Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Keine Wettkämpfe– dafür Fokus aufs Examen

Außerferner Radsportler Christoph Gobber durchlebt Übergangssaison

Es lief gerade richtig gut: Der Trainingsplan ging auf, die Form passte, gesetzte Ziele konnten erreicht werden. Die Radsaison 2021 war eine sehr gute für den Außerferner Radsportler Christoph Gobber. Dann traf ihn ein Ereignis mit Vollbremswirkung.
18. April 2022 | von Sabine Schretter
Keine Wettkämpfe– dafür Fokus aufs Examen
Christoph Gobber im Gespräch mit der RUNDSCHAU. Foto: Gobber
Von Sabine Schretter.
„Bis Anfang September war die Radsaison wirklich top. Ich konnte meine Trainingsleistungen gut umsetzen, wieder einen guten Schritt nach vorne machen und tolle Ergebnisse einfahren“, resümiert Christoph Gobber im Gespräch mit der RUNDSCHAU. Auch Trainer Thomas Steurer war zufrieden. Gemeinsam gesteckte Ziele konnten erreicht werden. Auch sei es gut gelungen, Schule und Sport unter einen Hut zu bringen. Die Highlights der Saison waren die Rennen auf das Kitzbüheler Horn und auf den Kitzbüheler Hahnenkamm sowie die Dolomitenrundfahrt. „Bei allen Rennen konnte ich umsetzen, was ich mir vorgenommen hatte. Ich hatte Spaß und war top-motiviert.“

Sinnfrage.
Den plötzlichen Unfalltod seines besten Freundes aus Reutte, mit dem er auch gemeinsam die Ausbildung zum Physiotherapeuten in Kempten absolvierte, nennt Gobber eine Zäsur. „Dass das von einem auf den anderen Tag passierte, warf mich richtig aus der Bahn. Wir waren nicht nur beste Freunde, wir waren auch beste Sportkollegen.“ Seine letzten beiden Rennen der Saison 2021 – jene auf den Schlosskopf und auf den Dürrenberg – fuhr Christoph Gobber für seinen besten Freund. Und es waren zwei seiner besten Rennen der Saison. Mit Trainer Thomas Steurer war abgesprochen, dass Gobber danach keine Wettkämpfe mehr bestreiten würde. „Wir hätten zwar noch weitere große Pläne bis Saisonende gehabt. Nach den Rennen auf den Schlosskopf und den Dürrenberg konnte ich mich aber nicht mehr auf mein Training konzentrieren.“ Bis Ende Oktober fuhr Christoph Gobber dennoch weiter Rad, „für mich und ohne Wettkämpfe“.
Der unerwartete Todesfall hat dem jungen Sportler zugesetzt – mental und körperlich. Er habe sich immer wieder die Sinnfrage gestellt: „Wozu mache ich das eigentlich alles? Will ich den Leistungssport weiter betreiben, dafür so hart arbeiten, auf vieles verzichten?“ Zudem merkte Christoph Gobber, dass auch seine Gesundheit einen Knacks abbekommen hatte. „Ich war vorher nie wirklich krank. Doch jetzt war ich plötzlich viel anfälliger für Infekte.“ Ende Oktober infizierte sich Christoph Gobber mit Corona: „Es war ein Impfdurchbruch. Die Deltavariante machte mir mit massiven Symptomen sehr zu schaffen.“ Nach der Quarantäne stand ein Praktikum in Immenstadt auf dem Programm. Massive konditionelle Probleme machten sich bemerkbar. „Vor der Infektion war ich körperlich ja in einer sehr guten Verfassung. Doch beim Praktikum war Treppensteigen über drei Stockwerke schon grenzwertig. Da ging dann so gut wie nichts mehr. Ich hielt durch, bewegte mich aber am Limit“, schildert Christoph Gobber.
Während dieser Zeit trainierte er gar nicht mehr, setzte sich aber das Ziel, zu Weihnachten wieder anzufangen. Daraus wurde nichts. Als nach siebenwöchiger Trainingsabstinenz selbst Joggen nicht funtionierte, ergab eine eingehende Untersuchung die Diagnose Herzmuskelentzündung. „Eine Folge meiner Coronaerkrankung.“ Sport war erst einmal nicht erlaubt, „bis auf Spazierengehen“.  Die Myokarditis wurde erfolgreich behandelt und macht keine Probleme mehr. „Auch nicht, als ich mir im Februar ein zweites Mal Corona einfing. Diesmal Omikron, was aber vergleichsweise harmlos verlief. Die Quarantäne war das Härteste.“ Viel geholfen  habe ihm eine Ärztin an der Schule in Kempten. „Sie ist auch Psychiaterin. Mit ihr konnte ich meine mentalen und körperlichen Probleme besprechen und gut aufarbeiten. Das hat mir sehr gut getan“, lässt Christoph Gobber wissen.

 
Keine Wettkämpfe– dafür Fokus aufs Examen
Christoph Gobber (vorn) in Topform bei der Dolomitenrundfahrt am 18. Juli 2021.
Substanzverlust.
Mittlerweile sind einige Wochen vergangen und Christoph Gobber darf wieder Sport betreiben. Die Freude daran ist ungebrochen. Jetzt geht es darum, den enormen Substanzverlust wieder auszugleichen, basierend auf seinem Grundniveau wieder Form aufzubauen. „Es ist ziemlich mühsam. Krafttraining ist Folter und sechs Stunden durchradeln geht noch nicht. Wollte ich wieder Wettkämpfe bestreiten, wäre dies frühestens im Herbst möglich.“ Im Herbst steht aber auch sein Examen im Terminkalender. „Eine Wettkampfsaison wäre daher gar nicht in vollem Umfang möglich.“
Christoph Gobber glaubt, dass der Tod seines Freundes einen Stein ins Rollen brachte: „Die Sinnfrage, ob es der Wettkampfsport wirklich ist, stelle ich mir jetzt sehr konkret. Daher rührt auch mein Entschluss, mein Examen jetzt in den Fokus zu stellen und schon auch weiter Sport zu betreiben, allerdings nicht auf Leistungssport- und Wettkampfniveau. Ich fahre wieder Rad, habe Freude am Sport. Aber derzeit tue ich das nicht mit dem Drive wie früher.“ Christoph Gobbers Trainer Thomas Steurer hat einen Trainingsplan entwickelt, der viel Freiheiten zulässt. „Thomas ist sehr bemüht, macht mir keinen Stress. Mit dem Trainingsplan arbeiten wir an meiner allgmeinen Fitness und am Formaufbau. Mein Trainer ahnt aber schon, dass diese Saison eine Übergangssaison für mich ist.“ Er werde zu 90 Prozent keine Radrennen fahren. „Wenn ich ein Radrennen fahre, will ich auch abliefern. Da fahre ich nicht einfach zum Spaß, da muss meine Leistung schon stimmen. Das kann ich derzeit aber einfach nicht erfüllen. Ob ich den ,stursinnigen‘ Wettkampfsport wieder betreiben werde, kann ich nicht festlegen. Ich bin mir einfach nicht sicher. Es kann aber gut sein, dass ich den ein oder anderen Halbmarathon mitlaufe oder an anderen Laufwettbewerben teilnehme.“
Freude bleibt. Die Freude am Sport ist ungebrochen. Sport wird immer einen wichtigen Part in Christoph Gobbers Leben einnehmen. Noch ist allerdings unklar in welcher Ausprägung. „Der Fokus liegt jetzt eindeutig auf dem Examen im Herbst. Eventuell schließe ich dann noch eine Ausbildung zum Sportphysiotherapeuten oder in Richtung Ernährungswissenschaften an. Reizen würde mich auch, als Betreuer Athleten bei Großereignissen zu begleiten. Bei Olympischen Spielen in einem Betreuerteam zu arbeiten würde mir schon taugen.“ Nach dem Examen sei aber erst einmal Urlaub angesagt, verrät der Gobber.

Danach ist alles offen.
„Ich fahre weiter für das Team ,Auto Brosch Kempten‘. Die Dressen trage ich auch, wenn ich privat Rad fahre. Auch mein Sponsorvertrag mit den Sonnenbergbahnen Grän, den ich 2020 unterzeichnet habe, läuft weiter.“ Dafür sei er auch sehr dankbar.
Es ist nicht immer alles planbar. Um im Leistungssport erfolgreich abzuliefern, müssen Körper und Geist mitspielen. Zeichnet sich eine Wende ab, hilft es, sich für eine Entscheidungsfindung die Zeit zu nehmen, die man braucht. Chris-toph Gobber nimmt sich diese Zeit. Die RUNDSCHAU wünscht ihm alles Gute für seine Zukunft – ob als Sportphysiotherapeut oder als Radsportler.
Keine Wettkämpfe– dafür Fokus aufs Examen
Es war ein absolutes Saisonhighlight 2021: Beim Rennen auf den Kitzbüheler Hahnenkamm platzierte sich Christoph Gobber an zweiter Stelle hinter dem Italiener Michael Spögler. Foto: SV Kitzsport

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