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Das Ende einer großen Theaterära

Gewitterwolken am Theaterhimmel der Tiroler Volksschauspiele: Der Verein sagt sich von der neuen GmbH los

„Wir sind die Tiroler Volksschauspiele“ – das war die Kernmessage, die vom Verein im Rahmen einer Pressekonferenz vergangenen Mittwoch transportiert wurde. Die Mitglieder des Vereins brechen mit der 2019 gegründeten GmbH und kehren somit der Marktgemeinde Telfs nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit den Rücken. Zeitgleich befand sich die GmbH inmitten der Hearings für die neue Intendanz und nahm die Äußerungen des Vorstands des Vereins mit großer Verwunderung zur Kenntnis.
23. Juni 2020 | von Beatrice Hackl
Das Ende einer großen Theaterära
Der seit 38 Jahren bestehende Verein der Tiroler Volksschauspiele bricht mit der neugegründeten, gleichnamigen GmbH: Alfred Konzett, Klaus Rohrmoser, Felix Mitterer, Obmann Markus Völlenklee, Geschäftsführerin Silvia Wechselberger und Susi Weber (v.l.) RS-Foto: Hackl
Von Beatrice Hackl

Die Volksschauspiele sind Tirols größtes Sommertheaterfestival und bereichern seit 1982 jährlich das Telfer Kulturgeschehen. 38 Jahre lang wurden die Tiroler Volksschauspiele vom gleichnamigen Verein organisiert. Im Oktober des vergangenen Jahres wurde von der Marktgemeinde Telfs, dem Land Tirol, dem ORF Tirol, dem Tourismusverband Innsbruck Tourismus sowie den Beiräten und Sponsoren die neu gegründete gemeinnützigen GmbH präsentiert, die mit einer rechtlichen und organisatorischen Neustrukturierung des Theaterfestivals einhergeht. Ein wesentlicher Grund für die Errichtung der gemeinnützigen GmbH wäre, die Vereinsmitglieder aus der persönlichen – finanziellen und organisatorischen – Haftung, wie es bei Vereinen gesetzlich vorgesehen ist, zu entbinden.  „Der Verein Tiroler Volksschauspiele ist nicht in die GmbH übergegangen. Die Tiroler Volksschauspiele, das sind wir“, ließen die Vereinsmitglieder bei der Pressekonferenz verlauten und sagen sich von der neuen, gleichnamigen GmbH los. Die GmbH und die Gemeinde Telfs regierten auf die Pressekonferenz mit Verwunderung, denn es liege ein Schreiben an Bürgermeister Härting vom 31. Jänner vor, indem die Gründung der GmbH vom Verein anerkannt wurde: „Der Verein der Tiroler Volksschauspiele nimmt, wenn auch mit großer Wehmut, das Aus für die künftige Eigenveranstaltung in Telfs zur Kenntnis und anerkennt die Gründung einer Betriebsgesellschaft mit dem für diese eingetragenen Firmennamen und deren rechtlichen Schutz.“ 

LABEL-PIRATERIE. Die Marke „Tiroler Volksschauspiele“ hat sich Telfs bereits 2018 gesichert. Das sei laut Völlenklee eine klare „Label-Piraterie“ und der Verein beabsichtige auch nicht sich umzubenennen. „Die Gemeinde kann natürlich ein Festival gründen, aber nicht die ,Tiroler Volksschauspiele‘. Sollte es einen Angriff auf den Namen geben, sind rechtliche Schritte möglich“, zeigt sich Alfred Konzett kämpferisch. Zu den Vorwürfen äußert sich die GmbH in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt: „Der Schutz der Marke wurde vonseiten der Marktgemeinde Telfs in Verantwortung auch gegenüber dem Verein bereits 2018 vorgenommen, weil vonseiten des Vereins – obwohl mehrfach dazu angehalten – ein Markenschutz nicht erfolgt ist.“ Des Weiteren teilen die Verantwortlichen mit: „Die Marktgemeinde Telfs hat den Verein Tiroler Volksschauspiele über die Jahre seit 1982 mit rund acht Millionen Euro zuzüglich Eigenleistungen der Gemeindewerke Telfs GmbH subventioniert. Das verstehen wir als Investment in die Marke und als klares Bekenntnis zu dieser wichtigen Tiroler Kulturinstitution.“ Darüber hinaus gab und gäbe sehr wohl Bestrebungen und Belege dazu, das bisherige Ensemble beziehungsweise den Verein in die GmbH einzugliedern. 

GESCHEITERTE KOMMUNIKATION. Allerdings sieht der Verein den Bruch mit der Gemeinde als das Ergebnis einer gescheiterten Kommunikation. „Loyalität hin oder her, jetzt hat es sich so ergeben“, betont Völlenklee und Konzett ergänzt: Man sei anfangs gewillt gewesen, einvernehmliche Lösungen mit der Gemeinde zu finden und weiterhin die Zusammenarbeit zu suchen, aber angedachte Vereinbaren seien nie zustande gekommen. Anfang des Jahres sei eine schriftliche Darstellung an die Gemeinde ergangen und bis dato habe der Verein keine Informationen diesbezüglich erhalten. Auch hierzu bezieht die GmbH Stellung: „In einem Schreiben an die Marktgemeinde Telfs vom 31. Jänner 2020 hat man vonseiten des Vereins einer gemeinsamen Vorgangsweise zugestimmt. Es wurde vereinbart, dass vom Verein eine genaue Kostenaufstellung des Vereinsvermögens und etwaiger Außenstände vorgelegt wird, damit der Verein ohne Verbindlichkeiten im Sinne der Vereinbarung weiterarbeiten kann. Die noch nicht erfolgte Gegenzeichnung durch Bürgermeister Christian Härting ist ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass ebendiese Aufstellung der Jahresrechnung 2019 bis heute noch nicht vorgelegt wurde.“ Die Rede ist hierbei von offenen Rechnungen in der Höhe von rund 13.000 Euro, die die Gemeinde übernehmen will – hierfür aber die Jahresrechnung für 2019 einfordert.

MITTERER WENDET SICH VON TELFS AB. Auch Felix Mitterer, der im Herbst noch als Teil des Beirats der GmbH vorgestellt wurde, bezieht während der Pressekonferenz eine klare Position und kehrt seiner künstlerischen Heimat Telfs den Rücken: „Ich lege alle meine Funktionen in der GmbH nieder.“ Er habe sich „wie ein Verräter gefühlt“ und erlebe nun einen „großen Befreiungsschlag“. Die Volksschauspiele 2020 mussten Corona-bedingt abgesagt werden. „Klaus Rohrmoser und Karl-Heinz Steck haben keinen Groschen erhalten. Ich habe die Nase voll“, so der Dramatiker. Mitterer selbst hat für seine Adaption der für 2020 geplanten „Feuernacht“ das vereinbarte Honorar nach Abgabe des Textes in vollem Umfang erhalten. Und die GmbH lässt wissen: „Sollten weitere Vorleistungen erbracht worden sein, ist die Bereitschaft gegeben, nach Vorlage von Leistungsnachweisen darüber Gespräche zu führen.“
WIE GEHT ES WEITER? „Für mich ist das Ganze befremdlich und verwunderlich. Das Vorgehen wurde in persönlichen Gesprächen abgehandelt, die jetzt für nichtig erklärt werden“, so Bürgermeister Christian Härting. „Wir werden unseren Weg weiter einschlagen.“ Er sei aber der letzte, der den Akteuren des Vereins nicht die Hand reicht, um auch in Zukunft künstlerisch zusammenzuarbeiten. Der Verein selbst sei zwar aktuell heimat- und mittellos aber „wir sind nicht dazu bereit, auf Zuruf zu verschwinden“, stellt Regisseurin Susi Weber gegen Ende der Pressekonferenz klar.
Das Ende einer großen Theaterära
Die Jury beim Hearing für die neue Intendanz: Andreas Braun, Ruth Haas (Geschäftsführerin der neuen GmbH), Lew Bogdan, Susanna Goldberg, Johannes Reitmeier, Irene Girkinger und Hans-Joachim Gögl (v.l.) Foto: TVSS/Pichler

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