Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Fuckup Night Reutte #1

Drei Speakerinnen erzählten im Festzelt der Wirtschaftsmeile über ihr Scheitern und Vorwärtskommen

Sein Scheitern einzugestehen, erfordert Mut. Sein Scheitern anderen gegenüber offenzulegen, darüber zu sprechen und dazu zu stehen, braucht Courage. Aus dem Scheitern Erfahrungswerte zu extrahieren, mit diesen zu lernen und zu wachsen, stärkt und eröffnet Perpektiven. Fuckup Nights setzen hier an. Speaker stellen sich vor ein Publikum, erzählen über ihr Scheitern. Sprechen über die Lehren, die sie gezogen haben, über das Lernen aus der vermeintlichen Niederlage und und schließlich über ihr Wachsen an den Erkenntnissen.
4. Juli 2022 | von Sabine Schretter
Fuckup Night Reutte #1
Carina Frei erzählte bei der Fuckup Night Reutte #1 über ihr Scheitern und wie es danach für sie weiterging. RS-Fotos: Schretter
Von Sabine Schretter.
Zwei Tage vor der Eröffnung der Wirtschaftsmeile Reutte ging die erste Fuckup Night – eine Kooperation der Raiffeisenbank Oberland-Reutte und der Wirtschaftskammer Reutte – im großen Festzelt über die Bühne. Die Moderatorin, Bettina Wenko,  bezeichnete Fuckup Nights in ihrer Eröffnungsansprache als „eines der größten Innovationsnetzwerke“. 2012 fanden die ersten Fuckup Nights in Mexiko statt, 2014 erstmals in Wien und 2015 holte Bettina Wenko Fuckup Nights auch nach Innsbruck. Mittlerweile teilten mehr als 100 Speaker in 32 Events in ganz Tirol ihr Scheitern mit. Am 29. Juni erstmals auch im Außerfern. Roger Klimek, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Oberland-Reutte,  sagte: „Wir erleben die Fuckups unserer Kunden hautnah. Scheitern ist bei uns immer noch ein Stigma. Wir unterstützen es, darüber offen zu sprechen. Scheitern besitzt für mich einen sehr hohen, wenn nicht den höchsten Lernfaktor.“

Drei Speakerinnen.
Carina Frei betrat als Erste die Bühne. Als gelernte Schauspielerin nichts Ungewohntes für sie. Sie präsentierte ihre „Trilogie des Scheiterns“ – einmal als Schauspielerin, dann als Hausfrau und schließlich mit ihrer Videoproduktionsfirma. Doch genau diese Trilogie des Scheiterns bezeichnet Frei als verantwortlich dafür, dass sie jetzt die eigenen Erfahrungen an andere weitergibt. So zum Beispiel in ihrem ersten Buch, der „Gründerbibel“, die sie im Vorfeld der Fuckup Night präsentierte. Als Schauspielerin habe sie sich zu viel Druck aufgebaut, zu viel auf die Meinung anderer gehört. Als junge Mutter entwickelte sie eine postnatale Depression, vermisste ihr früheres Leben und die Schauspielerei. Mit der Idee, eine Videoproduktionsfirma zu gründen, knüpfte sie hier an. Es lief richtig gut, für 2020 waren die Auftragsbücher voll. Dann kamen Corona und das dritte Scheitern. Aus der Überlegung, was sie selbst gut kann, und, was sie anderen beibringen kann, entwickelte sich etwas Neues: Als Moderatorin, Coach und Vortragende hilft Carina Frei mit ihren Erfahrungen anderen.
Die Münchnerin Michaela Forthuber hatte vor 20 Jahren eine Business-idee, die sie als ihr größtes Scheitern bezeichnete. Grundidee: Ins Ausland reisen und dort wohnen, ohne ein Hotel zu buchen. Gemeinsam mit einem Partner reichte sie einen Businessplan ein. Seine Bank stimmte zu, ihre nicht. Plan B gab es für Forthuber keinen, sie war gescheitert. Der Partner machte allein weiter, scheiterte später aber auch. Bitterer Beigeschmack: Einige Jahre später hatten zwei junge Menschen die gleiche Idee, gründeten die Online-Plattform Airbnb und machen Milliarden damit. Michaela Forthubers Lehren, die sie heute weitergibt, sind: Sich für sich selbst entscheiden. Die Bewusstheit gewinnen, was man selbst braucht. Eine radikale Eigenverantwortung, zu der auch das Scheitern gehört. Als Verfechterin des Embodiments (Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt) gibt sie ihre Erfahrungen heute als Unternehmensberaterin weiter.
 
Fuckup Night Reutte #1
Michaela Forthuber erzählte bei der Fuckup Night Reutte #1 über ihr Scheitern und wie es danach für sie weiterging. RS-Fotos: Schretter
Moderatorin Bettina Wenko, selbst seit 2018 beim „Club der Fuckuper“,  schließt mit ihrer Darstellung die Runde der Speakerinnen der Fuckup Night Reutte #1 ab. Als sie im August 2017 beschloss, sich selbstständig zu machen, moderierte sie bereits Fuckup Nights. Ihre Idee: Sie gründete gemeinsam mit einem Partner und einem Investorenehepaar, das eine tolle Immobilie zur Verfügung stellte, den Coworking-Place „Wundervoll“ in Innsbruck. 2018 war die Eröffnung. Doch Wenkos Bauchgefühl signalisierte damals schon, dass etwas nicht passt, dass ihre Vision nicht die des restlichen Teams – das zu zerbröckeln begann – war. Sie machte weiter, bis ihr Körper immer lauter sagte: „Es passt nicht!“ Ein Monat Auszeit und der Entschluss auszusteigen, folgten. Im August 2019 verließ Bettina Wenko „Wundervoll“, das es heute noch gibt. Was sie gelernt hat? Nicht mehr zu allem ja zu sagen, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen. Ziele möchte sie gemeinsam mit einem Team erreichen. „Wenn eine Tür zufällt, öffnet sich woanders eine neue“, sagt Bettina Wenko und beschließt die erste Fuckup Night in Reutte: „Let’s fuckup some more!“
Fuckup Night Reutte #1
Bettina Wenko erzählte bei der Fuckup Night Reutte #1 über ihr Scheitern und wie es danach für sie weiterging. RS-Fotos: Schretter

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