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Soziale Verantwortung im Blut

Der Zirler Michael Kirchner nutzt die Corona-Krise dazu, der Gesellschaft etwas zurückzugeben

Einmal Zivi – (fast) immer Zivi: Aufgrund der Corona-Krise war das Rote Kreuz Tirol auf der Suche nach engagierten Helfern, um eine schnelle und wirkungsvolle Hilfe gewährleisten zu können. „Viele Helfer fanden wir dabei im Kreis ehemaliger Zivildiener, die sich freiwillig noch einmal zu einem außerordentlichen Zivildienst verpflichtet haben“, weiß Stv.-Landesrettungskommandant des Roten Kreuzes Tirol, Martin Dablander. Einer von diesen ist Michael Kirchner. So weit. So unspektakulär. Und dennoch ist der Zivildienst von Michael ein anderer, denn Michael ist 48 Jahre alt und damit der älteste Zivildiener Österreichs. Für ihn sei es eine Frage der sozialen Verantwortung – besonders in Zeiten wie diesen – aktiv zu werden, mitanzupacken und etwas zu bewirken.
19. Mai 2020 | von Beatrice Hackl
Soziale Verantwortung im Blut
Österreichs ältester Zivildiener wohnt in Zirl: Michael Kirchner ist mit 48 Jahren kein blutjunger Zivildiener mehr. Dafür aber ein Erfahrener. Foto: Rotes Kreuz Tirol/Daniel Liebl
Von Beatrice Hackl

Michael Kirchner hat bereits einiges erlebt – was ihn aber stets auf seinem abwechslungsreichen beruflichen Werdegang begleitet hat, ist seine starken Affinität für Soziales. Als Sozialarbeiter und Suchtberater hat er rund zehn Jahre in diesem Bereich Frontarbeit geleistet. Unter anderem gilt er als Mitbegründer vom „Chill Out“ in Innsbruck. „Egal, was ich im Laufe der Jahre beruflich angepackt habe, ich hatte immer mit Menschen zu tun. Und das ist immer interessant. Alles basiert auf Kommunikation und zwischenmenschlichen Kompetenzen“, verdeutlicht der außerordentliche Zivildiener. In seinem aktuellen Brotberuf arbeitet Michael Kirchner im Management einer großen Firma im Ticketing-/Telekommunikationsbereich. „Sport- und Kulturveranstaltungen, Sportvereine und große Events wurden von mir betreut, bis Corona der Veranstaltungsbranche einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht hat. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen und nicht nur zu Hause als ‚Passagier‘ die Krise passiv auszusitzen, kam mir der freiwillige außerordentliche Zivildienst gerade recht. Mein Arbeitgeber reagierte sehr verständnisvoll und unterstützte mich in meiner Entscheidung und somit wurde ich freigestellt“, berichtet Kirchner. 

MATERIAL- UND LOGISTIKZENTRUM TELFS. Seinen ersten Zivildienst absolvierte er damals beim Bahnhofssozialdienst in Innsbruck. Den zweiten Zivildienst leistet Kirchner nun genau dort, wo er sein Wissen und Können gut einsetzen kann: Im Material- und Logistikzentrum in Telfs, das vom Roten Kreuz Tirol maßgeblich betrieben wird. Umschlagplatz für Tonnen an Material. „Wir bewegen an guten Tagen pro Mitarbeiter 2,5 Tonnen Hilfsgüter, angefangen von medizinischem Material, Schutzausrüstungen, Sanitätsmaterial und vieles mehr“, erzählt der Familienvater von seinem neuen Job als Zivi. Die Schicht beginnt täglich um 7.30 Uhr. Wir beladen die Lkws, die das Material zu den Umschlagplätzen in die Bezirke oder in die Krankenhäuser bringen. Gleichzeitig müssen die Bedarfsmeldungen vom Land Tirol kommissioniert und bearbeitet werden. Dann werden die neuen Bestellungen vorbereitet. Die Arbeit war zu Beginn körperlich anstrengend, aber sinnerfüllend und dient mir obendrein als Fitnessworkout. Üblicherweise bin ich ein ,Büromensch‘. Die Arbeit im Materiallager ist eine willkommene Abwechslung. Ich fühle mich topfit“, berichtet der Zivi mit Überzeugung. 

MIT GUTEM BEISPIEL VORANGEHEN. Ein wichtiger Aspekt für Michael Kirchners Entscheidung, ein zweites Mal einen Zivildienst zu absolvieren, war, dass er ein Vorbild für jünger Menschen sein will. „Anpacken in Krisenzeiten“, sagt er, „lernt man nicht in der virtuellen Welt der sozialen Medien, sondern im realen Leben“. Kirchner geht in seinem Zivileben voll auf, denn er kann seine Expertise einsetzen, findet eine sinnvolle Beschäftigung und kann Menschen helfen. „Nachdem es das Leben mit mir bisher sehr gut gemeint hat, ist es jetzt an der Zeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, unterstreicht Kirchner und fügt lachend hinzu: „Einmal Zivi – immer Zivi“. 

DIE WERTE BLEIBEN, DER BLICK ÄNDERT SICH. Die Zukunft sieht Michael Kirchner relativ gelassen. „Bis 30. Juni bin ich der älteste Zivildiener Österreichs und dann kehre ich an meinen Arbeitsplatz zurück. Meine Werte, die mir wichtig sind, ändern sich nicht – auch nicht durch die Corona-Krise. Nur mein Blick auf die Welt und die gesellschaftspolitischen Werte wird definitiv ein anderer sein“, betont Kirchner und ergänzt: „Die Krise hat uns alle aus einem Hamsterrad herausgeholt – was eine positive Chance in sich birgt – ich hoffe, die Leute nutzen den Abstand, um nachzudenken.“
Soziale Verantwortung im Blut
Kirchner hat sich zum außerordentlichen Zivildienst verpflichtet und arbeitet nun im Material- und Logistikzentrum Telfs. Foto: Rotes Kreuz Tirol/Daniel Liebl

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