Was hinter den Bauzäunen passiert
Hunderte besichtigen das EWR-40-Millionen-Projekt – und erlebten Technik, Geschichte und Visionen
10. Juni 2025 | von
Johannes Pirchner
Im Rahmen geführter Rundgänge präsentierten die Elektrizitätswerke Reutte (EWR) zentrale Bereiche des Projekts: Vom Lagerplatz beim Linztextilareal führte die Tour über das Kraftwerkshaus und das neue Einlaufbauwerk bis zur modernisierten Wehranlage in Höfen. Projektverantwortliche und Techniker standen vor Ort für Fragen bereit und gaben fachkundige Einblicke in Technik, Baufortschritt und Umweltmaßnahmen.
PROJEKT MIT DIMENSIONEN. Mit einem Investitionsvolumen von rund 40 Millionen Euro zählt das Bauvorhaben zu den größten des Außerferns. Die Finanzierung erfolgt durch Eigenmittel, Fremdkapital und Förderungen. In Spitzenzeiten sind bis zu 150 Arbeitskräfte gleichzeitig auf den Baustellen im Einsatz. Der bauliche Aufwand ist enorm: 20.000 Tonnen Beton wurden abgetragen, 5.000 Kubikmeter neu eingebracht, 30.000 Tonnen Flussbausteine und 315 Tonnen Stahlwasserbauteile verarbeitet.
RÜCKGRAT DER ENERGIEWENDE. Künftig erzeugen zwei Kaplan-Turbinen im modernisierten Kraftwerk Reutte jährlich Strom für etwa 4.200 Haushalte. Reutte 1 dient künftig als Einlaufstelle für unterirdische Druckrohrleitungen, während Reutte 2 zur zentralen Erzeugungseinheit wird.
NACHHALTIGKEIT. Besonderes Augenmerk liegt auf ökologischen Aspekten: Die Kanalfläche wird rekultiviert und als Grünraum neu gestaltet. Ein modernisiertes Restwasserkraftwerk in Höfen sorgt für kontinuierliche Wasserführung im Lech. Zudem wird ein wertvolles Biotop bei der alten Wehr revitalisiert. Das Projekt steht damit beispielhaft für die Verbindung von Energieproduktion, Umweltbewusstsein und regionaler Verantwortung. „Wasserkraft ist die tragende Säule unserer regionalen Stromversorgung, effizient, wetterunabhängig und ökologisch verantwortbar. Gerade mit Blick auf schwankende Einspeisung durch Sonne und Wind brauche es stabile, planbare Erzeugung. Was wir hier bauen, ist kein Symbol, sondern ein funktionierendes Modell für die Energiewende“, betont EWR-Vorstand Sebastian Freier.
VERANTWORTUNG FÜR REGION. „Weniger sichtbares Kraftwerk, mehr Natur, mehr Leistung“, bringt EWR- Vorstand Richard Alber das Vorhaben auf den Punkt. Gemeinsam mit Freier betonte er die Bedeutung des Projekts für die Energiestrategie „Tirol 2050“: Ziel sei es, Energie effizienter zu nutzen und regionale Eigenerzeugung auszubauen als Alternative zu milliardenschweren Importen fossiler Energien. „Die Menschen hier in der Region haben ein gutes Gespür für nachhaltige Entwicklung, deshalb ist es uns wichtig, offen zu zeigen, was wir tun“, so Alber. Die starke Beteiligung bei der Baustellenführung sei auch ein Zeichen dafür, „dass regionale Energie wieder ein Stück Identität geworden ist“.
SEIT DER HABSBURGERMONARCHIE. Die Fertigstellung ist für Herbst 2026 geplant – genau zum 125-jährigen Bestehen der EWR. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in die späten Jahre des Kaisertums, als erstmals Wasserkraft zur Versorgung lokaler Betriebe genutzt wurde. Über die Elektrifizierung der Region, den Ausbau nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur heutigen Rolle als moderner Energiedienstleister spannt sich eine eindrucksvolle Geschichte – tief verwurzelt mit dem Außerfern und doch stets zukunftsgerichtet. Die aktuelle Modernisierung reiht sich nahtlos in diese lange Tradition technischer Weiterentwicklung ein – als Investition in Versorgungssicherheit, Klimaschutz und regionale Wertschöpfung.