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„Petitions-Ball“ wird weitergereicht

3.000 Außerferner Unterschriften wurden nicht gehört. Die Enttäuschung beim Petitionswerber ist grenzenlos

Wehrhaft waren sie schon immer, die Außerferner. Am Rande – wenn nicht weit abseits der großen Machtzentren gelegen, eigen-willig und kämpferisch, wenn es drauf ankommt. Historisches Symbol dafür: Der Festungsgürtel Ehrenberg, in dessen Sichtweite, wenn der positive Bescheid kommt, eine Bodenaushubdeponie entstehen soll. Und wieder wird Sturm gelaufen, baut sich eine Mauer der Entrüstung auf, zeigt sich der Außerferner Kampfeswille. Umsonst?
23. September 2024 | von Sabine Schretter
„Petitions-Ball“ wird weitergereicht
Margit Dablander (vorne 3.v.r.) setzt sich federführend für die Bürgerinitiative „Nein zur Deponie am Katzenberg“ ein. Unterstützt wird sie unter anderem von Familie Leismüller (1.u.2.v.l), Erwin Schratz, Elisabeth Nessler-Kustatscher, GR Simon Grässle, GR Robert Pacher, Bgm. Günter Salchner (Stadtgemeinde Reutte), Ursula Huter und GR Johann Wacker (v.l.). RS-Foto: Schretter
Der Protest vieler äußerte sich  in Form von Unterschriften. Knapp 3.000 konnte die Bürgerinitiative „Nein zur Deponie am Katzenberg“ sammeln, brachte diese fristgerecht nach Innsbruck – verbunden mit der Hoffnung, Gehör beim Petitionsausschuss des Landes Tirol zu erhalten. Diese Hoffnung zerbröselte, obwohl eine „teilweise Zuständigkeit des Landes“ festgestellt worden war. Vertreter der Außerferner Bürgerinitiative waren zur Sitzung des Petitionsausschusses nicht eingeladen worden. Margit Dablander, grüne Bezirkssprecherin für das Außerfern, versteht die Welt nicht mehr: „Es geht mir sehr schlecht. Wo ich früher stets Widerstand spürte, spüre ich heute nur Resignation“, bedauert sie gegenüber der RUNDSCHAU. Entsetzt und enttäuscht sei man ob des Demokratieverständnisses der schwarz-roten Landesregierung. „Was ist in Innsbruck los, wenn es um den Bezirk Reutte geht? Gehören wir noch zu Tirol oder nicht?“, fragt sich Dablander.

BEDARFSPRÜFUNG ALS ZENTRALES THEMA. Die Petition der Bürgerinitiative kommt nicht mehr in den Landtag. Die Entscheidung in der Causa liegt jetzt bei Landesrat René Zumtobel, der unter anderem für die Bereiche Abfallrecht und Abfallwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit zuständig ist.
Bei einem spontan anberaumten Pressegespräch am Freitag, dem 20. September, wurde betont, dass es sich bei der Petition der Bürgerinitiative „Nein zur Deponie am Katzenberg“ um kein „grünes Projekt“ handelt, sondern dass diese überparteilich und parteiunabhängig sei. „Das zentrale Thema ist eine Bedarfsprüfung. Hier muss der Gesetzgeber endlich in Schwung kommen“, sagt Margit Dablander, die  federführend für die Bürgerinitaitive agiert. Bei knappen Ressourcen, wie sie im Außerfern bestehen, ist eine Bedarfsprüfung vor Errichtung einer Deponie zwingend notwendig. 23 Deponien gibt es im Bezirk Reutte, Fassungsvermögen 1,5 Millionen m3, im Dezember 2023 waren 730.000 m3 nachgenehmigt worden. Tirolweit stehen insgesamt mehr als 6 Millionen m3 Deponiefläche zur Verfügung. „Will man einen neuen Golfplatz anlegen, wird sehr wohl eine Bedarfsanalyse vorgenommen, nicht jedoch im Bereich der Abfallwirtschaft. Das Abfallwirtschaftsgesetz ist ein Bundesgesetz. Aus Raumordnungsperspektive hat das Land Tirol hier nichts mitzureden und die Gemeinde hat von Widmungsseite her nichts zu melden“, erklärt Bgm. Günter Salchner die Problematik.
Die Meinung von 3.000 besorgten Bürgern wird von der Landesregierung mit Füßen getreten. „Das Außerfern ist dem Land egal“, beklagt GR Simon Grässle, der zudem zu bedenken gibt: „Was, wenn weitere solcher Projekte bereits in der Pipeline schlummern?“ Der Wettbewerb zwischen Unternehmen wird auf dem Rücken der Bevölkerung und auf Kosten der Natur ausgetragen. Viele weitere Fragen gehen den Petitionswerbern durch den Kopf: „Ist man beim Land beleidigt, weil das Außerfern den Scheiteltunnel und die Maut nicht bejubelt und ignoriert uns deshalb?“ „Ist das Projekt von langer Hand geplant?“ Von Absprachen mit Bgm. Salchners Amtsvorgänger ist die Rede, allerdings weiß niemand etwas Genaues. Auch von einer Beschleunigungsspur am Katzenberg hört man. „Spielen die Tunnelbauvorhaben eine Rolle? Braucht man dafür die Deponie?“
Was wird die Bürgerinitiative jetzt unternehmen? Auf jeden Fall will  man weiter mit Nachdruck einbringen, dass es Bedarfsprüfungen geben muss. Außerdem wird abgeklärt, ob ein Einbringen der Petition beim parlamentarischen Petitionsausschuss möglich ist. Klar sei, dass es Deponien braucht. „Aber nicht jedes Unternehmen soll eine eigene Deponie unterhalten und Deponien an Stellen errichtet werden, wo sie nicht stören, wo man sie nicht sieht. Und sie sollen zu gleichen Konditionen, die auszuhandeln sind, für alle zugänglich sein“, erklärt Johann Wacker, Gemeinderat und Obmann des Bauausschusses der Stadtgemeinde Reutte.
Die Hoffnung, dass die Strabag als Antragstellerin für die Deponie am Katzenberg von diesem Projekt Abstand nimmt, wird sich wohl kaum erfüllen.

BALL LIEGT JETZT BEI LANDESRAT ZUMTOBEL. Die Petition wird nicht im Landtag behandelt, sondern über die Landtagsdirektion an LR René Zumtobel zugewiesen. Die RUNDSCHAU bat das Büro des Landesrates um eine Stellungnahme und erhielt folgende Auskunft: „Einleitend darf darauf hingewiesen werden, dass in der Petition eine Änderung der maßgeblichen Gesetzesvorschriften im Sinne einer generellen Bedarfsprüfung für Deponien vom Land Tirol gefordert wird. Das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, in welchem eine solche generelle Bedarfsprüfung geregelt werden müsste, ist allerdings ein Bundesgesetz im Zuständigkeitsbereich von BM Leonore Gewessler und kann vom Landesgesetzgeber nicht geändert werden. 
Bei der geplanten Deponie Katzenberg handelt es sich um ein laufendes Verfahren. Über die Genehmigung einer Bodenaushubdeponie entscheidet die zuständige Behörde nach den im Gesetz vorgesehenen notwendigen Erhebungen im abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahren. Dabei werden unter anderem Fragen geklärt, ob die Errichtung und der Betrieb der Deponie das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährdet, ob Nachbarn durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt werden oder ob das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn gefährdet werden. Fragen, die auch in der Begründung der Petition erwähnt werden. Nach den Naturschutzvorschriften ist insbesondere zu beurteilen, ob durch die geplante Deponie die Naturschutzinteressen beeinträchtigt werden und wenn ja, ob andere, öffentliche Interessen höher wiegen als die Naturschutzinteressen. Ob die maßgeblichen Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Behörde, wenn es um Fachfragen geht, unter Beiziehung von Sachverständigen, also ExpertInnen für den jeweiligen Fachbereich, zu klären. Deren Gutachten bilden die Grundlage für die behördliche Entscheidung. Gelangt die Behörde aufgrund der durchgeführten Ermittlungen zum Ergebnis, dass alle gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, hat sie die Genehmigung zu erteilen. Wann die Entscheidung vorliegen wird, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden.
Ergänzend darf erwähnt werden, dass Bodenhaushubdeponien benötigt werden, um Baumaßnahmen zur örtlichen und infrastrukturellen Weiterentwicklung zu ermöglichen. In Tirol wären in rund zehn Jahren die derzeit genehmigten Kapazitäten bei Bodenaushubdeponien erschöpft, wenn keine neuen mehr genehmigt werden. Mit Ende 2023 waren in Tirols Aushubdeponien rund 19,1 Millionen m3 Restkapazitäten vorhanden, durchschnittlich werden rund 3,5 Millionen Tonnen (ohne Großbauvorhaben mit eigenen Deponien) pro Jahr in Tirol deponiert. Diese Berechnung ergibt sich aus einer tirolweiten EDM-Abfrage (Elektronisches Datenmanagement des Bundes).

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