Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Das bewegte Leben einer Nomadenfamilie

Über Jahre begleitete der Telfer Archäologe Thomas Reitmaier eine „traditionelle“ Nomadenfamilie in Marokko

Der harte Alltag einer Nomadenfamilie in Marokko wurde von Thomas Reitmaier, einem aus Telfs stammenden Archäologen, seit 2017 im Rahmen des ethnoarchäologischen Projekts „Arhal“ untersucht. Der hauptberufliche Kantonsarchäologe von Graubünden wurde bei seinen außergewöhnlichen Arbeiten vom Fotografen Abdellah Azizi begleitet.
16. Juni 2020 | von Beatrice Hackl
Nomaden auf Zeit: Die Nomadenfamilie im Hohen Atlas in Marokko wurde im Rahmen des ethnoarchäologischen Projekts „Arhal“ vom Archäologen Thomas Reitmaier und dem Fotografen Abdellah Azizi seit 2017 begleitet. Foto: Abdellah Azizi
Die von Thomas Reitmaier begleitete Familie gehört zu den letzten Vertretern der „Ait Atta“-Nomaden. Foto: Abdellah Azizi
Die Nomadenfamilie ist ganzjährig mit ihren 200 Schafen und Ziegen, Lasttieren und ihrem ganzen Besitz unterwegs. Foto: Abdellah Azizi
Thomas Reitmaier in jenem Zelt, das nun in einer Ausstellung in St. Gallen gezeigt wird. Foto: Abdellah Azizi
Die Familie von Brahim und Touda hat fünf Kinder und möchte ihre nomadische Existenz aufgeben. Foto: Abdellah Azizi
Von Beatrice Hackl
 
Das internationale Projekt „Arhal“ („Nomade“) hat seit 2017 das Leben einer der letzten „traditionell“ lebenden Nomadenfamilien aus dem Stamm der „Ait Atta“ in Marokko dokumentiert. Historisch fassbar sind diese Nomaden ab dem 15./16.Jahrhundert, als sie sich vom wüstennahen Gebirgszug des Jbel Saghro nach Norden in den Hohen Atlas ausbreiteten. Viele Male begleitete Thomas Reitmaier die Familie von Brahim und Touda mit ihren fünf heranwachsenden Kindern, die weiterhin ganzjährig mit ihren 200 Schafen und Ziegen, den Lasttieren und ihrem ganzen Besitz unterwegs sind. 
 
WINTERLAGER UND SOMMERWEIDEN. Im Zentrum der wissenschaftlichen Untersuchung stand der rund 150 Kilometer lange Weg zwischen dem Winterlager und den Sommerweiden, die Lager- und Futterplätze sowie die vielfältigen Aktivitäten und Verflechtungen der Nomaden in den wechselnden Gebirgslandschaften Marokkos. Das Überleben der Familie sichert der Absatz von Tieren auf lokalen Märkten und von Schafwolle über lokale Händler. Alle Angehörigen arbeiten mit. Die erwirtschafteten Erträge ermöglichen den Ankauf von Produkten – etwa des Grundnahrungsmittels Hartweizengrieß (Couscous) – bei den in der Region sesshaften Ackerbauern. 
 
RÜCKSCHLÜSSE AUF FRÜHE ALPENBEWOHNER. Das Beobachten und Miterleben der Wirtschaftsweise und der Lebensformen der Nomaden im Umfeld des Hohen Atlasgebirges ermöglicht – zumindest als Annäherung, wie Reitmaier festhält – auch eine bessere Vorstellung der Lebensbedingungen und Überlebenstechniken der frühen Alpenbewohner unserer Regionen seit der Urgeschichte. Und das war auch ein Aspekt dieser aufwändigen Dokumentation. Eng begleitet wurden diese Arbeiten vom marokkanischen Fotografen Abdellah Azizi. Seine ebenso faszinierende wie intime Sichtweise auf das Leben der Familie ist nun zusammen mit Originalobjekten (Original-Zelt) in der Sonderausstellung „Nomaden auf Zeit“ im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen und in einem umfangreichen Bildband zu sehen. Wie der Titel zeigt, ist die porträtierte Familie dabei, ihre nomadische Existenz aufzugeben und sich dauerhaft niederzulassen. Auch diesen vielschichtigen Prozess wird das internationale Projekt verfolgen. Der erwähnte 320 seitige Bildband ist sowohl über das Museum als auch direkt über Thomas Reitmaier erhältlich.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben