Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Die Magie des Orients

Der Inzinger Krippenverein pflegt seit 110 Jahren die Liebe zu orientalischen Krippen

Inzing ist eines der traditionellen Krippendörfer rund um Innsbruck. Vor 110 Jahren gründeten die krippenbegeisterten Inzinger den Krippenverein. Damals war ihre große Krippe in der Inzinger Pfarrkirche schon 50 Jahre alt. Am dritten Adventsonntag wurde sie wieder aufgebaut.
14. Dezember 2020 | von Lia Buchner
Die Magie des Orients<br />
Die Magie des Orients: Einzug der heiligen drei Könige, prachtvoll inszeniert vom Schnitzer Johann Giner. Links das Kamel von Alexander Öfner nach dem lebenden Modell eines Zirkuskamels.  Foto: Bernhard Wanner
Von Lia Buchner

Die großen Bauteile des Krippenberges müssen die Männer zu zweit heben. Einer verarztet sich gerade, weil er einen herausstehenden Nagel übersehen hat. Drei andere legen die Stromleitungen, damit Bethlehem auch leuchtet. Samstag, kurz nach zehn, ist reges Treiben in der Inzinger Pfarrkirche: die Männer des Krippenvereins bauen wieder die große „Giner-Krippe“ auf. Als alles steht und die Lichter in den Häusern ordnungsgemäß angehen, gibt es die erste Runde „Gloriawasser“.
Eine Großkrippe ist immer ein Gemeinschaftswerk, erzählt Bernhard Wanner, Obmann des Krippenvereins. Den Krippenberg, so nennen sie die Geburtsgrotte und die Gebäude von Bethlehem, hat der Thaurer Matthias Zimmerling 1860 gebaut. Zehn Jahre zuvor war Zimmerling auf einer Pilgerreise in Palästina – mit Kutsche, Schiff und zu Fuß war er ein Jahr lang unterwegs – und brachte eine nicht mehr endende Faszination für die Magie des Orients mit nach Hause. Und natürlich jede Menge Skizzen des historischen Bethlehems. Von nun an baute er orientalische Krippen und wurde ein wegweisender Meister darin. Seine „Thaurer Tradition“ etablierte die auch heute noch übliche Orientierung der Krippe: in der Mitte die Grotte mit der Heiligen Familie, rechts Bethlehem, links das Hirtenfeld. Auch die Hintergrundmalerei stammt von Zimmerling. 

Die Krippenfiguren dagegen gestaltete der hochtalentierte Schnitzer Johann Giner der Jüngere, ebenfalls ein Thaurer. „Handgeschnitzte Figuren waren damals wie heute sehr teuer“, erzählt Wanner, „aber Inzing hat sie billig bekommen“. Johann Giner war dem Alkohol ergeben und so arbeitete er als „Störschnitzer“ für Kost, Logis und einen Schnapsvorrat für die Inzinger. Drei Jahre blieb er, bis die Krippe mit 91 Figuren bevölkert war. Die niederen Schafe und Ziegen überließ er übrigens anderen. Spannend ist, wie er die Hirten trotz orientalischen Umfelds in heimatlich Tiroler Tracht darstellte. Seine wunderbar ausdrucksstarken Figuren zählen zu seinen besten, sie werden bis heute vom Verein gehütet und nötigenfalls vorsichtig restauriert. Nur die Kamele hat man ausgetauscht, als der Zirler Schnitzer Alexander Ofner um die Jahrhundertwende bei einem fahrenden Zirkus das erste lebende Kamel studieren konnte und sehr viel lebensechter nachschnitzte. Zwei dieser berühmten „Xander-Kamele“ konnte Inzing 1916 erstehen.
Die große „Giner-Krippe“ wurde zum Vorbild für Generationen von Inzinger Krippenbauern, wie die vielen orientalischen Hauskrippen im Dorf zeigen. Am Stephanitag beginnt wieder die Zeit des Krippeleschauens, das die Inzinger so lieben und mit einem eigenen Krippen-Leitfaden begleiten. Heuer natürlich nicht, oder nur mit größter Vorsicht! Umso schöner, dass es die Kirchenkrippe zu sehen gibt. 
Die Magie des Orients<br />
Mit zehn Mann baute der Inzinger Krippenverein am dritten Adventwochenende die große Giner-Krippe in der Pfarrkirche auf. Foto: Bernhard Wanner

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