus schön ist, dem es indes doch an der letzten Prise Echtheit und Authentizität gebricht. Tänzerin Andrea Narten schien da regelrecht zu fliegen, denn die „Oles“, „Ehes“ und „Bravos“ aus dem Publikum verliehen ihr Flügel. Zumal sich bei der Begeisterung des Publikums etwas breit machte, was schon vorher vorhanden war, aber sich nicht so recht zu entfalten traute. Mónica Clavijos Ermunterung war da nur der kleine Funke, der geradezu darauf gewartet hatte, seine Wirkung tun zu können.
FACETTEN DES FLAMENCO.
ber vielleicht wurde eine gerade deswegen so richtig bewusst, wie facettenreich der Flamenco doch ist. Dazu gehören die brillanten Improvisationen des genialen Gitarristen Rainer Maria Nero, der aber genauso feinfühlige musikalische Dialoge mit den drei anderen Akteuren zu führen vermag, ebenso wie die Fingerfertigkeit von Carlos Ronda Mas mit seinem Cajon, der zum Beispiel einen Herzschlag mit seinem Schlaginstrument widerhallen lässt und diesen dann in ein furioses Feuerwerk transformiert, bei dem alle Dämme brechen, die herrlichen Kostüme der Tänzerin und die unverkennbaren Einflüsse aus Indien, Arabien oder der musikalischen Welt der Gitanos (für die die traditionelle Übersetzung Zigeuner lautet). Aber auch da gibt es die verschiedensten Stilrichtungen – von ruhigen, fast meditativen Passagen über klageliedähnliche Gesänge bis hin zur Explosion der Emotionen. Alle, die diese ebenso faszinierende wie fantastische andalusische Nacht erlebten, dürften sich einig sein: Genauso muss Flamenco sein. Wer indes wie der RUNDSCHAU-Berichterstatter darauf gewettet hätte, dass die grandiose Tänzerin, die den Flamenco auch mit der modernen Interpretation der Parheilos - nicht im langen Kleid, sondern mit Hose und (Augen-)Maske – in unsere Zeit hinein holte, garantiert aus Sevilla kommen muss (denn bei dieser Innerlichkeit und Verinnerlichung dieser Tanzform kann das gar nicht anders sein), hätte indes mit ihm grandios verloren: Andrea Narten stammt aus der Slowakei. Authentisch war und ist ihre Kunst dennoch.
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