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„Ich rechne in schöner Musik“

6. August 2019 | von Nina Zacke
„Ich rechne in schöner Musik“
Ein Leben lang Freude an der Musik: Reuttes Musikschuldirektor Tobias Lämmle ist stolz auf sein Lehrer-Team und seine Schüler. RS-Foto: Gerrmann

Trotz vieler Erfolge steht bei Reuttes Musikschul-Direktor Tobias Lämmle die Freude am Musizieren im Mittelpunkt


Die Musikhauptstadt Tirols ist – Reutte: Keinen anderen Schluss als diesen lassen die Ergebnisse der verschiedensten musikalischen Wettbewerbe dieses Jahres zu. Und zwar auf Landes- und auf Bundesebene. Verantwortlich dafür ist zweifelsohne die Landesmusikschule im Außerfern. Die RUNDSCHAU unterhielt sich nun mit deren Leiter Tobias Lämmle.


Von Jürgen Gerrmann

Der Herr Direktor war übrigens selbst einmal Schüler dieser herausragenden musikalischen Bildungseinrichtung. Mit acht Jahren fing er an, Trompete zu lernen: „Das war ganz klassisch. Die Bürgermusikkapelle Höfen hatte mich dorthin geschickt.“
Es sollte sich als das erste Augenzwinkern einer lebenslangen Liebe erweisen: „Die Musik hat mir super getaugt.“ Als er am Gymnasium Matura machte, wählte er als Spezialgebiet im Fach Metallurgie „Werkstoffe für Blechblasinstrumente“. Und in der mündlichen Prüfung spielte er dann den 2. Satz, das Andante, aus Joseph Haydns Trompetenkonzert vor. Wohlgemerkt: Nicht in Musik. Sondern in Metallurgie.
Entscheidungshilfe Militärmusik.

„Eigentlich“ – dieses Wort spielt im Leben eines Menschen nicht gerade eine untergeordnete Rolle. Und „eigentlich“ wollte Tobias Lämmle ja in Leoben Werkstoffwissenschaften studieren. Doch dann kam die Zeit bei der Militärmusik in Bregenz: die „Entscheidungshilfe“, schließlich doch seiner großen Liebe zu folgen. Nach einem Vorbereitungsjahr am Konservatorium in Feldkirch wechselte er nach Innsbruck und legte dort 2001 seine Lehrbefähigungsprüfung in Instrumental- und Gesangspädagogik ab.
Das nächste „eigentlich“: Eigentlich hätte er ja jetzt Lehrer werden können. Aber zunächst einmal ging`s zu Koch Records, wo er „Echte Volksmusik“-Projekte vom Vertrag über das Cover bis zur Produktion betreute. Doch nach dem Verkauf an Universal war’s damit vorbei.
Für die Reuttener Musikschule (und ihn persönlich auch) sollte sich das freilich als Glücksfall erweisen: Schon drei Wochen später fing er an, Trompete zu unterrichten – zunächst im Allgäu, dann für ein Jahr im Stubaital. 2006 berief man ihn als Leiter der Musikschule Ötztal nach Längenfeld, und vier Jahre später konnte er dann wieder heim ins Außerfern – ebenfalls in der Führungsposition.
Neuer Schülerrekord.

Nach den Sommerferien werden sich die 46 Lehrkräfte übrigens um so viel Schüler wie noch nie kümmern – sage und schreibe 1.350 sind angemeldet.
Woher kommt denn diese enorme Entwicklung? „Es ist uns gelungen, Fachgruppen zu etablieren und aufzustocken“, sagt der Direktor. Seit drei Jahren gebe es einen stimmkräftigen Kinderchor, der sich wegen des großen Ansturms gerade wieder aufspalte, dazu den Musikschulchor und den Ehrwalder Kinderchor: „Und im Lechtal sind wir auch grad dran.“ Auch in der Blasmusik sei man sehr aktiv: sei es bei der Brass-Initiative, bei Junior Brass (die Kleinen ab den zweiten Lehrjahr), der Brass Band der Fortgeschrittenen, den Blasorchestern in den vier Talschaften oder dem Auswahlorchester.
Zu all dem komme auch ein traditionell sehr starkes Streicherwesen: Er selbst spielte schon unter Franz Walcher (dessen Engagement der Umzug vom engen Tauscher-Haus in das jetzige großzügige Gebäude zu verdanken ist) im Kammerorches-ter, jetzt existiere ein Jugend- und Schülerorchester. Und das große sinfonische Orchester dirigiert Lämmle selbst: „Ich habe außer Trompete ja auch Orchesterleitung studiert.“
Freude stiftet Sinn.

Ganz generell sei es ihm und seinem Team aber wichtig, Freude an der Musik zu wecken: „Das ist das sinnstiftende Element.“ Bei allen Instrumenten gelte dasselbe wie beim Gesang: „Man kann das allein lernen, aber das Schöne ist das Mitein-ander.“ Sicher, man müsse eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, aber in der Musik müsse man zusammenspielen: „Das fördert die Sozialkompetenz und ist das Gegenteil vom Digitalstress.“
Über den Umgang mit Noten hinaus könne einem das Musizieren viel lehren: „Man muss üben, damit etwas dabei herauskommt. Man muss über den eigenen Schatten springen, sich mit sich selbst beschäftigen – was nicht immer leicht ist. Erst, wenn man da drüber hinaus ist, lohnt es sich, dann macht es auch Spaß.“
Oft werde die Musikschule ja in das Eck gestellt, voll auf Leistung fixiert zu sein. Da widerspricht der Herr Direktor aber ganz vehement: „Das ist doch gar nicht der Punkt. Wir haben das ganze Jahr über große Veranstaltungen, wo wir einfach miteinander musizieren.“ Die vielen Preisträger sind also quasi nur die Spitze eines Eisbergs: „Die machen vielleicht drei bis vier Prozent aus. Das ist sicher sehr viel. Aber neben ihnen gibt es noch weit über 1000 andere, die einfach dabei sind und ihren Spaß haben.“ Eins will er klarstellen: „Ich rechne nicht in Zahlen und Preisen, sondern in schöner Musik – und die kann auf jedem Niveau gelingen.“
Ein Herz für die Blasmusik.

Dass in den Blaskapellen der Region ganz viele junge Leute aus der Musikschule mit von der Partie sind, freut Tobias Lämmle sehr: „Genau aus der Tradition komme ich ja selbst. Und mein Herz hängt dran, dass das gut weitergeht.“
Das Außerfern kann also mit Fug und Recht stolz auf seine Musikschule sein. Was braucht es denn für solche Erfolge? „Zunächst einmal Talent. Aber es nutzt nichts, wenn das nicht gefördert und gefordert wird. Und zudem benötigen wir eine gute Durchdringung im Bezirk.“ Gerade da sei die „elementare Musikpädagogik“ ein wichtiges Element: „Deswegen fangen wir schon bei den Vier- bis Sechsjährigen im Kindergarten an.“
Noch etwas sei überaus wichtig: „Lehrkräfte, die auf hohem Niveau unterrichten können. Davon haben wir jetzt sehr viele.“ Seine Institution wolle einfach „ein perfektes Umfeld bieten, damit Talent sich entwickeln kann“. Sowohl im Unterricht, aber auch in den Ensembles, damit die Schüler das, was sie gelernt haben, auch anwenden könnten: „Von der Klassik über Volksmusik bis hin zu Rock und Pop haben wir da alles. Da bin ich stolz darauf.“
Die Erfolge der Schüler seien letztlich auch eine Wertschätzung und ein Qualitätszeugnis der Arbeit der Lehrkräfte: „Aber in erster Linie ist es einfach atemberaubend, die spielen zu hören. Ob alle davon Profis werden, ist noch lange nicht sicher. Das muss auch nicht sein. Aber sie werden sicher ein Leben lang Freude mit ihren Instrumenten haben – und das reicht.“
Die schlichte Anzahl der Teilnehmer aus Reutte an den Landes- und Bundeswettbewerben sei schon sehr auffallend, konzediert Tobias Lämmle: „Das zeigt, dass da vom Umfeld her viel stimmt.“ Freilich: „Das ist keine One-Man-Show.“ Er habe „ein super Team um mich herum“: „Und die sollen glücklich sein und gut arbeiten können. Denn das ist ein sehr wichtiger Punkt, damit so was zustande kommt. All das geht aber nur, wenn man viel macht und aktiv ist. Und da schließe ich mich schon mit ein.“

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