Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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20 Jahre Museum Thurnfels in Völs

Aufsehenerregender Römerfund bildete 1999 die Grundlage zur Errichtung eines kleinen, aber feinen Museums

Es war eine regelrechte Sensation, als man vor nunmehr 21 Jahren bei Vorarbeiten zur Renovierung der alten Völser Pfarrkirche völlig unvermutet auf einen spektakulären Fund aus der Römerzeit stieß. Ein Archäologenteam des Innsbrucker Instituts für Ur- und Frühgeschichte sollte ursprünglich nur eine routinemäßige Untersuchung des Fußbodens durchführen, in einem kleinen Spalt in mehr als einem Meter Tiefe entdeckte Grabungsleiter Dr. Alexander Zanesco ein für die Wissenschaft und Tiroler Antikenforschung bedeutsames Stück Geschichte. Zum Vorschein kam das Laufgewicht einer römischen Schnellwaage, welches den Gott Bacchus in seiner jugendlichen Form darstellt.
26. Mai 2020 | von Wolfgang Rives
20 Jahre Museum Thurnfels in Völs
Freuen sich über das Museumsjubiläum: Bürgermeister Erich Ruetz, Reinhard Schretter und Kulturreferent und Vizebürgermeister Toni Pertl (v.l.) Foto: Rives
Von Wolfgang Rives

Am 1. März 1999 begannen die Grabungen in der alten Völser Pfarrkirche. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, sollte die routinemäßige Untersuchung gegebenenfalls vorhandene Bodendenkmäler im Vorfeld befunden, um für die anstehende Restaurierung des Fußbodens die nötigen Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Der für die Grabungen beauftragte Archäologe Dr. Alexander Zanesco traute seinen Augen kaum, als im Verlauf der Arbeiten knapp unterhalb des Fußbodens Reste eines spätrömischen Gebäudes freigelegt wurden. 

SENSATIONSFUND AUS DER RÖMERZEIT. Für den Paukenschlag schlechthin sorgte aber wenig später die sensationelle Entdeckung eines aus Bronze gegossenem und mit Blei gefülltem Büstengewichts in der Darstellung des Gottes Bacchus in seiner jugendlichen Form, das in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. gefertigt wurde und von hoher künstlerischer Qualität zeugt. Die knapp 2000 Jahre alte und etwas mehr als einen Kilogramm schwere Büste zählt bis heute zu den bedeutendsten und schönsten Funden dieser Art und ist gleichsam Zeuge einer hochstehenden Kultur früherer Generationen. 

HINWEISE ZUR BESIEDELUNG SCHON IN DER JUNGSTEINZEIT. Die früheste Besiedelung des heutigen Völser Gemeindegebiets belegt der Einzelfund eines geschliffenen Steinbeiles aus Serpentin, das im Jahr 1976 von Susanne Rabitsch in der Nähe der damaligen Hauptschule gefunden wurde. Das Beil aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. lässt auf eine Siedlung in der Umgebung der Neuen Mittelschule schließen. Ein weiterer prähistorischer Fund führt in die Bronzezeit, genauer in das 16. Jahrhundert vor Christus. Bei Fundamentierungsarbeiten entdeckte Erich Pinitsch ein Vollgriffschwert vom Typus Spatzenhausen, das er in etwa zwei Metern Tiefe im lehmigen Boden der Völser Bauhofstraße gefunden hat. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes in den 1880er Jahren führte schließlich zu einer Reihe weiterer Funde und Hinweisen zur frühen Siedlungsgeschichte im Völser Gemeindegebiet. So wurden im Rahmen der Gleisbauarbeiten 56 Brandgräber aus der Zeit zwischen dem Ende des 13. und dem 10. vorchristlichen Jahrhundert geborgen. Sie spiegeln den damals gebräuchlichen Bestattungsritus wider, die Ausstattung der Gräber mit keramischen und bronzenen Beigaben lässt zudem spannende Rückschlüsse auf den sozialen Status der Verstorbenen zu.

STARTSCHUSS FÜR VÖLSER MUSEUM THURNFELS. Im Wissen um die früheren Funde, die bislang in den Archiven des Tiroler Landesmuseums verweilten, entstand in den Gremien des Kulturausschusses, unter der Leitung des damaligen Kulturreferenten und Vizebürgermeisters Reinhard Schretter, die ehrgeizige Idee, die aufsehenerregenden Funde der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies sollte in Form eines ortseigenen Museums geschehen. Dabei mussten allerdings etliche Hürden überwunden werden. In erster Linie stellte sich die Frage der Finanzierbarkeit des Projekts. Nach unzähligen Gesprächen und Diskussionsrunden zwischen Gemeindevertretern, Experten und Teilen der Landespolitik gelang es, einen Gutteil der notwendigen Summe zu lukrieren. Unter Mithilfe weiterer Sponsoren schnürte Schretter nach nur wenigen Monaten ein Finanzierungspaket, das schlussendlich die Errichtung des Museums Thurnfels ermöglichte. 

MUSEUMSERÖFFNUNG IM EINKLANG MIT ERHEBUNG ZUR MARKTGEMEINDE. Unter der damaligen Gemeindeführung von Bürgermeister Dr. Josef Vantsch beauftragte die Gemeinde Völs den Architekten Mag. Peter Kirchmair mit der Planung des Museums. Grabungsleiter Dr. Alexander Zanesco und Mag. Wolfgang Sölder (Tiroler Landesmuseum) sorgten unterdessen für die wissenschaftliche Begleitung. Pünktlich zur Markterhebung der Gemeinde Völs im Jahr 2000 öffnete das archäologische Museum im historischen Gemeindehaus, dem Ansitz Thurnfels, seine Pforten. Viele tausende Besucher erfreuten sich seither an der Besichtigung der rund 80 Exponate. Wenig verwunderlich, ist der „Völser Bacchus“ der unumstrittene Besuchermagnet, aber auch das von den Mitgliedern des Völser Krippenvereins im Maßstab 1:25 gebaute Modell der alten Pfarrkirche (zum Zeitpunkt der Grabungsarbeiten) erfreut sich größter Beliebtheit.

AUSGEZEICHNET MIT MUSEUMSPREIS UND GÜTESIEGEL. Mittlerweile, exakt 20 Jahre nach der Eröffnung, hat sich schon mehrfach bestätigt, dass Reinhard Schretters Bemühungen alles andere als umsonst waren. Mit der nun schon dreimaligen Zuerkennung des österreichischen Museumsgütesiegels zeigt sich, dass das kleine Völser Museum international festgelegten Standards entspricht. Zudem wurde dem Museum Thurnfels im Jahre 2002 der Anerkennungspreis im Rahmen des Tiroler Museumspreises verliehen. Das römische Büstengewicht als Hauptexponat der Ausstellung wurde darüber hinaus in die weltweit einzigartige Kampagne der via Internet durchgeführten Präsentation von „speziellen, sonderbaren und unvergleichlichen Objekten“ aus 131 ausgezeichneten Museen aufgenommen. Aufgrund der derzeit herrschenden Gesundheitskrise ist das Museum Thurnfels leider vorübergehend geschlossen, spätestens ab September kann bei einem Besuch aber wieder ein paar tausend Jahre in die Vergangenheit geblickt werden. Der Eintritt ist frei. 
20 Jahre Museum Thurnfels in Völs
Das Prunkstück des Museums Thurnfels ist zweifelsfrei der 2000 Jahre alte „Völser Bacchus“. Foto: Rives
20 Jahre Museum Thurnfels in Völs
Ein geschliffenes Steinbeil aus Serpentin (3000 v. Chr.) ist das nachweislich älteste Völser Fundstück. Foto: Rives

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