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„Der hat einen Traum“

Thomas Steurer ist begeistert von seinem argentinischen Schützling bei der nordischen WM

Am Ende waren Ärger und Traurigkeit dann doch schnell verraucht: Nachdem sein argentinischer Schützling Gonzalo Gomez eine für seine Verhältnisse sehr gute Leistung gebracht hatte, konnte Thomas Steurer, der Außerferner Coach des Südamerikaners, die Enttäuschung darüber schnell abhaken, dass er wegen der deutschen Einreisesperre trotz Akkreditierung nicht direkt bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf dabei sein konnte.
1. März 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Der hat einen Traum“
Die Enttäuschung, bei der nordischen Ski-WM als Coach nicht direkt vor Ort sein zu können, hat Thomas Steurer überwunden. Jetzt kann er schon wieder fröhlich lachen. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
114. von 156 klassierten Läufern (weitere sieben gaben auf oder wurden disqualifiziert, zwei traten nicht zum Start an) im Sprint der Herren am ersten Wettkampftag – das kann sich für einen „Exoten“ in dieser Sportart durchaus sehen lassen. Zumal er aus dem Norden seines Heimatlandes stammt, „wo es recht heiß ist und man mit Langlauf normal nicht viel am Hut hat“, wie sein Reuttener Trainer schmunzelt.
Aber wie kommt man als jemand, der in Vils aufgewachsen ist, dazu, einen Sportler aus Lateinamerika zu betreuen? „Gonzalo hat sich per Facebook an mich gewandt. Er wohnt in der Schweiz, und irgendein italienischer Trainer hat mich ihm wohl empfohlen.“ Erstes gemeinsames Ziel: Die U23-WM im vergangenen Jahr in Oberwiesenthal im Erzgebirge. Man traf sich bei Thomas Steurer daheim, der Tiroler nahm ihn im hauseigenen Kraftraum unter die Lupe, schaute nach den Körperfunktionen: „Motorisch hat der mich schon sehr beeindruckt. Ohnehin war ich positiv überrascht. Ich nehme nicht jeden.“

GLÄNZENDE AUGEN. 
Schnell war man sich einig und sympathisch. Die Außerferner Langlauf-Legende schrieb einen Trainingsplan, der einem Stundenplan in der Schule ähnelt und auch genau berücksichtigt, wann Gonzalo arbeiten muss. Denn er ist kein Profi. Bevor es so richtig losging, musste er indes zum sportmedizinischen Test: „Ich wollte sicher gehen, dass er sich in der Schweiz nicht zu viel zumutet.“
Die gegenseitige Sympathie kommt wohl nicht von ungefähr: „Ähnlich wie ich geht der seine Karriere außerhalb des Skiverbands an. Deswegen taugt der mir so. Der hat einen Traum, und wenn er davon erzählt, kriegt er glänzende Augen.“ So wie Thomas damals selbst, als er von seinen ersten Betreuern Heidi und Reinfried Brutscher sowie Walter Seisenbacher zum jetzigen Breitenwanger Bürgermeister Hanspeter Wagner wechselte, der als erster Coach nach einem exakten Trainingsplan mit ihm arbeitete. Beim König-Ludwig-Lauf in Oberammergau wurde er sensationell 15. - und damit schaffte er 1999 den Sprung zu den Profis. Denn plötzlich meldeten sich die Skifirmen.
Doch schon als junger Mann dachte Steurer an die Zeit nach der aktiven Laufbahn und absolvierte nach der Matura Ausbildungen als Bergwanderführer und Trainer. Seine Erfahrungen aus der eigenen Karriere kommen ihm jetzt übrigens bei der Arbeit mit Gonzalo und auch anderen Athleten aus den verschiedensten Sportarten zugute: „Ich habe damals viel zu viel trainiert. Ich war eine Wildsau. Dass hat mir aber für später auch viel gebracht, weil ich dadurch eine brutale Grundlage bekam, obwohl ich in dieser Phase eher schlecht gelaufen bin.“

AUCH ALS TRAINER KANN MAN LERNEN.
Erkennt er sich also ein bissle in Gonzalo wieder? Der Reuttener schüttelt den Kopf: „Der ist ein ganz anderer Typ, ein Südländer eben – impulsiver, offener, enthusiastischer. Ich ,kopfe' brutal viel Der packt es locker an – und siehe: Das geht auch.“ Kann man also sogar als Trainer noch was lernen? „Sicher. Zum Beispiel, dass es nicht nur einen Weg gibt. Wir hier wollen oft mit der Brechstange durch den Wald. Die Südländer zeigen einem, dass es manchmal auch einen Weg um die Wand herum gibt. Es ist cool, wenn man mit Athleten aus verschiedenen Ländern arbeitet, das rundet das Bild ab, ist einfach lässig. Wenn ich als Trainer aufhöre zu lernen, kann ich einpacken.“ Als er am Mittwoch vergangener Woche im Fernsehen die Bilder von der Sprint-Qualifikation gesehen und Alois Stadlober habe kommentieren hören, da habe er sicher zunächst einmal gejammert: „Sicher zipft's mi erst einmal o, aber die Veranstalter haben sich wirklich bemüht, eine Lösung zu finden, doch es ging einfach nicht. In meinem Leben hab ich gelernt, dass, wenn man Sachen nicht ändern kann, es halt einfach so ist. Wie oft habe ich beim Rennen schon den falschen Ski angehabt...“
Also: Schwamm drüber, nicht ärgern, weitermachen, neue Ziele setzen. Als da wären? „Olympia natürlich – und dann fahr ich nach Peking!“, lacht Thomas. Und seine Augen glänzen. 
 

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