Von Beatrice Hackl
„Nachhaltigkeit ist zurecht in aller Munde. Wir haben allerdings festgestellt, dass sich die Landwirtschaft in letzter Zeit nicht wirklich verändert hat. Zwar wurden die Traktoren immer größer und moderner aber an den Anbaumethoden hat sich im Wesentlichen nichts verändert“, berichtet Start-up-Gründer Stefan Gritsch. Er und seine Freunde – Camila Gritsch, Philipp Pichler sowie Stefan Haselwanter – wollten nach eigenen Angaben etwas für die Menschen tun, etwas verändern. Auf der Suche nach neuen Anbaumöglichkeiten kam den drei technikaffinen Jungs die Idee, moderne Robotik mit Konventionellem zu verbinden. Camila sei diejenige, die alles zusammenhalte, der vernünftige, objektive Part. Sie plant, organisiert und sorgt dafür, dass alles rund läuft. Unzählige Stunden ihrer Freizeit haben die Studenten in die Realisierung ihrer Vision investiert. Was klein und als eine Art Hirngespinst anfing, hat mit der Zeit Formen angenommen und so entstand schlussendlich ein funktionierender Roboter, der eine Tür zu einer neuen Art des Pflanzenanbaus ermöglicht. Mit dem in Eigenregie entworfenen Roboter können nun sowohl unterschiedliche Gemüsesorten als auch Kräuter vollautomatisch angebaut werden.
„GEWÄCHSHAUS“ IM SCHIFFSCONTAINER. Mit ihrer Erfindung nahmen sie am Ideenwettbewerb „Innvoation.Imst 2020 des Vereins IZI“ teil und konnten die Kategorie „Senior Innovators“ für sich entscheiden. „Damals, als uns die Idee kam und wir den Roboter gebaut haben, hätte ich nie daran gedacht eine Firma zu gründen. Es ging darum, mit der Erfindung eine Veränderung bzw. eine Verbesserung herbeizuführen. Wir wollten das Leben von Menschen in beengten Städten verbessern. Erst der Gewinn des Wettbewerbs verdeutlichte, dass es auch einen wirtschaftlichen Aspekt hinter dem ganzen geben könnte und es vielleicht sinnvoll wäre, eine Firma aufzubauen“, verdeutlicht Stefan Gritsch die Entwicklungen. In Zukunft wollen wir im Sinne des Upcyclings ausrangierte Schiffscontainer umfunktionieren und für den vollautomatischen Anbau einer neuen Verwendung zuführen. In dem 12 Meter langen und 2,30 Meter breiten Containern wird unser Roboter platziert und die Pflanzen werden platzsparend in Regalforma angeordnet.
AUTOMAT MIT GEMÜSE ANSTATT KAFFEE. „Der Automat wird für Benutzer ähnlich zu bedienen sein wie ein herkömmlicher Kaffeeautomat. Mit dem Unterschied, dass man am Ende anstatt einem Becher mit Kaffee einen Kopfsalat, Karotten oder Basilikum in den Händen hält“, berichtet Stefan Gritsch. Über das Display kann abgerufen werden, welche Produkte aktuell verfügbar sind und was sie jeweils kosten. „Der Roboter erntet die in Töpfen herangewachsenen Pflanzen vollautomatisch. Die erste Bepflanzung bzw. die Auswahl der Pflanzen werden wir übernehmen, aber im Anschluss merkt sich der Roboter die beliebten Produkte und pflanzt daran angepasst neue Lebensmittel an. Er ist also in der Lage, auf die Nachfrage in der jeweiligen Region zu reagieren und dementsprechend für Nachschub zu sorgen, wobei er die Zeit, die die Pflanze zum Wachsen braucht, miteinrechnet. Der Roboter wählt das entsprechende Behältnis und befüllt dieses mit einer individuell auf die jeweilige Pflanze abgestimmten Bodenzusammensetzung. Gegossen werden die Pflanzen auch automatisch unter Berücksichtigung der benötigten Wassermenge“, verdeutlicht Gritsch das ausgeklügelte System.
MEHR ALS EIN HIRNGESPINST. Bislang haben sie ihre Hochrechnungen meist mit Salat vorgenommen und demzufolge könnten aufgrund der vier Regale im Container rund 4.000 Salatköpfe gleichzeitig anpflanzt werden. Das übertrifft das normale Volumen eines Ackers um ein Vielfaches. Diese effiziente und optimierte Anbauweise sei laut Gritsch besonders für Regionen wie Tirol interessant, da Platz bzw. Grund- und Boden hier nur begrenzt vorhanden sei. Größer wird dadurch nicht nur die Effizienz, sondern auch das Zeitfenster für den Verzehr, da die Produkte erst direkt auf Anfrage geerntet werden. Pflanzen brauchen Sonnenlicht und dieses hält mittels spezieller Lampen in den Container Einzug. Die „etagrow“-Lampen eines weiteren Telfer Start-up-Unternehmens bieten das benötigte pflanzen-wirksame Licht. Die produzierte Wärme kann zudem dazu genutzt werden, den „Gemüseladen“ in der kalten Jahreszeit zu beheizen. Der Strom für die Lampen selbst, könnte bei freistehenden Containern größtenteils über eine am Dach des Containers angebrachte Solaranlage erzeugt werden. Was die Studenten mit ihrem Roboter im Container entwickelt haben, ist im Grunde ein „Gemüseladen“, der rund um die Uhr und das an sieben Tagen die Woche frisches Gemüse anbietet. Der Container kann einerseits an belebten Orten angebracht werden und andererseits auch in einer Tiefgarage oder im Keller eines öffentlichen Gebäudes.
EINE REVOLUTION, DIE FORMEN ANNIMMT. Die Erfinder sind bereits mit der Marktgemeinde Telfs im Gespräch und möglicherweise wird sich das erste innovative Gewächshaus bzw. der Gemüseladen der anderen Art bereits im Sommer 2021 im Ortszentrum finden. Seit rund eineinhalb Jahren haben die Studenten an ihrer Idee gefeilt, wobei der Roboter an sich schlussendlich in sechs Wochen fertiggestellt werden konnte. Aber bis es soweit war, haben die „Erfinder“ viel Zeit auf die Ausarbeitung und die Vorbereitungen des Projekts verwendet. „Wir hatten kaum Geld, konnten aber unsere Arbeitsleistung investieren und das haben wir an jedem Wochenende und in jeder freien Minute getan. Einen ehemaligen Drucker für Photovoltaik-Module haben wir zu einer Fräsmaschine umgebaut, um Bleche zuschneiden zu können. Eine unserer größten Stärken besteht vermutlich darin, alte Sachen umzubauen, um sie im Sinne unserer Produktion neuen Zwecken zuzuführen“, berichtet Gritsch. Zu Beginn wurde die elterliche Garage zum Raum des Geschehens, bis der Platz knapp wurde. Dann okkupierten die Erfinder kurzerhand auch Stefan Gritschs künftige Wohnung. „Mein Elternhaus wurde vor geraumer Zeit umgebaut. Ich habe meine Wohnung noch nicht ausgebaut, da ich das dafür vorgesehene Geld in das Projekt investiert habe. Der Rohbau der Wohnung wurde nun zum Testlabor umfunktioniert. Ich habe unzählige Arbeitsstunden und mein Geld in das Projekt investiert, da ich an die Idee und das Produkt glaube. Das Ganze ist mehr als ein Hirngespinst, es hat Zukunft. Nicht nur hier in Tirol. Denkbar ist auch eine Hilfe zur Selbsthilfe beispielsweise in Äthiopien“, untermauert Gritsch.
Dank dieser Erfindung kann jeder Platz bzw. Ort zur Farm werden. Foto: Next Grow/ Gritsch