Spuren von Auschwitz im Außerfern
Täter und Opfer waren im Bezirk vorhanden
4. Feber 2025 | von
Johannes Pirchner

Das Lagertor von Auschwitz ist ein Symbol des Holocaust.
Foto: Gedenkstätte Ausschwitz.
Foto: Gedenkstätte Ausschwitz.
Ein menschenleeres, aber ein von den Spuren des Grauens gezeichnetes Lager. Die meisten Häftlinge waren von der SS auf Todesmärsche geschickt worden, zehntausende Häftlinge wurden in den letzten Tagen zuvor ermordet. Doch noch immer zeugten unzählige zurückgelassene Kleidungsstücke, Tonnen von Haaren und tausende Paar Schuhe von der Dimension des Verbrechens.Über eine Million Menschen waren hier ermordet worden, hauptsächlich Juden, aber auch politische Gegner, Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene und andere, die nach der Ideologie des Regimes als „lebensunwert“ galten. Doch Auschwitz war kein Zufallsprodukt der Kriegswirren – es war ein von Menschen geplantes, entworfenes und perfektioniertes Vernichtungssystem.
OPFER DER NAZIS. In den letzten Tagen des Dritten Reichs versuchten die Nazionalsozialisten, ihre Verbrechen zu vertuschen und vernichteten tausende Seiten an Schriftmaterial. Als ein gesichertes Opfer der Nazionalsozialisten im Bezirk Reutte gilt Kurt Weinberg, der 1934 nach Reutte kam und im Metallwerk Plansee als Korrespondent arbeitete. Weinberg wurde von seiner Persönlichkeit als Mensch geschildert, der keinem andern Menschen je etwas Schlechtes angetan hat. Ein ähnliches Schicksal haben auch Käte Gutmann aus Reutte und Alma Schultz aus Stanzach erlitten. Alle waren jüdische Mitbürger und kamen in einem Konzentrationslager des Ostens ums Leben. Wegen der Vernichtung des Schriftguts kann es nicht mehr gesagt werden, ob sie in Auschwitz den Tod fanden.
ARCHITEKTUR DES GRAUENS. Eine andere traurige Verbindung zwischen dem Außerfern und Auschwitz gibt es über einen der verantwortlichen Architekten für das KZ und die Gaskammern. Der Architekt, geboren in Mühlau bei Innsbruck, war für die Mitgestaltung des KZ und der Gaskammern in Auschwitz maßgeblich verantwortlich. Er trat 1933 der SS bei und wurde 1940 zur Zentralbauleitung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau versetzt. Dort übernahm er die Leitung des Planungsbüros, das für die bauliche Gestaltung des Lagers verantwortlich war. Seine Rolle ging weit über die eines bloßen Technikers hinaus.
FREISPRUCH. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er zunächst in sowjetische Kriegsgefangenschaft, kehrte jedoch nach einigen Jahren nach Österreich zurück. Statt juristisch belangt zu werden, wie es in der Nachkriegsjustiz üblich war, ließ er sich in Reutte nieder, wo er als Architekt und Bauunternehmer arbeitete. Zwischen 1959 und 1961 plante er auch das Paulusheim in Reutte. Es kam auch in den 1970er Jahren zu einer Anklage. Die Anklageschrift war erdrückend: Der Architekt wurde beschuldigt, durch die Planung und Instandhaltung der Gaskammern direkt an den Massenmorden beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht argumentierte allerdings, dass besagter Architekt kein „geistiger Urheber“ der Gaskammern gewesen sei, sondern lediglich technische Anweisungen ausgeführt habe. Er wurde freigesprochen. Das Urteil wird heute, wie sehr viele andere Freisprüche, gerade in der Geschichtswissenschaft als kritisch betrachtet. Im Allgemeinen waren Urteile gegen NS-Funktionäre sehr mild, wenn es überhaupt zu einer Verurteilung kam. Zu einer Aufarbeitung und einem gerechten Urteil kam es nicht.
WARUM KEIN NAME? Dieser Beitrag soll in erster Linie den Opfern des Holocaust gewidmet sein. Ihr Leid und ihr Gedenken stehen im Fokus. Gerade im Bezirk Reutte, in dem jeder jeden kennt, wäre es nicht zielführend, Nachkommen für einen Namen zu verurteilen. Der Name ist kein Geheimnis und kann bei Interesse leicht recherchiert werden. Entscheidend ist jedoch nicht die Person, sondern die Lehre aus der Geschichte.
VERANTWORTUNG FÜR TATEN. Unrecht wird nicht nur von denen begangen, die direkt töten, sondern auch von jenen, die es durch Planung, Organisation oder technisches Wissen ermöglichen. Auschwitz begann nicht mit Gaskammern, sondern mit Verhetzung, Ausgrenzung und Entrechtung. Diese Mechanismen sind keine bloße Vergangenheit – sie bleiben eine Warnung, wenn die Rechte von Mitbürgern beschnitten, Minderheiten diskriminiert oder demokratische Werte infrage gestellt werden. Der Fall des Architekten zeigt, dass die österreichische Justiz nach 1945 oft nicht bereit oder fähig war, NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen, während Überlebende lange um Anerkennung kämpfen mussten. Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit ihrer Vergangenheit umgeht, ob sie Unrecht aufarbeitet und ob sie heute jene schützt, die ausgegrenzt oder verfolgt werden.
NAMEN NICHT VERGESSEN. Das Außerfern war – wie ganz Österreich – aber nicht nur ein Ort von Tätern, sondern auch ein Ort von Opfern. Menschen wie Kurt Weinberg, Käte Gutmann und Alma Schultz wurden von den Nationalsozialisten entrechtet, deportiert und ermordet. Sie waren Teil unserer Gesellschaft, wurden jedoch ausgelöscht, ihre Namen dürfen nicht vergessen werden. Die Vergangenheit verschwindet nicht durch Schweigen – sie wirkt in der Gegenwart weiter. Erinnerung bedeutet nicht nur, der Opfer zu gedenken, sondern auch Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen. Wir alle sind gefordert, wachsam zu sein, wenn die Rechte von Mitmenschen beschnitten werden und wenn Hetze gesellschaftsfähig wird. Es ist unsere Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen, Menschenrechte zu verteidigen und aktiv gegen jede Form von Verhetzung und Ungerechtigkeit aufzutreten. Bundeskanzler Franz Vranitzky brachte es 1991 auf den Punkt: „Wir müssen uns eingestehen, dass viele Österreicher nicht Opfer, sondern Täter waren.“
OPFER DER NAZIS. In den letzten Tagen des Dritten Reichs versuchten die Nazionalsozialisten, ihre Verbrechen zu vertuschen und vernichteten tausende Seiten an Schriftmaterial. Als ein gesichertes Opfer der Nazionalsozialisten im Bezirk Reutte gilt Kurt Weinberg, der 1934 nach Reutte kam und im Metallwerk Plansee als Korrespondent arbeitete. Weinberg wurde von seiner Persönlichkeit als Mensch geschildert, der keinem andern Menschen je etwas Schlechtes angetan hat. Ein ähnliches Schicksal haben auch Käte Gutmann aus Reutte und Alma Schultz aus Stanzach erlitten. Alle waren jüdische Mitbürger und kamen in einem Konzentrationslager des Ostens ums Leben. Wegen der Vernichtung des Schriftguts kann es nicht mehr gesagt werden, ob sie in Auschwitz den Tod fanden.
ARCHITEKTUR DES GRAUENS. Eine andere traurige Verbindung zwischen dem Außerfern und Auschwitz gibt es über einen der verantwortlichen Architekten für das KZ und die Gaskammern. Der Architekt, geboren in Mühlau bei Innsbruck, war für die Mitgestaltung des KZ und der Gaskammern in Auschwitz maßgeblich verantwortlich. Er trat 1933 der SS bei und wurde 1940 zur Zentralbauleitung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau versetzt. Dort übernahm er die Leitung des Planungsbüros, das für die bauliche Gestaltung des Lagers verantwortlich war. Seine Rolle ging weit über die eines bloßen Technikers hinaus.
FREISPRUCH. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er zunächst in sowjetische Kriegsgefangenschaft, kehrte jedoch nach einigen Jahren nach Österreich zurück. Statt juristisch belangt zu werden, wie es in der Nachkriegsjustiz üblich war, ließ er sich in Reutte nieder, wo er als Architekt und Bauunternehmer arbeitete. Zwischen 1959 und 1961 plante er auch das Paulusheim in Reutte. Es kam auch in den 1970er Jahren zu einer Anklage. Die Anklageschrift war erdrückend: Der Architekt wurde beschuldigt, durch die Planung und Instandhaltung der Gaskammern direkt an den Massenmorden beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht argumentierte allerdings, dass besagter Architekt kein „geistiger Urheber“ der Gaskammern gewesen sei, sondern lediglich technische Anweisungen ausgeführt habe. Er wurde freigesprochen. Das Urteil wird heute, wie sehr viele andere Freisprüche, gerade in der Geschichtswissenschaft als kritisch betrachtet. Im Allgemeinen waren Urteile gegen NS-Funktionäre sehr mild, wenn es überhaupt zu einer Verurteilung kam. Zu einer Aufarbeitung und einem gerechten Urteil kam es nicht.
WARUM KEIN NAME? Dieser Beitrag soll in erster Linie den Opfern des Holocaust gewidmet sein. Ihr Leid und ihr Gedenken stehen im Fokus. Gerade im Bezirk Reutte, in dem jeder jeden kennt, wäre es nicht zielführend, Nachkommen für einen Namen zu verurteilen. Der Name ist kein Geheimnis und kann bei Interesse leicht recherchiert werden. Entscheidend ist jedoch nicht die Person, sondern die Lehre aus der Geschichte.
VERANTWORTUNG FÜR TATEN. Unrecht wird nicht nur von denen begangen, die direkt töten, sondern auch von jenen, die es durch Planung, Organisation oder technisches Wissen ermöglichen. Auschwitz begann nicht mit Gaskammern, sondern mit Verhetzung, Ausgrenzung und Entrechtung. Diese Mechanismen sind keine bloße Vergangenheit – sie bleiben eine Warnung, wenn die Rechte von Mitbürgern beschnitten, Minderheiten diskriminiert oder demokratische Werte infrage gestellt werden. Der Fall des Architekten zeigt, dass die österreichische Justiz nach 1945 oft nicht bereit oder fähig war, NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen, während Überlebende lange um Anerkennung kämpfen mussten. Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit ihrer Vergangenheit umgeht, ob sie Unrecht aufarbeitet und ob sie heute jene schützt, die ausgegrenzt oder verfolgt werden.
NAMEN NICHT VERGESSEN. Das Außerfern war – wie ganz Österreich – aber nicht nur ein Ort von Tätern, sondern auch ein Ort von Opfern. Menschen wie Kurt Weinberg, Käte Gutmann und Alma Schultz wurden von den Nationalsozialisten entrechtet, deportiert und ermordet. Sie waren Teil unserer Gesellschaft, wurden jedoch ausgelöscht, ihre Namen dürfen nicht vergessen werden. Die Vergangenheit verschwindet nicht durch Schweigen – sie wirkt in der Gegenwart weiter. Erinnerung bedeutet nicht nur, der Opfer zu gedenken, sondern auch Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen. Wir alle sind gefordert, wachsam zu sein, wenn die Rechte von Mitmenschen beschnitten werden und wenn Hetze gesellschaftsfähig wird. Es ist unsere Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen, Menschenrechte zu verteidigen und aktiv gegen jede Form von Verhetzung und Ungerechtigkeit aufzutreten. Bundeskanzler Franz Vranitzky brachte es 1991 auf den Punkt: „Wir müssen uns eingestehen, dass viele Österreicher nicht Opfer, sondern Täter waren.“