Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Beutegreifer rissen 619 Nutztiere

Erschreckende Almsommerbilanz 2021: Doppelt so viele Risse wie im Jahr zuvor

Nun liegt der Jahresbericht 2021 des Landes Tirol über Bär, Wolf, Luchs und Goldschakal vor: Vergangenes Jahr ist die Zahl der nachgewiesenen großen Beutegreifer wie auch die Zahl der Nutztierverluste neuerlich massiv angestiegen. Mit 619 toten und vermissten Almtieren hat sich die Zahl der Nutztierverluste gegenüber 2020 verdoppelt.
14. Feber 2022 | von Gebi G. Schnöll
Beutegreifer rissen 619 Nutztiere
Kilometerlange Weidezäune wurden auf der „Lader Heubergalm“ errichtet, um die Schafe in bestimmten Bereichen halten und im Ernstfall in einem Pferch sammeln zu können. Ob solche Bilder dem Tourismus dienlich sind? Foto: Büro Alpe
Von Gebi G. Schnöll

378 tote Schafe, Ziegen und ein Rind sowie einige verletzte Tiere wurden 2021 von den Sachverständigen in Zusammenhang mit der Präsenz von Wölfen, Bären und Goldschakalen gebracht. Mit 77,5 Prozent ist der Großteil der toten Nutztiere Wölfen zuzuordnen, knapp 22 Prozent werden Bären zugeschrieben. 14 verschiedene Wolfsindividuen und erstmals drei verschiedene Bären wurden 2021 in Tirol entweder genetisch, über Spuren oder Bilder nachgewiesen. Zudem wurde sieben Mal ein Luchs bestätigt. Vier Mal ergab die DNA-Analyse einen Goldschakal. Rund 190 Mal sind Amtstierärzte und Sachverständige ausgerückt, um vor Ort Rissbeurteilungen vorzunehmen und Proben für genetische Untersuchungen zu sammeln. 241 Tiere wurden in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Rissgeschehen als vermisst gemeldet. Aufgrund einer unmittelbar drohenden Gefahr wurden außerdem rund 2.300 Nutztiere vorzeitig von 21 Almen abgetrieben und mussten auf den Heimbetrieben mit Futter versorgt werden. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 220.000 Euro.
Erkenntnisse aus Herdenschutz-Pilotprojekten. Vor zwei Jahren wurden auf Projektalmen im Oberland auf mehrere Jahre angelegte Herdenschutz-Pilotprojekte zur Umsetzung von gelenkter Weideführung und Herdenschutzmaßnahmen gestartet. „Es wurden zwei verschiedene Modelle erprobt, um erste Erfahrungen mit Herdenschutz zu sammeln und in der Frage des Wolfsmanagements weiterzukommen. Unser Ziel ist die Erhaltung der Almwirtschaft und der damit verbundenen Leistungen für die Freizeitgestaltung, die Katastrophenvorsorge, aber auch die Biodiversität“, hält LH-Stv. Josef Geisler fest und zieht vor allen Beteiligten seinen Hut.

Extremer Kostenanstieg. Jetzt liegen die ersten Ergebnisse aus den zwei fachlich intensiv begleiteten Projekten auf der „Spisser Schafbergalm“ und der „Lader Heubergalm“ vor. Beide Almen liegen in touristisch wenig frequentierten Gebieten. Es zeigen sich enorme Kostensteigerungen für die Schafalpung um mehr als 400 Prozent sowie eine deutlich gestiegene Arbeitsbelastung nicht nur für das Almpersonal, sondern auch für die Bewirtschafter und deren Helfer. Die Abkehr vom freien Weidegang der Schafe hat auch Auswirkungen auf Fresszeiten, Bewegungsmuster, Gewichtsentwicklung und die Übertragung von Krankheiten. Auf beiden Pilot-Almen wurden erstmals eigene Schafhirten angestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass selbst ein erfahrener Hirte samt Hütehund die Herausforderungen zumindest im ersten Jahr nicht alleine bewältigen konnte. Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit von hochqualifiziertem Almpersonal ein Schlüsselfaktor. „Die Alm ist ein Saisonarbeitsplatz. Hirten sind ein Mangelberuf und im gesamten Alpenraum rar gesät. Und für die Umsetzung von gelenkter Weideführung und Herdenschutz braucht es echte Profis, die entsprechend entlohnt werden müssen. Diese Arbeit ist mühevoll und hat nichts mit Almromantik zu tun. Allein vor diesem Hintergrund sind die in Erprobung befindlichen Modelle nicht auf die 400 Tiroler Schafalmen umlegbar. Wir reden hier allein für die Schafalmen von hunderten Hirten, die es schlicht und ergreifend nicht gibt. Daran wird auch die geplante Ausbildungsoffensive nichts grundlegend ändern“, so Geisler.

Wer soll das bezahlen? Das Land Tirol hat im Jahr 2021 in Summe drei Herdenschutz-Pilotprojekte mit knapp 380.000 Euro unterstützt. 100.000 Euro wurden 2021 alleine für Hirten aufgewendet. Ein großer Kostenfaktor sind auch Erstinvestitionen. Knapp 130.000 Euro mussten im ersten Projektjahr in Hirtenunterkünfte investiert werden. Zaunmaterial und Zaunarbeit wurden mit rund 62.000 Euro unterstützt. Rund 26.000 Euro wurden für Transportflüge mit Hubschraubern aufgewendet. Vorbereitende Maßnahmen zur Sicherstellung der Tiergesundheit der aufgetriebenen Schafe schlugen sich mit 50.000 Euro zu Buche.
 

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