Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Kunst als Zeichen der Hoffnung

Große Resonanz auf die „Tage der offenen Ateliers“ in Reutte

Zum „Kunstplatz“ soll der Zeillerplatz im Rahmen der Neugestaltung des Reuttener Untermarkts werden. Eine Vorahnung davon, wie dieses Motto mit Leben erfüllt werden könnte, bekam man am Wochenende: Bei den zwei „Tagen der offenen Ateliers“ im Tauscher- und im Grabherr-Haus.
27. Oktober 2020 | von von Jürgen Gerrmann
Fünf Außerferner Künstler öffneten ihre Atelier-Türen. RS-Fotos: Gerrmann
von Jürgen Gerrmann

Fünf Künstlerinnen und ein Künstler hatte sich zusammengetan, um in der „kulturlosen“ Corona-Zeit im wahrsten Sinne des Wortes ein Lebens-Zeichen zu setzen: „Die Kunst lässt sich nicht unterkriegen“, formulierte es die Weißenbacherin Angela Arzl. Und dieses Signal wurde gehört und gesehen: Erstaunlich viele strömten am Samstag und Sonntag in die beiden „Kurzzeit-Galerien“. Angela Arzl zeigte dabei im Tauscher-Haus Fotos ihrer Bodypaintings. Auch deren Motive spiegeln das Ja zum Leben wider: der Schmetterling, der fröhlich durch die Lüfte tänzelt, und das Feuer, das in einem lodert (wobei das konkrete Foto einer Serie über die sieben Todsünden entspringt). „Es ist spannend, endlich wieder was zu machen“, freute sie sich, der Corona-Lethargie etwas entgegensetzen zu können.

IM TAUSCHERHAUS. Ihr Sohn Jonas ist ein hochtalentierter Nachwuchs-Fotokünstler. Seine Motive findet er vor allem im Außerfern. Da ist zum Beispiel der Waldwinkel beim Moosberg bei Weißenbach, wo umgestützte Bäume sich regelrecht an eine Felswand schmiegen und dies von einem imposanten Farbspiel umarmt wird. Weitgehend auf Schwarz-Weiß setzt er hingegen bei der Nahaufnahme eines Fuchs-Schädels auf einer Mosaikschale, bei der er eine hohe Belichtungszeit mit dem Spiel mit der Tiefenschärfe kombiniert: „Im Original sieht man eigentlich nur schwarz.“ Weiß dominiert hingegen sein Foto des winterlich-gefrorenen Sands am Lechufer. Vielfältige Materialien verwendet Natalie Maria Schwarz bei ihren Skulpturen und Gemälden: mal Holz, mal Ton, mal Draht, mal Stein, mal alte Bücher. „Ich liebe die kreative Abwechslung“, sagt sie. Aber fast immer ist ein Frauenkörper mit dabei. Die Vilserin sieht darin eine Auseinandersetzung mit der eigenen Weiblichkeit, die sie „mit den verschiedenen Welten, die mich beeinflussen“, verbindet. Und es lohnt sich dabei, genauer hinzuschauen, viel fließt da ineinander, verschränkt und verschlingt sich miteinander: „Ich mag einfach Bilder, auf denen man bei jedem Hinschauen wieder etwas Neues entdeckt.“ Rolling Stones-Fan durch und durch ist Daniela Eneidi-Pahle: Insbesondere (der jugendliche) Mick Jagger hat es ihr wohl angetan. Das lässt sich an ihrer Serie ablesen, die sie mit dem in Parma lebenden Aktfotografen Aris-tos Triantafillou gestaltet hat. Er hat Bodypainting-Modelle fotografiert, die die Heiterwangerin bemalt hatte – und die integrierte sie wiederum in Porträts ihrer Lieblings-Rockstars (außer diversen Stones gehören da auch noch Freddie Mercury, David Bowie und Alice Cooper dazu). Die grenzüberschreitende Kunstaktion soll nach Corona in einer gemeinsamen Ausstellung münden. Denn die Leidenschaft der Außerfernerin ist es, Grenzen zu überwinden: „Bemalen ist ja auch Verbinden und Verwandeln.“

 
Kunst als Zeichen der Hoffnung
Die Kunst zeigt Flagge: Über große Resonanz konnten sich fünf Künstlerinnen und ein Künstler bei den Tagen der offenen Ateliers in Reutte freuen. Viele Menschen schauten bei Christine Schneider, Daniela Eneidi-Pahle, Sylvia Skelac, Natalie Maria Schwarz sowie Angela und Jonas Arzl (v.l.) vorbei.
IM GRABHERRHAUS. Verbunden waren die Ateliers übrigens durch einen roten Faden, der sich quer über den Untermarkt zog. Unten im Grabherr-Haus präsentierte Sylvia Skelac aus Vils ihre „Versuche mit der Abstraktion“. Die „Hobbykünstlerin“ (wie sie sich selbst bezeichnet) kommt zwar „als Malerin besser zurecht, wenn ich was Gegenständliches als Motiv habe“ (wie etwa den Südtiroler Bauernhof mit seinen klaren Konturen), aber ihre neuen Bilder konnten sich durchaus auch sehen lassen: „Ich komme vom Aquarell, aber mir gefällt auch das Acryl mit seinen vielfältigen Strukturen.“ Oben im 2. Stock freute sich Christine Schneider über zahlreiche Besucher, die auch im Treppenhaus und Foyer quasi ihren gesamten künstlerischen Werdegang, der wesentlich von der Kunstakademie in Nürtingen am Neckar geprägt wurde, nachvollziehen konnten. Viele faszinierten da ihre  heimatlichen Motive (wie Berge und Edelweiß), die die Reuttenerin, die den Anstoß zu dieser Gemeinschaftsaktion gegeben hatte,  mit modernen Akzenten ganz neu interpretiert, dadurch vom Staub der Pseudo-Alpenromantik befreit und ins Zeitlose hineinhebt. Ihre Skulpturen (wie der „fliegende Drache“ aus Lech-Schwemmholz und Metall) und ihre Porträts (außer von Vater Rudi und Künstler-Kollegen Hans Weinhardt auch noch von den Reuttener Lokalgrößen Sigi Singer und Walter Catulla) bekamen ebenfalls viel Lob. So unterschiedlich also die Kunst war, in die man an diesen beiden Nachmittagen eintauchen konnte – eins war durchgängig spürbar: die Sehnsucht nach Kultur in Zeiten der Krise. „Toll, dass ihr das gemacht habt, endlich war mal wieder was los“ – keinen Kommentar hörte man am Wochenende wohl häufiger als diesen. Und so wurde Kunst für viele auch zum Zeichen der Hoffnung in einer sich leider wieder verschärfenden Situation.

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