Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Hilfe in allen Lebenslagen

Die Kapelle an der Lechbrücke bei Martinau ist den 14 Nothelfern geweiht

Sie sind in der Regel klein und unscheinbar, aber sie prägen das Außerfern auf eine sanfte und dennoch eindrucksvolle Art: die Kapellen in den kleinen Dörfern und am Wegesrand. Mancher beachtet sie gar nicht, obwohl sie so viel zu erzählen haben. Die Legenden zu den Heiligen, denen sie geweiht wurden, spiegeln auch die Freuden und Sorgen der Menschen wider, die dereinst hier lebten. Die RUNDSCHAU hat einige von ihnen besucht und hat der Geschichte ihrer Namensgeber nachgespürt. Heute geht es zur Lechbrücke bei Martinau.
19. April 2021 | von Jürgen Gerrmann
Von gleich 14 wichtigen Heiligen des frühen Christentums umgeben: die Muttergottes und das Jesuskind in der Nothelferkapelle an der Lechbrücke bei der Martinau zwischen Stanzach und Elmen. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Auf den ersten Blick sieht man sie kaum. Und wenn, dann fahren die meisten wohl mehr oder minder achtlos vorüber: Die Nothelferkapelle an der Lechbrücke zur Martinau zwischen Stanzach und Elmen ist ein eher verborgenes Kleinod. Das aber dennoch (oder deswegen) durchaus einen Besuch lohnt. Vielleicht im Zusammenhang mit der – trotz des alles andere als frühlingshaften Wetters – wohl nicht mehr allzu fernen Frauenschuhblüte. Das kleine Kirchlein steht ein paar Meter erhöht über der B198 an einer absoluten Engstelle: Zwischen Fels und dem Lech, der in alter Zeit hier sicher noch viel mehr toste und tobte, passten gerade mal die paar Meter Asphaltpiste.

DAS GROSSE THEMA: HILFE.
Vor etwa 200 Jahren, als diese Kapelle erbaut wurde, war die Situation sicher noch gefährlicher als heute, und so verwundert es kein bisschen, dass in dem kleinen Gotteshaus das Thema Hilfe eine ganz zentrale Rolle spielt: Auf dem anrührenden Wandbild über dem Altar wird das „Maria-Hilf“-Motiv (die Muttergottes mit dem Jesuskind) gleich mit einer ganzen Streitmacht von Menschen umrahmt, von denen man sich Schutz und Rettung erhoffte und die man in allerlei Bedrängnis anflehte. Und das geht schon bis ins 9. Jahrhundert zurück, als die Menschen bei den 14 Heiligen um Beistand in Not und Gefahr baten. Die Anrufung dieser heilversprechenden Runde an Vorbildern im Glauben wurde immer populärer – und erreichte in der Pest, die ja auch im Außerfern gewaltig wütete, ihren Höhepunkt. Die Zahl 14 ist dabei kein Zufall – sie stellt die Verdoppelung der heiligen Zahl 7 dar, die wiederum im Christentum für die Verbindung der göttlichen Dreieinigkeit mit den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft steht. Eine Besonderheit: In Palermo auf Sizilien gibt es eine Nothelferin mehr. Die Pest von 1160 soll geendet haben, als man die Gemeinde der Stadtheiligen Rosalia von deren Grab auf dem Monte Pellegrino hinab in die Stadt trug. Früher waren die 14 Nothelfer in aller Munde. Aber heute weiß wohl kaum einer mehr, wer überhaupt dazu gehört und wofür „zuständig“ ist, obwohl so viele immer vom „christlichen Abendland“ und dessen Rettung reden. Deswegen hier ein (im Grunde zu) kurzer Überblick:

DIE FRAUEN.
Die Runde der 14 besteht aus drei Frauen und elf Männern aus dem frühen Christentum. Ladys first: Fangen wir also mit den drei Frauen an. Und da die weit verbreitete Verehrung der 14 Nothelfer in Regensburg begann, stammt von dort auch der Merkspruch: „St. Margaretha mit dem Wurm, St. Barbara mit dem Turm, St. Katharina mit dem Radl, das sind die heiligen drei Madl.“ Margaretha von Antiochia (in der orthodoxen Kirche heißt sie Marina) soll an der Schwelle vom 3. zum 4. Jahrhundert in Kleinasien gelebt, wegen ihres Glaubens vor Gericht gestanden, dem lüsternen Begehren des Richters widersagt haben, deswegen mit Fackeln versengt, in Öl gebraten und (da dies nichts nutzte) enthauptet worden sein. Sie steht den Gebärenden und bei allen Wundverletzungen bei. Geköpft (und zwar von ihrem eigenen Vater) wurde der Legende nach im 3. Jahrhundert auch die zunächst in einen Turm eingesperrte Barbara. Und zwar weil sie ihrem Glauben nicht entsagen wollte. Sie wird von den verschiedensten Gruppen verehrt – im Außerfern einst nicht zuletzt von den Bergleuten in Biberwier. Aber auch die Sterbenden, die Geologen, Artilleristen, (Glocken-)Gießer, Architekten, Glöckner, Schmiede, Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker, Elektriker, Kampfmittelbeseitiger, Pyrotechniker und Feuerwerker, Feuerwehrleute, das Technische Hilfswerk, die Hutmacher, die Jungfrauen und die Gefangenen stell(t)en sich unter ihren Schutz. Katharina soll sich um 300 gar einem Disput mit Kaiser Maxentius, einem Christenhasser,  gestellt, dies aber mit dem Tod nach Rädern und Enthauptung bezahlt haben. Sie beschützt der Überlieferung nach die Mädchen, Jungfrauen und Ehefrauen, Menschen mit Zungenleiden und Sprachschwierigkeiten, Gelehrte und zahlreiche Handwerker.

DIE MÄNNER.
Nun zu den Männern: Achatius führte angeblich 10 000 Soldaten an, die wegen ihres christlichen Glaubens etwa 303 auf Geheiß des Kaisers, der auch schon Katharina zu Tode hatte bringen lassen, mit seinen Kameraden hingerichtet wurden. Kein Wunder, dass man sich in Todesangst an ihn wendet. Ägidius ist der einzige der 14, der nicht durch Gewalt umkam: Der südfranzösische Mönch beschützt die Beichte und die stillenden Mütter. Blasius wiederum ist im Außerfern wohlbekannt, obwohl der Bischof von Sebaste 316 in der heutigen Türkei das Leben ließ. Das liegt sicher daran, dass er nicht nur bei Halsleiden, Geschwüren und Pest hilft, sondern auch (oder gerade) das Vieh beschützt. Auf vielen Häusern im Tal des wilden Lech ist ja der Riese Christophorus abgebildet, der das kleine Jesuskind unerkannt durch einen reißenden Fluss getragen haben soll. Auch sein Aufgabengebiet ist riesengroß: Helfer gegen unvorbereiteten Tod, Schutz für Reisende, Bogenschützen, Auto- und Seefahrer, Flößer, Lkw-, Bus- und Taxilenker, Buchbinder, Bleicher, Pförtner, Obst- und Gemüsehändler, Bewahrer vor Epilepsie, Unwetter, Hungersnot, Gewitter, Hagelschlag, Pest, Zahnschmerzen und schlechte Träume. Cyriakus (der um 305 bei der Christenverfolgung  in Rom ums Leben kam) hat da mit der Hilfe bei Anfechtungen in der Todesstunde ein begrenzteres Aufgabengebiet. Wer von Kopfschmerzen, Tollwut, Gewissensnöten und Seelenleiden geplagt wird, vermag sich an Dionysius  zu wenden, dessen Tötung der römische Statthalter in Gallien im 3. Jahrhundert anordnete. In einer bronzenen Skulptur eines Stieres, die in kochendes Wasser geworfen wurde, kamen Eustachius und seine Familie auf Geheiß des Kaisers Hadrian ums Leben. Er hilft eher allgemein bei schwierigen Lebenslagen und in der Trauer, war aber auch der erste Schutzheilige der Jäger, bevor er von Hubertus abgelöst wurde. Georg, der als „Drachentöter“ berühmt wurde, ist bei Kriegsgefahren, Fieber, Pest, beim Kampf gegen Versuchungen und Bitten um gutes Wetter die richtige Adresse, beschützt aber zudem alle Haustiere. Pantaleon, der von Diokletian getötete Arzt des Kaisers Maximian, hält seine Hand nicht nur über seine Mediziner-Kollegen, sondern auch über die Hebammen. Und Vitus (über den wir schon in unserer ersten Folge über Oberletzen geschrieben hatten) wird von den Apothekern, Gastwirten, Bierbrauern, Winzern, Kupferschmieden, Tänzern und Schauspielern als ihr Patron betrachtet.

DER MERKSPRUCH:
Wem das jetzt alles zu kompliziert ist, der vermag sich indes an einen Gedenkvers aus dem nahen Memmingen zu halten: „Blasius bringt wegen Halsweh Fürbitt dar. Georgius ist anzurufen bei Kriegsgefahr, Erasmus für Darm- und Leibesschmerzen, Vitus ein großer Freund der Kinderherzen. Pantaleon ist ein Patron der Ärzte, bei Gott mächtig, Chrisoph beschützt bei Hagel und Wetter kräftig. Dionysus wird bei Kopfweh gerufen an, Cyriacus vom Teufel Besess'nen helfen kann. Achatius hilft dem christlichen Kriegsvolk behend, Eustachius Betrübnis in der Ehe abwend't. Ägidius hilft zur Erkenntnis heimlich Sünd, Margaretha, wo Teufelslist ein Zugang find't, Katharina, wenn Weisheit im Studium mangelt, Barbara im Tod die Sakrament erlanget.“

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