Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Lieder, die das Leben schrieb

Duo Harphonium und Hudaki Village Band sorgten für furiosen Auftakt der 32. Kulturzeit

Die musikalische Kompassnadel kam am Sonntag im Musikpavillon von Pflach ganz schön ins Trudeln. Und zwar vor Begeisterung: Der Auftakt zur 32. Kulturzeit der Außerferner Kulturinitiative Huanza riss das Publikum mit – das Duo Harphonium und die Hudaki Village Band wurden umjubelt.
13. September 2021 | von Jürgen Gerrmann
Pflachs Vizebürgermeisterin Reinhild Astl (links) und Huanza-Obfrau Veronika Kunz-Radolf freuten sich über das Auftaktkonzert und auf weitere schöne Veranstaltungen der 32. Außerferner Kulturzeit.    RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Das heuer ungewohnt schöne Wetter und die gute Bewirtung durch die Säuling Tuifl taten das Ihre, um von Beginn an für eine fröhliche Stimmung zu sorgen: Wohl alle freuten sich mit Pflachs Vizebürgermeisterin Reinhild Astl darüber, dass die „lange kulturelle Fastenzeit“ (wie sie es ausdrückte), nun zumindest vorläufig zu Ende ging. Sie fand es auch toll, dass die erste Station des Huanza (den sie als „Teil unserer Kultur“ bezeichnete) auf der großen 2021er-Runde durch den Bezirk der neue Dorfplatz in ihrer Gemeinde sei: „Denn der ist ja als Ort der Begegnung gedacht.“ Huanza-Obfrau Veronika Kunz-Radolf wiederum dankte für die Gastfreundschaft der Gemeinde und wünschte sich, dass die kulturelle Kompassnadel in den nächsten Wochen im ganzen Außerfern kräftig ausschlage.

DIE LOKALMATADORE.
Für den ersten ebenso kräftigen wie überraschenden Ausschlag sorgten dann zwei Tiroler Lokalmatadore: Die Vilserin Heidi Abfalter und der Ötztaler Damian Brüggler haben sich mit ihrer Harfe und seinem Euphonium zu einer höchst seltenen Besetzung zusammengefunden – und daher kann das Duo Harphonium auch auf keinerlei existierende Literatur zurückgreifen. Heidi Abfalter (die auch als Solistin mit der irischen Weise „Parting Glass“ sowie einem feinfühligen musikalischen Ausflug ins „Eldorado“ brillierte) muss alles selbst arrangieren – und macht das einfach grandios. Zur Huanza-Eröffnung waren die beiden in allen musikalischen Sätteln gerecht, ganz gleich, ob es nun das sehnsuchtsvolle irische Volkslied „A Londonderry Air“ (auch bekannt als „Danny Boy“) oder das vor südlicher Lockerheit sprühende „Moliendo Cafe“ war. Romantik prägte den mexikanischen Ohrwurm „Besame mucho“ – auch, weil der gelernte Tischler (und jetzige Musiklehrer) Damian Brüggler eine Woche zuvor aus einer Ötztaler Eibe ein neues Mundstück gedrechselt hatte, das einen wunderbar weichen Klang zu erzeugen vermag, der auch beim Procul Harum-Hit „A whiter shade of pale“ zur Geltung kam. Mit dem Ungarischen Tanz Nummer 5 von Johannes Brahms spielten die beiden dann regelrecht: Während die meisten Interpreten dort nach Herzenslust „Gas geben“, legten die beiden quasi eine „Verzögerungsspur“ in Richtung Verträumtheit ein. Klasse!

UKRAINISCHES FEUER.
Und in jedem Fall passte das ganz prima zur  furiosen Tirol-Premiere der Hudaki Village Band aus der Ukraine: Der österreichische Leader, Jürgen Kräftner – mit seiner riesigen Goldfasan-Feder am Hut, die beiden grandiosen Sängerinnen Katerina Jarinic und Olha Senynets, die Vollblut-Musiker Wolodja Tischler (Kontrabass), Wolodja Korolenko (Cimbalon), Wassily Ruschtschuk (Trommel), Michailo Shutko (Geige) sowie Sergej Kovacs (Akkordeon) und dessen Sohn Vitaliy (Gitarre) eroberten die Herzen im Sturm – vielleicht gerade deswegen, weil sich viele zunächst gar nicht vorzustellen vermochten, was da auf sie warten würde. Die Außerferner erlebten jedenfalls ein musikalisches Feuerwerk, das seinesgleichen sucht – und so wie Transkarpatien, die Heimatregion der Truppe (die lange Zeit zur k. und k. Monarchie gehörte), von Rumänien, Ungarn, Polen und der Slowakei umgeben ist, so stiegen auch die musikalischen Raketen aus den verschiedensten Richtungen hinauf zum Firmament der Melodien: Slawische, rumänische, magyarische, jiddische und Roma-Klänge bereicherten und vermischten sich, und man vermochte förmlich im kulturellen Reichtum Osteuropas zu baden. Dass das Ensemble aus einer alles andere als wohlhabenden Gegend stammt, aus der viele in die Fremde (auch nach Österreich) gehen müssen, um ihre Familie durchzubringen, tat der Begeisterung, mit der die Neun musizierten keinerlei Abbruch. Obwohl in den fröhlichen Melodien zuweilen auch viel Traurigkeit mitschwingt, die dann freilich mit viel Tempo und Feuer konterkariert wird: Tristesse etwa darüber, dass ein junger Mann weggeht, um das Geld für seine Hochzeit zu verdienen – nach seiner Rückkehr die Braut freilich schon einen anderen hat. Und so sagt Jürgen Kräftner denn auch: „Unsere Lieder hat nicht irgendwer geschrieben, unsere Lieder schreibt das Leben.“ Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass sich die Lebensfreude gerade unter den wenig Begüterten besonders Bahn zu brechen vermag. Wer sich von den Hudakis mitreißen ließ (und am Ende gab es Standing Ovations), der erlebte (und lebte auch selbst) jedenfalls einen ganz gewichtigen Beleg für diese Theorie. Auch wenn sich die Neun ihren Lebensunterhalt hauptsächlich als Hochzeitsmusiker in ihrer Heimat verdienen (und Stimmung machen können sie ja auch einfach grandios), so haben sie dennoch internationale Klasse. Das zeigt auch die Einladung zu einem hochkarätigen Weltmusikfestival in Porto in Portugal. Aber das Außerfern war früher dran...

WIE ES WEITERGEHT.
Das zweite Kulturzeit-Wochenende steht dann im Zeichen der bildenden Kunst: Am Freitag, 17. September, um 19 Uhr, findet in der Galerie Augenblick in Tann-heim die Vernissage der Ausstellung mit Sebastian Wehrles Fotos zum Thema „Trachten“ statt, tags darauf startet um 18 Uhr auf der Kirchwiese vor St. Anna in Reutte ein grenzüberschreitendes Projekt: Die Außerfernerin Christine Schneider zeigt gemeinsam mit Studierenden der Freien Kunstakademie Nürtingen am Neckar (die sie auch selbst besucht hat) eine moderne Interpretation eines Traditionsthemas: „Marterln modern“.

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